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Mexikos Weltmarkt-Öffnung nutzt der Bevölkerungsmehrheit wenig
Poonal vom 02.09.2003 |
Von Gerold Schmidt |
(Mexiko-Stadt, 2. September 2003, npl).- "Kein anderes Land auf der Welt hat so viele Freihandelsverträge abgeschlossen wie Mexiko", verkündete stolz im Sommer 2000 Mexikos damaliger Präsident Ernesto Zedillo, fast so, als ob solche Verträge ein Wert an sich wären. Mit dem Ende von Zedillos Amtszeit im selben Jahr endete auch die über 70-jährige ununterbrochene Herrschaft der Revolutionären Institutionellen Partei (PRI), einerPartei, die nach langer Abschottung der Wirtschaft seit Beginn der 80er Jahre einen rasanten Öffnungskurs gegenüber dem Weltmarkt und vor allem der US-Ökonomie in die Wege leitete. Unter dem ehemaligen Coca Cola- Manager Vicente Fox und seiner konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) herrscht zumindest in Sachen Wirtschaftspolitik Kontinuität. Immer wieder verweist Präsident Fox auf den Status Mexikos als bedeutende Exportnation.
Auch Landwirtschaftsminister Javier Usabiaga hat als Agrarindustrieller wenig Verständnis für die mexikanischen Kleinlandwirte oder deren Subsistenzpoduktion. Wer im NAFTA-Rahmen nicht effizient produziere, solle sich besser anderen Dingen widmen. Die Regierung wolle die "ländliche Bittstellergesellschaft" hinter sich lassen, so das Credo von Usabiaga. So hält auch der heutige Außenminister und vorherige Wirtschaftsminister Luis Ernesto Derbez weitere Handelsöffnung für untentbehrlich, um international wettbewerbsfähig zu sein. Tatsächlich kann in Sachen Freihandels- und Wirtschaftabkommen kaum ein anderes Land Mexiko das Wasser reichen. Elf solcher Verträge hat Mexiko auf bi- und multinationaler Ebene bereits abgeschlossen. Sie beziehen 32 Länder und drei Kontinente ein. Dabei kommt dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA eine herausragende Bedeutung zu. Derzeit werden Verhandlungen mit Japan, Brasilien und Argentinien geführt. Panama, Singapur und osteuropäische Länder stehen auf der Wunschliste für weitere Freihandelsabkommen.
Kontinuität von Freihandel und Liberalisierung heißt in Mexiko auch, den Druck auf noch staatliche Bereiche zu erhöhen. Derbez Nachfolger im Wirtschaftsressort, Fernando Canales, sprach im Mai aus, was sein Präsident bisher noch dementiert: Eine "Öffnung" des Stromsektors dürfe kein Tabu sein. Öffnung ist in den vergangenen Jahren stets die euphemistische Umschreibung für Privatisierung gewesen. Und Privatisierung unter dem Leitbild von Freihandel und Öffnung hat mittelfristig oft zur Kontrolle einheimischer Branchen durch ausländische Großunternehmen geführt. Ein Beispiel sind die Banken, die sich inzwischen fast ausnahmslos in der Hand US- amerikanischer und europäischer Geldinstitute befinden. Auch die Ölindustrie ist wieder im Gespräch. So sehr sich mexikanische Regierungspolitiker als Freihandelsverfechter präsentieren mögen, die Realität im eigenen Land straft ihre Theorien und Prognosen in mehrfacher Hinsicht Lügen. Obwohl immer wieder betont wird, Freihandelsabkommen böten die Möglichkeit, die Exportmärkte zu diversifizieren, ist dies in Mexiko nicht der Fall. Für Mexiko ist der NAFTA ausschlaggebend, denn fast 90 Prozent des mexikanischen Außenhandels werden mit den USA abgewickelt. Die anderen Freihandelsverträge, einschließlich desjenigen mit der Europäischen Union, konnten bisher in keiner Weise ein Gegengewicht bilden.
Der NAFTA selbst ist von den Regierenden mit Hinweis auf makroökonomische Ziffern als Erfolgsmodell beschrieben worden. Tatsächlich sind die bis zum Jahr 2000 zweistelligen Zuwachsraten im Handel mit den USA auf den ersten Blick imponierend. Doch das schöne Bild von der Exportwirtschaft und ausländischen Direktinvestitionen als Wachstumsmotoren für die gesamte Volkswirtschaft entspricht nicht der Wirklichkeit. Eine Diversifizierung von Exportgütern ist ausgeblieben. Die Maquila-Industrie funktioniert weitgehend unabhängig von einheimischen Produktionsketten und der Anteil der lokalen Wertschöpfung liegt bei dieser Teilfertigungsindustrie seit Jahren konstant unter 5 Prozent. Es ist jedoch dieser Sektor, der knapp die Hälfte des Exportvolumens ausmacht.
Die Krise der Maquilas in den Jahren 2001/2002 zeigte zudem, wie anfällig das Exportmodell ist: Innerhalb von zwölf Monaten verließen 350 Maquila-Unternehmen das Land, die meisten in Richtung China. Im Übrigen hat Mexiko insgesamt eine negative Handelsbilanz. Selbst nach der offiziellen Logik würde das Land im Freihandel also unter dem Strich den Kürzeren ziehen. So hat sich die Hoffnung auf ein Durchsickern des Exportwachstums auf den Binnenmarkt auch nicht erfüllt, da 300 Unternehmen etwa 90 Prozent der mexikanischen Exporte kontrollieren. Und nicht einmal aus den ausländischen Direktinvestitionen kann die heimische Wirtschaft wirklichen Nutzen ziehen, da die Gewinne meist zu den Konzernsitzen ins Ausland rücktransferiert werden. Diese beiden Aspekte zeigen, dass das Arbeitsplatzargument bei der Befürwortung des Freihandels nicht sticht. Bei überwiegend stagnierenden und auf die letzten zehn Jahre bezogenen sogar gesunkenen Reallöhnen sind keine Arbeitsplätze geschaffen worden, sondern vielmehr verloren gegangen. Kritiker machen die auf einige Bereiche konzentrierte Exportorientierung und eine damit verbundene "Ent-Industrialisierung" anderer Branchen für diese Pleiten und den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich.
Quelle: poonal
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