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Ein Jahr nach Polizeiübergriffen im mexikanischen Atenco

Demonstranten im Gefängnis, prügelnde Beamte im Dienst

junge welt vom 03.05.2007
Gerold Schmidt

 

Langfassung eines junge Welt-Beitrages vom 04.05.07

(Mexiko-Stadt, 3. Mai 2007).- Heute (4. Mai!), jährt sich zum ersten Mal der Tag, der für viele politische Beobachter die endgültige Abkehr der konservativen mexikanischen Regierung von der versprochenen Menschenrechtspolitik bedeutete. Am 3. und 4. Mai 2006 gingen Bundes- und Länderpolizei gemeinsam brutal gegen militante Proteste von Bewohnern des nahe Mexiko-Stadt gelegenen Dorfes San Salvador Atenco vor. Zwei Tote unter der Bevölkerung, vergewaltigte und sexuell mißbrauchte Frauen, Dutzende brutal zusammen geschlagene Menschen, wahllose Verhaftungen, sowie nicht autorisierte Hausdurchsuchungen mit anschließender Verwüstung und Diebstahl gehörten zu den Folgen dieses Einsatzes. Obwohl die Übergriffe der 3000 Polizisten umfassend dokumentiert wurden und sogar die staatliche Menschenrechtskommission in deutlichen Worten eine intensive Aufklärung forderte, ist kaum etwas geschehen. Auch die vom mexikanischen Verfassungsgericht im Februar dieses Jahres einberufene richterliche Untersuchungskommission sammelt eifrig Papiere, hält sich ansonsten aber bedeckt. Die direkt Verantwortlichen für den Tod eines erschossenen 14-jährigen Jungen und eines durch Einwirkung einer Tränengasbombe später seinen Verletzungen erlegenen Studenten sind bis heute nicht öffentlich bekannt. Es wird mit zweierlei Maß gemessen: Etwa 15 niederrangige Polizisten wurden in der Zeit der heftigsten nationalen und internationalen Proteste als Sündenböcke einige Tage bzw. Wochen vom Dienst suspendiert. Während sie inzwischen längst wieder im normalen Einsatz sind, laufen gegen 165 tatsächliche und mutmaßliche Demonstranten weiterhin Strafverfahren. 29 der vor einem Jahr festgenommenen Personen befinden sich immer noch in Haft. Drei von ihnen sind wie Schwerverbrecher in einem Hochsicherheitsgefängnis untergebracht. Die Vorgänge von Atenco, die wenig später folgende Schmutzkampagne gegen die linksgemäßigte Opposition im Präsidentschaftswahlkampf sowie die in vielem an Atenco erinnernenden Einsätze lokaler und nationaler Polizeitruppen gegen die rebellierende Bevölkerung im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca sind nach verbreiteter Einschätzung nicht voneinander zu trennen. Abraham González, Staatssekretär im Innenministerium der seit Dezember amtierenden neuen konservativen Regierung unter Präsident Felipe Calderón sprach sich in diesem Sinne bereits vor Monaten für Kontinuität aus: "Wir wollen weniger Bewegungen, die den sozialen Frieden stören." Miguel Concha, Direktor des in der Hauptstadt ansässigen Menschenrechtszentrums Fray Vitorio schreibt in der Tageszeitung La Jornada von "einer klaren Tendenz, den sozialen Protest zu kriminalisieren". Um ein Gegenzeichen zu setzen, verleihen seine und 40 weitere Organisationen am 5. Mai den Nationalen Menschenrechtspreis Don Sergio Méndez Arceo an Ignacio del Valle. Del Valle ist führendes Mitglied des "Volksbündnisses zur Verteidigung des Landes" (FPDT) aus Atenco und eine der erwähnten Personen im Hochsichertheitsgefängnis. Seine Organisation war 2001/2002 maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Regierung das Projekt eines neuen internationalen Großflughafens für Mexiko-Stadt auf Bauernland aufgeben musste. Seitdem war speziell Del Valle den Autoritäten ein Dorn im Auge. Preisverleihung, geplante Proteste vor Gefängnissen und Innenministerium sowie die scharfe Verurteilung der "Straffreiheit" in Mexiko durch amnesty international und die Internationale Menschenrechtsbeobachterkommission zu Atenco werden die mexikanische Regierung voraussichtlich nicht besonders beeindrucken. Sie hat eine Grundsatzentscheidung getroffen. Der mexikanische Historiker Carlos Montemayor schrieb bereits vor knapp einem Jahr anläßlich der Polizeiübergriffe: "Die soziale Botschaft, die von solchen Interventionen ausgeht, hat eine solche Bedeutung, dass sie nicht ohne ein Mandat der politischen Autoritäten durchgeführt werden können."

 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/index.php 
 

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