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Cancun-Zapatistas

Post vom Subcomandante

junge welt vom 11.09.2003
Andreas Behn, Cancún

 

Zapatisten unterstützen Gegenaktivitäten zur WTO-Konferenz in Cancún.
Minister tagen seit Mittwoch

Hauptsache, es gibt keinen Krawall. Denn hier leben wir alle vom Tourismus, und wenn alle Welt auf uns schaut, kann der gute Ruf von Cancún Schaden nehmen.« Besorgt schaut der Taxifahrer auf die behelmten Polizisten, die hektisch über die gegenüberliegende Fahrbahn laufen. Einige hundert Demonstranten, zumeist Studenten und Aktivisten aus Mexiko-Stadt, hatten sich am Dienstag vormittag zu einer ersten spontanen Demonstration zusammengefunden. Der Zug startete am Zeltlager und endete am Eingang der Hotelzone, der »no-go- area« für nicht akkreditierte Personen. Im mexikanischen Karibikbad hält die Welthandelsorganisation (WTO) ihre 5. Ministerkonferenz ab. Zu einer Blockade der breiten Zufahrtsstraße zum Veranstaltungsort hingegen kam es nicht, die Polizei sperrte in Windeseile den ganzen Bereich für Stunden ab. Sofort brach in der 20 Kilometer langen Hotelzone der Verkehr zusammen und das Gerücht, Cancún werde im Chaos versinken, bekam neue Nahrung.

Dabei ist ein Großteil der Organisatoren der Protesttage derzeit eher mit sich selbst beschäftigt. Viele sind über die Gruppen rund um das sogenannte Empfangskomitee, das das Sozialforum veranstaltet, verärgert. Sie seien von der gemäßigt linken Partei PRD dominiert und drängten andere Gruppen in den Hintergrund, so der Vorwurf seitens der internationalen Bauernorganisation »Via Campesina«, die deswegen ihr Campesino- und Indígena-Forum in Eigenregie organisiert. Auch die zumeist jungen Aktivisten, die eher für direkte Aktionen plädieren, wollen mit parteinahen Gruppen wenig zu tun haben, kritisieren aber ebenso die Nichtregierungsorganisationen, die der Gesprächseinladung der WTO gefolgt sind und darauf setzen, durch ihre Präsenz auf die Konferenz Einfluß zu nehmen.

Nicht nur diese Zwistigkeiten verbreiten schlechte Laune. Zwar kommen weiterhin stündlich mehr Aktivisten in Cancún an, doch entgegen anfänglichen Schätzungen von 20 000 Teilnehmern, sollen es jetzt nur »weit über 10 000« werden. Schuld daran seien auch die mexikanischen Behörden, die plötzlich von Menschen aus Mittelamerika bis zu 100 US Dollar Visumgebühr verlangten −viele brachen daraufhin ihre Reise ab.

Auf dem Campesino- und Indígena-Forum, das wie das Frauenforum schon seit Montag läuft, ist die Stimmung weiterhin kämpferisch. Der Präsident von Via Campesina, der Honduraner Rafael Alegría, erteilte jeglichen Gesprächen mit der WTO eine Absage. »Über Lebensmittel kann nicht verhandelt werden«, so der stämmige Mann, der weltweit Millionen Landarbeiter vertritt. »Das WTO-Agrarabkommen gefährdet die Lebensgrundlage in den armen Ländern. Wir lassen uns das Recht auf Meinungsäußerung nicht nehmen«, so Alegría.

Bei brütender Hitze finden den ganzen Tag über Workshops statt, zumeist unter großen Zelten, rund 20 Minuten Fußweg vom Zentrum entfernt. Es geht um Anbaumethoden, Kritik an genverändertem Saatgut oder um die Frage, wie Widerstand länderübergreifend organisiert werden kann. Geduldig werden lange Erfahrungsberichte aus verschiedenen Regionen angehört. Ein schwieriger Prozeß, ohne große technische und finanzielle Mittel eine Bewegung aufzubauen. Doch inzwischen ist es den indigenen und bäuerlichen Aktivisten gelungen, zumindest in Lateinamerika zur stärksten und schlagkräftigsten Kraft unter den Globalisierungskritikern zu werden.

Highlight des Tages war das Eintreffen von Solidaritätsbotschaften dreier Kommandanten des zapatistischen Befreiungsheeres EZLN. »Es ist nicht das erste und nicht das letzte Mal, daß diejenigen, die sich für die Herren des Planeten halten, sich hinter ihren hohen Mauern und Sicherheitskräften verstecken müssen, um ihre Pläne auszuhecken«, schrieb Subcomandante Marcos den Aktivisten von Via Campesina und wünschte ihnen viel Erfolg. »Wenn wir Respekt für die Frauen einfordern, erwarten wir dies nicht nur von den Neoliberalen«, so die Botschaft der zapatistischen Comandante Esther.

Wenig Neues zum Thema Agrarstreit gab es am Vorabend der WTO- Konferenz seitens der offiziellen Delegationen. Die gefragtesten Akteure, EU-Handelskommissar Pascal Lamy und sein US-Pendant Robert Zoellick, hielten nacheinander Pressekonferenzen ab. Tenor: Wenn sich alle einigten, gewännen alle −man sei für mehr Freihandel, aber nur, wenn auch die anderen Länder Freihandel zuließen. Gemeint sind diejenigen, die immer vehementer fordern, daß die USA und die EU ihre Agrarsubventionen abbauen, durch die sie mit Dumpingpreisen die Produktion armer Länder gefährdeten und zu Hause ihre Märkte vor Importen schützten.

Nicht einmal ein Anruf von US-Präsident George W. Bush bei seinem brasilianischen Kollegen Lula da Silva konnte offenbar den überraschend hartnäckigen Unmut vieler Entwicklungsländer besänftigen. Im Gegenteil: Am Dienstag forderte die G21-Gruppe, der neben Brasilien, Argentinien, Indien, China, Südafrika und anderen agrarexportierenden Staaten seit gestern auch ägypten angehört, daß ihr Vorschlag für ein Agrarabkommen genauso behandelt werden solle wie die Vorlage, die der WTO-Präsident vorgestellt hatte. Die 21 Länder fordern den vollständigen Abbau marktverzerrender Subventionen der Industriestaaten, um ärmeren Ländern gleiche Handelsbedingungen zu ermöglichen.

Erwartungsgemäß lehnte Zoellick das Ansinnen auf Nachfrage von Journalisten ab, ebenso wie EU-Agrarkommissar Franz Fischler, der die Erwartungen der Staaten des Südens für gänzlich unrealistisch hält. Die G21 betont hingegen, daß ihre Erklärung dem Geist der vorhergehenden Ministerkonferenz 2001 in Doha entspreche und der offiziellen Vorlage gleichzustellen sei, weil sie 63 Prozent der landwirtschaftlichen Produzenten vertrete.

 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/2003/09-11/006.php 
 

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