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Totgesagte leben länger...
Die Partei der Institutionalisierten Revolution — PRI — nach der Wahl ihres neuen Parteivorsitzenden und der Generalsekretärin
Zapapres-Import vom 08.03.2002 |
jk/ZAPAPRES, Mexiko-Stadt, 08.03.2002 Exakt 73 Jahre nach der Gründung der Vorläuferorganisation der heutigen PRI feierten Roberto Madrazo und Elba Esther Gordillo am vergangenen Montag ihren umstrittenen, von den Gegenkandidaten jedoch schließlich zähneknirschend akzeptierten Sieg.
Vorausgegangen war ein Wahlkampf der Neues versprach und Altbekanntes wiederholte. Das "Neue" waren Parolen und demagogische Selbstkritik, gepaart mit neuem Selbstbewußtsein nach mehreren Wahlsiegen auf Länderebene, und neu waren die Bedingungen: zum ersten Mal in der Geschichte der PRI sollte die Mitgliedschaft und die interessierte Öffentlichkeit durch Wahlen über den Parteivorsitz entscheiden, zum ersten Mal fanden innerparteiliche Wahlen statt, mit der PRI als Oppositionspartei, ohne Präsidenten, der als eine Art "Übervater" der Partei, schlichtend und "orientierend" eingriff. Und neu war die Hoffnung, dass die PRI die Transformation von einer autoritär geführten und den Interessen des Präsidenten untergeordneten Staatspartei zu einer demokratischen Oppositionspartei tatsächlich angehen würde.
Das "Alte" entsprach der jahrzehntelangen parteipolitischen Sozialisierung und der über 70 Jahre lang erfolgreich demonstrierten Entschlossenheit, Macht um jeden Preis zu erhalten, durch die Mechanismen des Stimmen"kaufs", des Ankarrens der WählerInnen, das Ausspielen aller Tricks des Wahlbetrugs. Denn die Wahlbetrugspraktiken der PRI in den vergangenen Jahrzehnte trugen dazu bei, den politischen Wortschatz der lateinamerikanischen Parteiengeschichte durch Dutzende von Begriffen zu bereichern.
Und ungeachtet der "Demokratisierungsrhetorik" spielten die altbekannten Betrugsmechanismen auch am 24. Februar, dem innerparteilichen Wahltag, eine wichtige Rolle, wie z.B.:
"El ratón loco", − die verrückt spielende Maus, in Anspielung an die vergeblichen Versuche der WählerInnen das vorgesehene Wahllokal zu finden, "la urna embarazada", die schwangere Wahlurne, die bereits vor Öffnung der Wahllokale gefüllt ist,
die "tacos", Stimmzettel, die analog zu den Maisfladen, gefüllt sind, zwar nicht mit Fleisch oder Gemüse, sondern mit weiteren bereits ausgefüllten Wahlzetteln, el "padrón rasurado", das manipulierte WählerInnenverzeichnis, das bekannte Anhänger der Opposition gar nicht erst aufführte, um nur einige Beispiele zu nennen. Die PRI gleicht einer "kopflosen Krake, deren Arme sich kreuzen, verknoten und in ungewohnter Weise wieder entspannen" schrieb Daniele Pastrana in der Beilage Masiosare der Jornada, während Luis Javier Garrido in der Wochenzeitung Proceso den innerparteilichen Wahlkampf mit den Machtkämpfen und Praktiken der Mafia verglich.
Und beide Journalisten haben Recht. Das Niveau des Wahlkampfes bewegte sich auf niedrigem Niveau − beiden Kandidatenteams beschuldigten sich gegenseitig der Debatte auszuweichen, ohne jedoch die Ebene der Verkündigungen zu verlassen und inhaltliche politische Ideen vorzustellen.
Geprägt wurde der Wahlkampf um die Stimmen sowohl der PRI-Mitglieder als auch aller anderen politisch interessierten MexikanerInnen von gegenseitiger Desqualifizierung:
"Beatriz Paredes und ihr Team symbolisieren die Parteibürokratie, die Leute, die im Juli 2000 die Präsidentschaftswahlen verloren und die Regierung an Fox übergaben. Leute, die auch in Zukunft die Partei beherrschen wollen" − so die Charakterisierung des Kandidatenteams, mit der Fraktionsvorsitzenden im Parlament, Beatriz Paredes, als Kandidatin für den Parteivorsitz, durch das spätere Siegerteam.
