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Angriff in den Montes Azules

Zapapres-Import vom 28.04.2003

  22. April: Vierzig mit Macheten und Stöcken bewaffnete Lakandonen- und Chol- Indígenas, die mit der paramilitärischen Organisation Paz y Justicia in Verbindung gebracht werden, machten ihre Ankündigung war und versuchten, die kleinen zapatistischen Gemeinden Nuevo San Isidro und Nuevo San Rafael in dem Bioreservat Montes Azules zu räumen.

Unter den Augen der Regierungsvertreter, die vorgaben, die Lakandonen "bloss zu begleiten" und keine Verhandlungslösung anzubieten hatten, wurden die BewohnerInnen des zapatistischen Weilers bedroht: Sie sollten die Region sofort verlassen, ansonsten würden sie in Wochenfrist gewaltsam geräumt. Die Angreifer verursachten einen Brand, der Häuser und 100 Hektar Wald- und Anbauland zerstörte.

Die Anwesenheit einer 23-köpfigen Beobachterdelegation, die sich aus Presse mexikanischen und internationalen MenschenrechtsbeobachterInnen zusammensetzte, konnte schlimmeres verhindern. Doch die Angreifer entwendeten den VertreterInnen von «Chiapas Media Project" zwei Videokameras im Wert von 5000 Dollar.

Ein erstes Ultimatum der Angreifer lief an Ostern aus, ohne dass die Drohung wahr gemacht werden konnte. Ein weiteres Drohschreiben richteten die Lakandonen an den Präsidenten Fox, er solle die zwölf Gemeinden bis Ende April räumen, ansonsten würden sie zur Selbsthilfe greifen.

Die Vorfälle ereigneten sich kaum eine Woche nach dem bewaffneten Eindringen regierungsfreundlichen "Räumungsgruppen" in die Gemeinden San Rafael und Nuevo San Isidro im südlichen Montes Azules.

Montes Azules: Ausbeutung und Konflikte seit mehr als 20 Jahren

http://www.free.de/bankrott/basta/ma.html

Im Jahr 1978 entstand die Schutzzone "Reserva Integral de la Biosfera Montes Azules"(REBIMA). Die Ausrufung dieser Schutzzone erfolgte über die Köpfe der dort lebenden Indígenas hinweg. Eine Ausnahme bildete eine Indígenagruppe, der
600.000 h Land zugesprochen wurde, "unter gleichzeitiger Unterzeichung eines Vertrags über den lukrativen Abbau von Tropenholz durch die Familie des Präsidenten von Mexico". Einzig diese 70 Familien haben das offizielle Recht im Biosphärenreservat zu leben. "Heute dient diese Gruppe, die sich seitdem "Lakandonen" nennen, als "Vorzeige-Indianer" der Regierung, um die Vertreibung der Tzeltales, Tzoziles, Choles und Tojolabales zu rechtfertigen."

Montes Azules weisst viele natürlich Ressourcen auf, neben Erdöl, Erdgas, Uran und Wasser auch eine reichhaltige Flora und Artenvielfalt, eine der höchsten Biodiversitäten der Welt. Ausserdem ist diese entlegene und äusserst unwegsame Gegend das Rückzugsgebiet der EZLN. Ein Grund mehr für das Bundesumweltministerium (PROFEPA), Montes Azules als " Gebiet höchster Priorität für die Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung" einzustufen und entsprechend zu militarisieren.

