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»Mexiko hat Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen«

junge welt vom 18.05.2005
Interview: Luz Kerkeling

 

Aussagen eines Paramilitärs liegen vor
Internationale Organisationen werden eingeschaltet

[Anmerkung des Autors: aus "Indígenas" hat die jW-Redaktion "Eingeborene" gemacht...]

Ein Gespräch mit Michael Chamberlain und Jorge Hernández*

* Michael Chamberlain und Jorge Hernández arbeiten im Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas in Cristóbal in der mexikanischen Provinz Chiapas

F: Der mexikanische Bundesstaat Chiapas ist seit 1994 Schauplatz von bewaffneten Zusammenstößen. Auf der einen Seite steht die von Eingeborenen geprägte Bewegung der Zapatistas, die »Land und Freiheit« will − auf der anderen stehen die örtlichen Großgrundbesitzer, das Militär und der Staat. Was ist die Aufgabe Ihres Menschenrechtszentrums?

Jorge Hernández: Wir vermitteln unabhängige Menschenrechtsbeobachter in die Konfliktregion, erstellen Dokumentationen und beraten Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Seit 1994 analysieren wir zudem Aussagen von Zeugen und Opfern der Menschenrechtsverletzungen. Nachdem wir die mexikanischen Rechtsmittel ausgeschöpft hatten, haben wir den Staat Mexiko bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung verklagt.

F: Wer sind die Drahtzieher dieser Verbrechen und woher stammen Ihre neuen Belege für die schweren Menschenrechtsverletzungen?

Jorge Hernández: Nach der Definition der Menschenrechtsverletzungen des Nürnberger Tribunals sind Expräsident Ernesto Zedillo, der bis 2000 amtierte, sowie die Generäle Enrique Cervantes Aguirre und Mario Renán Castillo für systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich. Ihre Verbrechen bestehen aus ethnischer, religiöser und politischer Verfolgung, Folter, willkürlichen Festnahmen, Vertreibung, Verschwindenlassen und Mord. Insgesamt wurden 12 000 Personen vertrieben. All dies geschah durch den Aufbau, die Finanzierung und die Unterstützung paramilitärischer Gruppen, wie z. B. »Paz y Justicia« (»Frieden und Gerechtigkeit«) in der Nordzone von Chiapas.

Michael Chamberlain: Unsere neuen Beweise beruhen auf der Aussage eines ehemaligen Kommandeurs der »Paz y Justicia«. Wir haben 15 Stunden Filmmaterial. Zur Zeit bemühen wir uns, diese staatlichen Verbrechen bekanntzumachen. Wir besuchen Menschenrechts- und Solidaritätsorganisationen und haben auch bei der Menschenrechtskommission der UNO in Genf vorgesprochen.

F: Wie reagiert die politische Klasse auf Ihre Untersuchungen?

Jorge Hernández: Bis heute streitet die mexikanische Regierung ein systematisches Vorgehen ab und redet von »bedauerlichen Einzelfällen« und »lokalen Konflikten«. Wir haben jedoch Belege, daß das Militär die zapatistische Befreiungsbewegung in dem Plan »Campaña de Chiapas 94« als »maoistische Massenorganisation« einstuft. Armee und Marine haben das Kerngebiet der Rebellion daher mit 91 Militärcamps und weiteren Positionen eingekreist. Die Aufstandsregion ist das am stärksten militarisierte Gebiet ganz Mexikos. Die Armee will so, gemeinsam mit den Paramilitärs, die zapatistische Guerilla EZLN (Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung) von ihrer Massenbasis abtrennen, um − so wörtlich − »dem Fisch das Wasser zu entziehen«. Diese Strategie setzt sich bis heute fort, auch wenn es keinen offenen Bürgerkrieg mehr gibt.

F: Was sind die Forderungen Ihres Zentrums?

Jorge Hernández: Wir verlangen die Bestrafung der Täter und Hintermänner der Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung, die Auflösung der paramilitärischen Gruppen, die Entmilitarisierung von Chiapas und die Entschädigung der Opfer von Gewalt und Vertreibung.

F: Die EZLN hat ihre Waffen seit Mitte Januar 1994 nicht mehr benutzt. Statt dessen baut ihre zivile Basis eigene Strukturen auf. Wie steht es heute um die zapatistische Bewegung?

Michael Chamberlain: Der zivile Teil der Bewegung steht heute an dem Punkt der kollektiven lokalen Selbstverwaltung parallel zum mexikanischen Staat. Sie suchen nach einer Regierungsarbeit, die nicht nur den Zapatistas selbst, sondern allen gerecht wird. Die nationale und internationale Solidarität spielt hier eine fundamentale Rolle. Denn vor allem im Bereich der Ökonomie gibt es Schwierigkeiten. Doch das Beispiel macht Schule, vor allem bei Bewegungen der Eingeborenen.

 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/2005/05-18/028.php 
 

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