Das Paredes-Team konterte − ungeachtet der zahlreichen Appelle zu Gunsten eines "fairen" Wahlkampfes − mit der Einschätzung: "Madrazo ist das trojanische Pferd von Fox, dem ersten Präsidenten Mexikos, der nicht aus der PRI kommt, um die Kontinuität des neoliberalen Wirtschaftsmodells zu garantieren und die PRI als Partei zu vernichten". Und Pedro Joaquín Coldwell, Unterstützer von Paredes ergänzte: "Es gibt zwei sich widersprechende Visionen der Partei. Madrazo vertritt die Vision der Medienpartei und der Partei als Wahlmaschine. Beatriz Paredes kämpft für ein Parteienkonzept der großen sozialen Allianz die es ermöglicht, die Massenbasis der PRI wiederzugewinnen".
Die Gegenkandidaten argumentierten das genaue Gegenteil: "Roberto Madrazo repräsentiert die grundlegende Veränderung in der PRI, die Wiedergewinnung der Partei für ihre Mitglieder und nicht für die Parteienelite". Sein Wahlkampfslogan einer "PRI der offenen Türen und Fenster" sollte diese "Veränderung" symbolisieren.
Trotz vielfältiger Proteste und gegenseitiger Beschuldigungen des Wahlbetrugs, sowie des mehrfachen Überschreitens der finanziellen Obergrenzen für den Wahlkampf und den tagelang wiederholten Forderungen nach Annullierung der Wahlen in den Bundesstaaten, in denen das jeweilige gegnerische Team besonders hoch gewonnen hatte, trotz Spekulationen über eine mögliche Spaltung der Partei nach diesen Wahlen, geprägt von den "Praktiken der Vergangenheit" übernahm Roberto Madrazo wie geplant am 4. März den Parteivorsitz der PRI auf der Grundlage eines Wahlsieges mit etwas mehr als der Hälfte der abgegebenen Stimmen.
Mit der Parole des Kampfes um die "Einheit" der Partei rechtfertigte das unterlegenen Team nach mehreren Tagen radikaler Proteste sein plötzliches Nicht- mehr-Bestehen auf einer Untersuchung des Wahlprozesses durch partei-externe Instanzen. Die Spekulationen über ein "arreglo", eine Art Absprache zwischen Madrazo und der unterlegenen Beatriz Paredes über die Besetzung wichtiger Parteifunktionen durch Mitglieder des Verliererteams, das jedoch fast die Hälfte der Stimmen erhalten hatte, laufen immer noch auf Hochtouren. Denn erst am kommenden Montag wird die Neubesetzung wichtiger Parteiämter bekannt gegeben. In den kommenden vier Jahre wird die ehemalige Staatspartei PRI, die noch immer in der Mehrheit der mexikanischen Bundesstaaten an der Macht ist, die über die Mehrheit im Senat verfügt, und die stärkste Fraktion im Parlament bildet, von Roberto Madrazo geführt, einem Politiker, dessen politische Biografie die "Altlasten" und "Erbsünden" der alten PRI widerspiegelt:
* Mitglied eines Familienclans, der eng mit der Geschichte der PRI verbunden ist und der zur politischen "Elite" des Landes gehört
* politische Karriere in der PRI, die mit der Führung der Jugendorganisation einer der PRI-Massenorganisationen, im Sinne des alten Transmissionsriemen- Konzeptes, begann und später Posten als Abgeordneter und Senator beinhaltete, neben der Wahrnehmung von parteiinternen Funktionen auf nationaler Ebene. Als PRI-Organisationssekretär war er mit für den umstrittenen Wahlsieg von Carlos Salinas im Jahre 1988 verantwortlich.
* 1994 begann seine Karriere als Gouverneur von Tabasco, nach einem Wahlsieg, der auf einem der skandalösesten Wahlbetrugsmanöver der mexikanischen Geschichte basierte.
* Und seit 1995 wird Madrazo in Verbindung gebracht mit dem "narcotráfico", den Drogenkartellen und der Durchdringung politischer Institutionen und Strukturen durch die Drogenmafia.
Vier Jahre hat Madrazo Zeit − so die politischen Prognosen − den Parteivorsitz zu nutzen, um sich für das Jahr 2006 das Präsidentschaftskandidat "aufzubauen" und die innerparteiliche Kandidatenwahl für dieses Amt zu gewinnen, was er 1999 nicht geschafft hatte.
Die Politik der PRI in diesen kommenden Jahren wird − so die Befürchtungen − geprägt sein von "Geschäften" und Absprachen mit den "Meistbietenden", unabhängig von der Rhetorik des Eintretens für die Interessen der Bevölkerung.
Quelle: Zapapres
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