In den letzten Jahren kamen viele Flüchtlinge und durch Militär Vertriebene aus ganz Chipas nach Montes Azules. Hier ist der letzte Ort wo Platz für sie ist. Die Gemeinden verstehen sich grösstenteils als soziale Unterstützungsbasen der EZLN. Diese Menschen, die endlich Land und einen Platz zum Leben gefunden haben, sind der mexikanischen Regierung und den Lakandonen ein Dorn im Auge. Seitens der Regierung, ihr nahestehenden Umweltschutzorganisationen und den Lakandonen begann die Hetze, die SiedlerInnen wurden der "Schädigung der Ökologie" angeklagt. Der Rat des in Montes Azules befindlichen Autonomen Bezirks "Ricardo Flores Magon" sagt dazu: "Die Regierung hat diesen Boden seit vielen Jahren geplündert, sie hat die Holzfirmen und der Pemex (staatliches Erdölunternehmen das nahezu alle Tankstellen in Mexico betreibt) den Eintritt gewährt und sagt heute das sie sich Sorgen um die Umwelt macht". Das es hier nicht um Naturschutz sondern um die Aufstandsbekämpfung der Zapatisten und die wirtschaftlichen Erschliessung der Region geht wird klarer, je mehr hintergründige Zusammenhänge auftauchen. Im Zuge des Plan Puebla Panama (PPP), eines gewaltigen Entwicklungsplans für den Ausbau der wirtschaftlichen Infrastruktur der Zentralamerikanischen Region, sollen mehrer Staudammprojekte (32 in Chiapas), Erdöl und Mineralienabbau für die Mikroelektronik, die Umrüstung der Landwirtschaft auf Exportprodukte (hauptsächlich Rindfleisch, was Waldrodungen für Weidefläche erfordert), ein breites Strassennetz sowie steuerfreie Fabrikzonen für ausländische Investoren (Maquiladoras) errichtet werden. Montes Azules bietet durch die Megadiversität und das Klima, ein gigantisches Versuchslabor für Biotech,- und Pharmakonzerne. Schon heute führt der Pharmakonzern Monsanto hier Versuche mit gentechnisch verändertem Reis und Mais durch. Sie brauchen jedoch keine Proteste von Umweltschutzorganisationen oder gar der Regierung zu fürchten, haben sich doch Monsanto und Norvatis (die weltweit führenden Biotech- und Pharmakonzerne) bereit erklärt, nach der Räumung des Gebietes den Naturschutz zu gewährleisten.

Auch die Sponsorenliste der "Conservation International" (CI), eine angebliche Umweltorganisation die sich sehr um die Vertreibungen bemüht, enthält Namen, die wenig mit Umweltschutz zu tun haben: McDonalds, Walt Disney Corp., Ford, Exxon (Erdöl und Energiekonzern), Intel (Mikroelektronik) sowie einige mexikanische Gentechfirmen. Neben der Bioprospektion − d.h. der Forschung, Sammlung und anschliessender Patentierung der genetischen Vielfalt des Urwaldes − soll auch der Öko-Tourismus ausgeweitet werden. Diese Aufgabe übernehmen mehr und mehr die Lakandonen. Die mexikanische Regierung hat ihnen bereits die gewinneinbringende Verwaltung von 2 archäologischen Ausgrabungsstätten anvertraut.

Die mexikanische Regierung versucht die Situation als Konflikt zwischen verschiedenen Indígenagruppen darzustellen, aber in Wirklichkeit geht es ihnen um Profit und wirtschaftliche Interessen.

BERICHT zweier Beobachterinnen

Nach einer anstrengenden und kurvenreichen Fahrt kamen wir am späten Nachmittag in San Isidro an und wurden mit offenen Armen empfangen. Staunend standen wir vor einem breiten, smaragdgrünen Fluss, den wir auch sogleich in leckenden Holzkanus überquerten. Am anderen Ufer nur Urwald, soweit das Auge reicht. Irgendwo im Urwald dann − verteilt ein paar Plastikplanen , die junge Gemeinde Nuevo San Isidro. Bei einer Begehung am nächsten Tag bekamen wir einen näheren Eindruck davon, wie die Menschen hier leben: ein paar Decken am Boden, manchmal ein Brett als Bett, eine Plane für bis zu 10 Menschen, den Fleischwolf zum Maismahlen und diverse Wasserkanister als "Wasserleitung". Ausserdem viele Hunde zum Schutz vor wilden Tieren und ebenso viele Hühnern die noch etwas wachsen müssen.

Ein Compañero erklärte uns das der Boden hier sehr gut sei und was sie alles anbauen wollten: Mais, Bohnen, etwas Reis, Tomaten, Zucchini, äpfel und Soya. Da für eine Milpa (das Feld) aber auch gerodet werden muss, fügte er noch hinzu: "Die Regierung sagt wir zerstören den Wald. Das stimmt nicht, wir schonen die Bäume, wir zählen die die wir fällen müssen." Und tatsächlich verwenden die Menschen hier allergrösstenteils nur ’totes’ Holz zum Feuermachen. Ein anderer Mann bemerkt: "Die Regierung will hier einen Staudamm bauen und dann wird alles hier sterben, alle Bäume, alle Tiere und auch die Menschen. Aber uns sagen sie, dass wir den Wald zerstören. Aber sie schicken die Firmen hierher, die mit dem Holz handeln.." [Eine Notfallkomission, die im März 2003 in Montes Azules war, schreibt: "Nachdem wir die Region überflogen haben stellten wir fest, dass die von den Gemeinden verursachten ökologischen Schäden im Vergleich zu den grossen Problemen die Bundesstrassen, Viehzüchter, die Holzindustrie, Militäranlagen (!) und andere wirtschaftliche Nutzungen des Bodens hervorrufen, minimal sind." ]

