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Bieder und brutal

Mexikos Präsident Calderón ist in Berlin zu Gast. Kritik an Menschenrechtsverletzungen wird nicht geübt

junge welt vom 25.01.2007
Von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt

  Titelseite der LaJornadaWenn Mexikos Präsident Felipe Calderón am heutigen Donnerstag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vertretern der deutschen Wirtschaft zusammenkommt, wird ein Thema keine Rolle spielen: Die Gewalt und politische Repression, mit der der Konservative Anfang Dezember seinen Einstand gab. Auch konnte Calderón, der Kandidat der klerikal-konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN), die Vorwürfe des Wahlbetrugs gegen seinen linksmoderaten Widersacher Andrés Manuel López Obrador nie entkräften. In den ersten eineinhalb Monaten seiner Amtszeit hat der Jurist jedoch eines deutlich gemacht: Ob im Kampf gegen Drogenbanden oder im Konflikt mit sozialen Bewegungen im südlichen Oaxaca − Calderón stützt seine Macht in erster Linie auf die Streitkräfte und die militarisierte Bundespolizei. In Oaxaca hat er die aufbegehrende Bevölkerung wissen lassen, daß er bereit ist, über Leichen zu gehen: Ein verläßlicher Partner für Berlin also.

Hoffnung in der EU

Der bieder wirkende 44jährige ist ein Karrierepolitiker. In der PAN schaffte sich der neue Präsident früh eine Basis: Vom Posten des Bundessekretärs der Jugendorganisation folgte bereits 1987 der Sprung in den Parteivorstand. Weitere Stationen: Parteivorsitz, Fraktionschef, kurze Zeit Energieminister unter Vorgänger Vicente Fox. 2005 gewann er die Kandidatenkür in seiner Partei überraschend gegen den von Fox favorisierten Innenminister Santiago Creel. Und auch bei der Präsidentschaftswahl rollte er das Feld von hinten auf. Im Endspurt setzte Calderón auf einen äußerst aggressiven Verleumdungsfeldzug gegen López Obrador − unterstützt von den wichtigsten Privatmedien seines Landes. Und der Wirtschaft natürlich.

Entgegen seinem Bekenntnis zu einem pluralistischen Kabinett setzt der Präsident klare konservative und wirtschaftsliberale Akzente. Deutlicher Ausdruck dafür ist Finanzminister Agustín Carstens, zuvor geschäftsführender Vizedirektor des Internationalen Währungsfonds. Zum Innenminister bestellte Calderón mit Francisco Ramirez Acuña den Gouverneur des Bundesstaates Jalisco. Der Hardliner Acuña ist unter anderem für das brutale Vorgehen gegen Demonstranten beim Gipfeltreffen zwischen der EU und Lateinamerika im Mai 2004 in Guadalajara verantwortlich. Entgegen Calderóns Sparpolitik in allen anderen Haushaltsbereichen wurde das Militärbudget kräftig erhöht. Der frühere mexikanische EU-Botschafter Porfirio Muñoz Ledo kritisierte diese Nähe zum Militär jüngst: »Mit einem Bajonett kann man alles mögliche machen − man kann nur nicht auf ihm sitzen.«

All dessen ungeachtet wird Calderón am Donnerstag abend im Bundeskanzleramt willkommen geheißen. Denn was Berlin bei der Kritik am linken Lateinamerika recht ist − man denke nur an Venezuela −, ist im Falle Mexikos längst nicht billig. Schließlich ist das Land mit seinen inzwischen über 100 Millionen Einwohnern »einer der größten Märkte der Welt« mit »einzigartiger strategischer Position in Amerika«, wie die Deutsch-Mexikanische Handelskammer auf ihrer Internetseite schwärmt. Deutschland ist die wirtschaftlich am stärksten vertretene EU-Nation in Mexiko. Wegen seines Freihandelsvertrags mit der Europäischen Union wird das Land zudem als Türöffner zur Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) gesehen.

Insel des Kapitalismus

Bisher waren die Erfolge dabei mäßig. Das vor sechs Jahren in Kraft getretene Wirtschaftsabkommen hat der EU lediglich geholfen, den durch NAFTA verlorenen Boden wiedergutzumachen. Während Mexiko mit den USA über 80 Prozent seines Außenhandels abwickelt, bleibt der Austausch mit dem alten Kontinent deutlich unter zehn Prozent.

Der Grund des freundlichen Empfangs ist daher eher strategisch-politisch zu begründen. In der zunehmend von linken und linksgemäßigten Präsidenten regierten Region herrscht Felipe Calderón über eine der letzten Inseln des neoliberalen Kapitalismus. Anders als in Venezuela, Bolivien oder Ecuador sind Verstaatlichungen unter seinem Regime undenkbar. Calderón ist sich dessen bewußt. In klarer Anspielung auf den bolivianischen Präsidenten Evo Morales und Venezuelas Staatschef Hugo Chavez bot er Mexiko als Alternativstandort an, falls Investitionen aus anderen Ländern der Region abgezogen würden. Für eine Kritik an Menschenrechtsverletzungen bleibt bei einer solchen Perspektive in Berlin kein Platz.

* Demo gegen Calderón-Besuch in Berlin: Donnerstag, 25.1.07, 13 Uhr. Der Protestzug führt vom Roten Rathaus bis zum Haus der Deutschen Wirtschaft

Achtzehn Demonstrierende stürmten in den Schlossgarten und sorgten für Wirbel beim ersten Auslandsbesuch von Calderon

massiver Polizeieinsatz

Jagd auf Demonstranten

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 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/index.php 
 

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