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Offener Brief an die mexikanische Regierung
News vom 24.07.2003 |
Soldaridad con América Latina Oscar A. Romero en Europa,
Grupo Biberach
c/o Dr. Peter Clausing
Wetterkreuzstr. 115
88400 Biberach
Phone/Fax: +49-7351-441649
e-mail: pcl-AT-nexgo.de
Herrn Miguel Angel Padilla
Botschaft von Mexiko
Klingelhöferstrasse 3
10785 Berlin
Fax: 030-269-323-70
e-mail: miguel_a_padilla-AT-embamexale.de
Sehr geehrter Herr Padilla Acosta,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 22.07.2003, in dem Sie mir die Information des mexikanischen Außenministeriums bezüglich meiner von zahlreichen anderen Personen und Organisationen geteilten Sorge um das Schicksal der Gemeinden in der Region von Montes Azules, Chiapas, mitteilen.
Ich war sehr erfreut, in einem offiziellen Schreiben der mexikanischen Regierung zu lesen, dass die mexikanische Regierung nicht vor hat, Armee und Polizei zur Vertreibung dieser Gemeinden einzusetzen, sondern im Dialog mit den Gemeinden eine einvernehmliche Lösung auf der Basis einer Umsiedlung anstrebt.
Noch erfreuter wäre ich, wenn dies nicht bei einer Erklärung bliebe, sondern sich in praktischer Politik niederschlagen würde. Leider habe ich große Zweifel an der Ernsthaftigkeit der so beschriebenen Absichten der mexikanischen Regierung. Die Berechtigung dieser Zweifel möchte ich Ihnen nachstehend schildern und mit Ihrer Hilfe der mexikanischen Regierung ein paar Fragen stellen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie deren Beantwortung erwirken könnten.
1. Wieso errichtet mexikanisches Militär zeitweilig Lager am Flussufer in der Nähe der betroffenen Gemeinden und wieso fahren Schnellboote der Sicherheitskräfte auf den Flüssen dieser Region auf und ab und schüchtern auf diese Weise die Gemeinden ein, wenn es der Regierung um einvernehmliche Lösungen am Runden Tisch geht ?
Ich kann Ihnen versichern, dass meine Informationen nicht von der Ihrerseits erwähnten Organisation "Hölzer der Völker des Südostens" stammen (die ich nicht kenne). Sondern ich habe die Fotos gesehen, die den oben genannten Sachverhalt belegen, und ich habe die Leute gesprochen, die diese Fotos gemacht haben. Was ich da gesehen und erfahren habe, erhöht allerdings die Glaubhaftigkeit der von Ihnen zitierten Information über einen Plan der mexikanischen oder chiapanekischen Regierung zur Vertreibung der Gemeinden in den Montes Azules, die durch die Organisation "Hölzer der Völker des Südostens" verbreitet worden sein soll.
2. Ich hatte am 11. Januar 2003 Gelegenheit zu einem längeren persönlichen Gespräch mit Vertretern der im DIF von Comitán untergebrachten Gemeinde aus Paraje Arroyo San Pablo. Diese hatten zwei Tage zuvor mit Jose I. Campillo, dem Vertreter der Umweltpolizei PRODEFA, ein dreimonatiges Moratorium für Presseinterviews vereinbart, um in einem ruhigen, nicht aufgeheizten Klima abzuwarten, dass die Regierung innerhalb der versprochenen 3 Monate das für die Umsiedlung angekündigte Land bereitstellt. Diese Chol-Gemeinde ist in zweifacher Hinsicht exemplarisch: Sie hat eine 10jährige Odyssee hinter sich: Im Jahr 1992 wurde sie gezwungen, ihre Heimat in der Nähe von Tila im Norden von Chiapas zu verlassen. Später wurden sie von dem Land bei Salina Cruz (Zona Marques de Comillas), das sie über 8 Jahre lang bebaut hatten vertrieben und siedelten sich schließlich am 10.11.2002 in den Montes Azules an. Letztendlich beugte sich diese Gruppe der Logik der in Chiapas herrschenden Straflosigkeit für die die Regierung die Verantwortung trägt. Dies illustriert die strukturellen Gründe und die eigentlich Verantwortlichen für die Ansiedlungen in den Montes Azules, wobei neben der erwähnten Straflosigkeit bei Morden und gewaltsamen Übergriffen die fehlende Landreform in Chiapas (und anderen Bundesstaaten) hinzukommt.
Die Gemeinde aus Paraje Arroyo San Pablo hat trotz wiederholter Versprechungen bis zum heutigen Tag kein Land erhalten, weder das, was ihr für Anfang April in einer Chol-sprechenden Region in Aussicht gestellt wurde, noch irgendwelches anderes Land. Wie stellt sich die mexikanisch Regierung eine "friedliche Umsiedlung" der 41 anderen Gemeinden vor, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, für eine einzige, zudem sehr kleine Gemeinde (10 Erwachsene und 17 Kinder) in über 7 Monaten eine Lösung zu finden ?
3. In der Information des mexikanischen Außenministeriums wird die Abholzung von ca. 2400 ha Urwald in den Montes Azules beklagt. Wieviel Wald in den Montes Azules durch illegale Gemeinden abgeholzt wurde und wieviel Wald durch Brandstiftung Dritter oder illegalen kommerziellen Holzeinschlag verloren wurde, lasse ich zunächst dahin gestellt.
Meine Frage an die mexikanische Regierung ist, wie sie ihren doppelten Standard rechtfertigt, den sie ganz offensichtlich walten lässt: In Chiapas werden Gemeinden eingeschüchtert, die im Ergebnis von Straflosigkeit und ungerechter Landverteilung letztendlich in das Biosphärenreservat ausgewichen sind. In Guerrero bleibt illegaler Holzeinschlag durch große Unternehmen − toleriert und in Komplizenschaft mit der Armee − ungestraft, zerstört die Lebensgrundlage der dortigen Campesinos, die darüber hinaus Repressionen ausgesetzt sind. Müsste die mexikanische Regierung nicht die Übel an der Wurzel anpacken und zunächst Straflosigkeit und ungerechte Landverteilung bekämpfen sowie die Campesinos ecologistas in Guerrero unterstützen, statt sie Repressionen auszusetzen ?
Über eine zukunftsweisende Antwort auf meine Fragen wäre ich Ihnen sehr verbunden. Ein erster Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Worte der mexikanischen Regierung wäre die Beschaffung von Land für die Gemeinde aus Paraje Arroyo San Pablo innerhalb der mehrfach verschobenen Frist gewesen.
Biberach, den 24.07.2003,
mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Clausing
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