Ein Grossteil des Gemeindelebens findet am Ufer des Lacantún statt. Hier waschen die Menschen ihren Mais, ihre Töpfe, sich selbst und holen hier auch ihr Wasser. Dazu laufen die Mädchen bis zu 20mal am Tag mit den verschiedensten Wassergefässen (bis zu 20l) die steile Uferböschung rauf und runter. Da es keine andere Möglichkeit gibt, müssen die Menschen das Flusswasser trinken und viele werden davon krank, besonders die kleineren Kinder.

Als wir fragen warum sie hierhin gekommen sind, erzählen sie, dass sie aus Chavajewal im Municipio ’El Bosque’ kommen. Dort sei zuwenig und vor allem schlechtes Land für sie alle gewesen. "Im Juni 1998 kam das Militär in unser Dorf. Sie haben gesagt das sie Waffen suchen. Dann sind sie gekommen mit Guardias Blancas (Privatarmee der Grossgrundbesitzer) und Panzern. Sie haben geschossen und 3 Compañeros umgebracht." Nach dieser Militäroffensive flüchteten sie in die Gemeinde ’8 de febrero’, wo sie aber nicht bleiben konnten. Nun sind sie hier und wollen eine autonome Gemeinde gründen. Sie verstehen sich als soziale Unterstützungsbasis der EZLN. "Auf dieser Erde sind wir es, die sie bearbeiten, sind die Arbeitenden, und hier bleiben wir."

Über eben dieser Erde standen nun die Sterne und die Bäume wurden vom Schein der Lagerfeuer erhellt. Am Flussufer sassen einige Männer als Nachtwache, morgen sollte das Ultimatum ablaufen. Noch ein Satz des Interviews liegt in der schwülen Abendluft: "Wir werden unsere Körper hier lassen, denn unsere Töchter und Söhne haben nichts zu essen. Von hier werde ich nicht gehen, nur Gott weiss ob ich sterben werde oder nicht."

Der 19. April 2003 verstrich, ohne dass die Lakandonen kamen, und die Menschenrechtsdelegation fuhr wieder ab, nachdem allerdings nachts ihr (leeres) Auto von ca. 60 Soldaten umstellt worden war. Da nicht klar war, wann es zu weiteren Konfrontationen mit den Lakandonen, dem Militär oder dem Ministerium für Umwelt und Naturressourcen(Semarnat) kommen würde, beschlossen ein paar der BeobachterInnen hier zu bleiben. Die BewohnerInnen von Nuevo San Isidro waren darüber sehr glücklich und beruhigten uns mit den Worten: "Ihr braucht keine Angst zu haben, wir stehen hier − zusammen."

Während unseres Aufenthaltes in der Gemeinde fuhr mindestens zweimal täglich ein Motorboot des Ministeriums für Umwelt und Naturessourcen (Semarnat) vorbei. Vertreter des Semarnat sollen auch die Lakandonen nach Nuevo San Rafael begleitet haben. Das Semarnat war letztes Jahr in die Vorgeschichte eines Massakers vom Militär an Indígenas im Bundesstaat Oaxaca, verwickelt. Es wurden 27 Menschen ermordet und Semarnat stand im Zentrum der Kritik. Ebenfalls letztes Jahr, im März 2002 gründete Semarnat den ersten nationalen ’Biotechnologiefonds’, der mit 13,6 mio Euro vom der mexicanischen Regierung unterstützt werden soll. Dies soll in Zusammenarbeit mit dem nationalen Rat für Wissenschaft und Technologie (Conacyt) entstehen. Welche Interessen Semarnat wirklich vertritt, wird hier wohl sehr klar.

