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San Salvador Atenco probt den Aufstand
Poonal vom 23.07.2002 |
Von Kristin Gebhardt |
(Mexiko-Stadt, 20.Juli 2002, poonal). "Tierra si, aviones no" — "Land ja, Flugzeuge nein", lautet die klare Forderung der Bauern von San Salvador Atenco, gegen die Vertreibung von ihren Grundstücken.
Am 22. Oktober vergangenen Jahres verkündete die Regierung des mexikanischen Präsidenten Vicente Fox Pläne für den Bau eines neuen internationalen Flughafen. Acht Kilometer östlich, am Rand von Mexiko-Stadt, soll dieser auf dem Gelände des einstigen Texcocosee gebaut werden. Per Dekret verfügte der ehemalige Coca-Colamanger die Enteignung von mehr als 5000 Hektar Land von 13 betroffenen Dörfern der Gemeinden Atenco und Texcoco.
Sieben Pesos, das ist weniger als ein Euro pro Quadratmeter sollen die Bauern für den Verkauf des Gemeindelandes bekommen. Für beinahe 4000 Familien würde das die Vertreibung aus ihren Dörfern und die Aufgabe ihrer Existenzgrundlage, dem Anbau von Mais und Bohnen bedeuten.
Seitdem herrscht Ausnahmezustand in San Salvador Atenco, der am stärksten betroffenen Gemeinde. Der amtierende Bürgermeister wurde des Amtes enthoben und aus dem Dorf gewiesen. Die Bewohner und Bewohnerinnen werfen ihm vor mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Die Finanzverwaltung, das Wasserwirtschaftbüro, das Standesamt: alle geschlossen. Es gibt auch keine Polizeiwache mehr. Die Polizei von Atenco darf das Dorf nicht mehr betreten. Ihre Einsatzfahrzeuge sind in den Händen der Gemeindemitglieder.
Mit Sandsäcken verbarrikadierten die Bauern die Zufahrtswege zum Ort und blockierten die nahegelegene Schnellstrasse. Auf dem Dorfplatz, dem ständigen Versammlungsort wurde ein Podium mit starker Lautsprecheranlage installiert, ein ständiger Wachdienst organisiert und Atenco zum rebellischen und autonomen Landkreis erklärt. An den Wänden des Gemeindehauses ein riesiges Wandbild: hier trifft sich Emiliano Zapato, der legendäre Bauernführer der mexikanischen Revolution mit Che Guevara und Subcomandante Marcos.
"Unsere Position ist sehr klar und lässt sich in drei Sätzen beschreiben", sagt Ignacio del Valle, einer der Führer der Frente de Pueblos en Defensa de la Tierra, der radikalsten Gruppe, die gegen die Enteignung des Gemeindelandes kämpft.
"Erstens: Wir sind die Ureinwohner dieses Landes"
"Zweitens: Wir werden uns nichts von niemandem wegnehmen lassen"
"Drittens: Wir wurden nie gefragt"
Del Valle erklärt weiter: "Die Regierung muss einsehen, dass es nichts zu verhandeln gibt. Ihr Vorgehen ist ein großer Mangel an Respekt gegenüber unseren Gemeinden. Wir kämpfen nicht für einen besseren Preis für unser Land. Wir betteln nicht um Almosen. Wir fordern die Aufhebung des Dekretes".
In den vergangenen neun Monaten ließen die widerständigen Dorfbewohner- und bewohnerinnen immer wieder mit spektakulären Aktionen von sich hören. Ende Mai setzten sie vorübergehend mehrere Mitarbeiter einer bulgarischen Firma im Auditorium der Gemeinde fest. Einige der Arbeiter waren bei nächtlichen Vermessungsarbeiten, angeheuert von der mexikanischen Regierung, erwischt worden. Erst nach mehreren Tagen und der Herausgabe der Planungsunterlagen wurden sie freigelassen.
Ihren Höhepunkt erreichte die Situation am 11.Juli. Einige der Bauern waren auf dem Weg, um gegen einen Auftritt des Gouverneurs des Bundesstaates Mexiko, Arturo Montiel Rojas zu protestieren. Beamte der Staatspolizei stellten einen LKW quer um die Demonstranten an der Weiterfahrt zu hindern. Nachdem die Demonstranten den LKW weggeschoben hatten, eskalierte die Auseinandersetzung. In den darauffolgenden Stunden kam es zu schweren Straßenschlachten. Etwas tausend Polizisten der Schnellen Eingreiftruppe und etliche Zivilbeamte setzten Schlagstöcke und duzende Tränengasgranaten gegen die mittlerweile etwa 3500 Demonstranten aus allen vom geplanten Flughafenneubau betroffenen Dörfern, ein. Mit Steinen und Reifen verbarrikadierten die Bauern die Schnellstrasse Texcoco-Lecheria. Sie bewaffneten sich mit Macheten, Steinen und Molotovcocktails und setzten mehrere Polizeifahrzeuge in Brand.
14 Personen, darunter Ignacio del Valle und Jesús Adan Espinoza, zwei Führer der Bewegung gegen den Flughafenneubau werden festgenommen. Daraufhin fahren 300 der Demonstranten zum Justizgebäude nach Texcoco und nehmen dort sieben Angestellte als Geiseln. Zusammen mit den schon zuvor neun festgesetzten Polizisten werden sie am Abend der Presse präsentiert. Am Nachmittag des darauffolgenden Tages kommt es zum Gefangenenaustausch auf einer Brücke in der Nähe von San Salvador Atenco. In einer Presseerklärung fordern die Dorfbewohner am Abend ein Gespräch mit der mexikanischen Regierung.
Seitdem wird gepokert. Um den Ort des Dialoges, die Teilnehmenden an den Verhandlungen und um die konkreten Verhandlungspunkte. Das von den Vertretern und Vertreterinnen der Frente de Pueblos en Defensa de la Tierrra am vergangenen Mittwoch vorgeschlagene Treffen in der autonomen Universität von Chapingo wurde von der Regierung abgesagt. Statt dessen soll das Treffen laut Regierungsvertretern nun am kommenden Mittwoch an einem noch zu bestimmenden Ort stattfinden.
Laut Santiago Creel, Sekretär im mexikanischen Innenministerium, wird über ein neues Angebot an die Bauern der betroffenen Gemeinden nachgedacht. Es soll direkte Gespräche mit den Betroffenen geben, ein höherer Preis für den enteigneten Boden bezahlt werden und ein Aktionsplan zur ökonomischen und sozialen Entwicklung der Region vorgelegt werden. Gleichzeitig verwies er auf den bevorstehenden Prozess vor dem Obersten Gerichtshof, der die Rechtmäßigkeit der geplanten Enteignungen prüfen soll. "Das was dort beschlossen wird, wird getan", lässt er wissen.
Die betroffenen Bauern wollen einen offenen Dialog mit den Gemeinden unter Teilnahme der Presse. Und sie haben klargestellt, dass der einzige Punkt, um den es bei den Verhandlungen gehen soll, das Enteignungsdekret vom 22. Oktober 2001 und das Flughafenprojekt in Atenco und Texcoco sein wird.
"Eins bleibt klar", meint Marta Pérez Pineda, eine Sprecherin der Gemeinde, "um keinen Preis werden wir unser Land verkaufen". Ignacio del Valle formuliert es noch schärfer: "Diesen Flughafen wird man nur über unsere Leichen bauen können".
Quelle: poonal
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