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Gespräch in Oventik

"Wir haben nicht zu den Waffen gegriffen, um nun mit einer Dose Sardinen abgespeist zu werden"

News vom 27.02.2007

  Noch ein Gespräch, das Paul geführt hat

Am 1. Jänner 1994 erhoben sich die indigenen Kleinbauern im Süden Mexikos als Zapatistische Befreiungsarmee EZLN, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. 12 Tage lang dauerte der Krieg gegen die mexikanische Armee, dann wurde die Regierung durch den Protest der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft dazu gezwungen, die Kampfhandlungen einzustellen. Die Friedensverhandlungen führten im Februar 1996 zu den sogenannten "Abkommen von San Andrés über indigene Rechte und Kultur", diese wurden von der Regierung jedoch nie umgesetzt. Die Zapatistas beschäftigten sich seither mit dem Aufbau ihrer eigenen Strukturen. Sie errichteten ein autonomes Gesundheits- und Bildungssystem, und im August 2003 wurde ihre Form der Selbstregierung mit der Einrichtung der "Räte der Guten Regierung" formalisiert. In zweiwöchiger Rotation sind hier Delegierte aus allen Landkreisen für die Umsetzung der von der Gemeinschaft getroffenen Beschlüsse zuständig. Darüber hinaus fungieren sie als Ansprechpartner nach aussen. In einem Gespräch vom 20. Februar 2007 erklärt der Rat der Guten Regierung von Oventik:

"Früher, als Indígenas, die wir sind, machten wir Demonstrationen, Mahnwachen, Protestmärsche, um auf diese Weise auf unsere Probleme aufmerksam zu machen, aber die schlechte Regierung wollte davon nichts wissen. Da sie sich unseren Bitten gegenüber taub stellte, suchten wir nach einem anderen Weg. Wir organisierten uns im Verborgenen, und 1994 erhoben wir uns in Waffen, um unsere Rechte zu verteidigen, − denn es sind Grundrechte, für die wir kämpfen, − und wir sagten: "¡Ya basta! − Es reicht! Schluß mit dem Hunger, Schluß mit den Morden, Schluß mit der Ausbeutung!" Wir formulierten unsere wichtigsten Forderungen in 13 Punkten. 12 Tage lang dauerte der Krieg, dann erklärte sich die schlechte Regierung dazu bereit, uns anzuhören, um zu verstehen, warum wir in den Krieg gezogen waren. Wir nahmen diese Einladung an und setzten uns an den Tisch des Dialogs.

Gemeinsam mit den Unterhändlern der Regierung trafen wir die allermindesten Vereinbarungen. Doch die schlechte Regierung hielt sich nicht daran, die Vereinbarungen wurden nicht umgesetzt, unsere Forderungen nicht erfüllt. Als wir das erkannten, beschlossen wir, einen Schritt weitergehen und wieder in den Krieg zu ziehen, diesmal aber nicht mit Waffen, sondern auf politischem Weg. 13 Jahre sind seit dem Aufstand von 1994 vergangen, und wir haben wichtige Fortschritte gemacht: Wir haben ein autonomes Gesundheitssystem aufgebaut, hier im Ort befindet sich z.B. die zentrale Klinik der Region, wo Männer, Frauen, Kinder und alte Menschen behandelt werden, die davor keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten und an einfachsten Krankheiten starben. Wir haben unser autonomes Bildungssystem mit einer Unzahl an Primärschulen und einigen Sekundärschulen, mit unseren eigenen Lehrern und Lehrplänen. Und dann haben wir seit drei Jahren noch die JBG, die Räte der Guten Regierung, die Regierung des Volkes, aber dahinter steckt noch viel mehr: In jedem unserer autonomen Bezirke gibt es Räte, die gemäß dem Willen der Dörfer arbeiten. Außerdem haben wir noch die Kooperativen der Frauen, Schuhwerkstätten und zwei Kaffeekooperativen, Mut Vitz und Yachil Xojoval Chulchan, die den Kaffee bis nach Europa exportieren. Vor 1994 gab es weder Gesundheitsversorgung noch Schulen in unseren Dörfern, es gab gar nichts. Wir werden die schlechte Regierung niemals um Erlaubnis bitten. Aber wir fordern unser Recht, das uns zusteht. Die Menschen verlangen danach. Tag und Nacht empfangen wir Botschaften aus allen Teilen der Welt, und unser zapatistisches Wort ist weit über unsere Region hinausgegangen. Wir befinden uns im Widerstand, denn die schlechte Regierung arbeitet mit Repression und Lügen. Alles, was sie uns anbieten, ist ein Päckchen mit Pfefferminze, ein Säckchen Reis oder ein Stück Blech, aber wir Zapatistas werden das niemals annehmen. Wir haben nicht zu den Waffen gegriffen, um nun mit einer Dose Sardinen abgespeist zu werden. Wir haben uns erhoben, um eines Tages ein besseres Leben zu führen, um eines Tages die selben Rechte zu haben wie alle Menschen in diesem Land, wie sie allen Menschen zustehen, damit eines Tages nicht nur die Bauern am Land in Würde leben können, sondern damit auch die Arbeiter in der Stadt einen gerechten Lohn für ihre Arbeit erhalten.

Im Moment haben ja die Reichen alle guten Posten besetzt, und den Armen und den Indígenas bleibt nichts. Wir aber haben keine Lust, am Hunger zu sterben, während es Millionen Hektar Land und Tausende Fabriken gibt, die uns zustehen. Nach 500 Jahren der Ausbeutung und Verachtung vernetzen wir nun unser Wissen und unsere Erfahrungen, um den Kampf gemeinsam weiterzuführen. Dies ist unser Weg, und dies ist unser Wort. Wir fordern Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit nicht nur für uns, sondern für alle, denn es gibt viele, die an Hunger leiden und daran sterben, überall, auch in den Städten. Wir selbst haben ja ein wenig Mais, ein paar Bohnen, um zu überleben, aber es gibt viele Menschen, die das nicht haben, die ein sehr trauriges Leben führen. Wir sind keine Ausländer, wie die Regierung behauptet, wir sind Indígenas, die wahren Besitzer dieses Landes, und wir werden weiter für unsere Rechte kämpfen! Die schlechte Regierung schickt ihre Soldaten, um die Menschen zu töten. Das ist ihre Antwort. Viele haben ihr Blut und ihr Leben gegeben, um ihre Rechte zu verteidigen, und die verdammte Regierung schickt ihre Soldaten und versucht, uns mit Almosen abzuspeisen. Aber das Blut unserer Brüder kann nicht gegen ein paar Blätter Minze eingetauscht werden! Um eines Tages die Früchte dieses Blutes zu ernten, um in Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit zu leben, lohnt es sich zu kämpfen und zu sterben! Dies ist unser Wort."

Das Gespräch führte Paul Friedrich von der Gruppe Libertad
(chiapas.at)

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