Am 23 April 2003 tauchte das Semarnatboot in Begleitung von einem Militärboot auf. Beide legten am gegenüberliegenden Ufer an. 9 mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten und 3 zivil gekleidete Menschen blieben für eine Stunde dort stehen und fuhren dann gemeinsam wieder weg. Es sei nicht das erste mal, dass das Militär hier vorbeikäme und provoziere, erklärten uns die Menschen aus San Isidro. Eine weitere derartige Provokation des Militärs und des Umweltschutzministeriums gab es am Freitag dem 25.04.2003. Ausserdem Skamen am selben Tag die Lakandonen in die Nachbargemeinde 13 de septiembre und kündigten an, am Sonntag wiederzukommen um die Gemeinde Nuevo San Isidro zu räumen.

Die letzte Nachricht aus San Rafael erhielten wir Montag, dort sei soweit alles ruhig. Wir halten euch weiter auf dem Laufenden, sobald wir mehr erfahren. Die Lage ist jedoch nach wie vor alles andere als entspannt, es befinden sich weiterhin MenschenrechtsbeobachterInnen in beiden Gemeinden. Zivile Friedenscamps sollen zumindest in San Isidro dauerhaft eingerichtet werden.

Die Überfälle der vergangenen Woche, von Lakandonen auf die Gemeinde El Paraiso im Grenzgebiet zum Biosphärenreservat, versetzen uns in grosse Sorge um die anderen Gemeinden.

Eine Anwesenheit von mexikanischen und internationalen MenschenrechtsbeobachterInnen ist dringend notwendig und wichtig.

Interview mit einer Bewohnerin San Isisdros

Zwischen hohen Selvabäumen, Hühnern, Hunden und Kindern unterhalten wir uns auf spärlichem Spanisch (meinerseits und ihrerseits) Wie alt bist du?

C. Ich weiss es nicht, ich habe keine Akte.

Wie viele Kinder hast du?

C. 7 Töchter und 2 Söhne.

Haben die meisten Familiene hier so viel Kinder?

C. Ja, so 6-10 Kinder.

Wie viele Familien wohnen jetzt hier?

C. 6 Familien. Aber 2 (dabei wird nicht klar ob zwei Familien oder zwei Personen
gemeint sind) sind gegangen als die Lakandonen gekommen sind. Sie hatten Angst
und sind gegangen.

Wohin sind sie gegangen?

C. In ihre Dörfer.

Aber sie haben kein Land dort?

C. Nein.

Ihr habt hier viel Arbeit, machen Frauen und Männer dieselbe Arbeit?

C. (Lachen) Nein, die Männer machen die Milpa (Feld) und sähen Mais. Wir machen Tortillas, das Essen.

Ihr seid eine Unterstützungsbasis der Zapatistas?

C. Ja, ja sind wir.

Hast du von den revolutionären Frauengesetzen gehört, von den Rechten der Frauen?

C. Ja.

Was denkst du darüber?

C. Ja, das es eine gute Sache ist.

Haben die Frauen hier in der Gemeinde dieselben Rechte wie die Männer?

C. Ja, das haben wir.

Nehmt ihr an Versammlungen der Gemeinde teil und entscheidet mit?

C. Ja, da sind auch Frauen.

Gibt es viele Krankheiten hier?

C.Ja,ja, meine Tochter hat viele Krankheiten. Hohes Fieber, Husten, Durchfall. Seit zwei Wochen Fieber. (die Frauen die neben uns sitzen erklären ebenfalls, dass ihre Kinder krank sind)

Habt ihr eine Möglichkeit etwas dagegen zu tun?

C. Nein, wir haben nichts um sie zu heilen. Wir haben nichts, kein Geld. Das Problem ist das wir kein Wasser haben, nur den Fluss. Und der Fluss ist sehr dreckig, alle Leute baden darin und waschen und so...

Gibt es jemanden die/der sich mit Heilpflanzen und Naturmedizin auskennt?

C. Ja, wir kennen alle ein bisschen. Es hilft sehr wenig. Wir müssen Wasser suchen, da (ausschweifende Handbewegung) etwas weiter in den Bergen.. Wir kennen hier noch nicht alles.

Wie würdest du gerne leben, hast du einen Traum wie dein Leben aussehen könnte? (Lachen und aufgeregtes Tzozil gehen zwischen den Frauen hin und her )

C. (Lacht) Hmmm, ich weiss nicht, (aquí estamos) wir sind hier.....

Quellen:
Bericht der Beobachterdelegation (18.-20.04.03)
Artikel in La Jornada vom 23.04.03
Direkte Solidarität mit Chiapas, Zürich, 28.04.03


Quelle: Zapapres
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