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Wenn die Flüsse kein Wasser mehr führen

Poonal vom 14.05.2002
Von Gerold Schmidt

  Wenn die Flüsse kein Wasser mehr führen Knappheit in Grenzregion zu USA sorgt für politische Spannungen

(Mexiko-Stadt, 10. Mai 2002, npl).- Normalerweise werden die Texaner und ihre Vertreter in der US-Regierung beschuldigt, Kriege um Öl zu führen. In den vergangenen Wochen ist in den Medien südlich und nördlich des Grenzflusses Rio Bravo dagegen immer häufiger von einem Wasserkrieg zwischen den USA und Mexiko die Rede. Der Grund: Mexiko hat in den vergangenen vier Jahren etwa 1,7 Milliarden Kubikmeter Wasserschulden gegenüber den USA angesammelt, um die Auswirkungen einer schon zehn Jahre anhaltenden Trockenperiode in seinen nördlichen Bundesstaaten zu lindern

Doch auf der anderen Seite der Grenze leiden besonders die Texaner immer stärker unter dem Wassermangel. Sie verschärfen den Tonfall, um den mexikanischen Nachbarn zu zwingen, die Nass-Schulden zu begleichen. Rick Perry, der republikanische Gouverneur des Bundesstaates Texas schlug Ende April vor, den Mexikanern als ersten Schritt den Finanzhahn für ein Grenzprojekt zuzudrehen. Das hat die Atmosphäre weiter angespannt.

Wasser ist zunehmend Gesprächsgegenstand im Rahmen der Regierungsbeziehungen. Der US-Botschafter in Mexiko, Jeffrey Davidow, sprach jüngst von einem "heißen, aber nicht explosiven Thema" auf der bilateralen Tagesordnung. Messerscharf erkannte er: "Es gibt nicht mehr so viel Wasser wie früher." Einen Wassererlass für Mexiko schließt er jedoch aus.

Hintergrund des aktuellen Problems ist ein internationaler Vertrag von 1944. Unter anderem wird darin die Wasseraufteilung zwischen den USA und Mexiko bezüglich des Colorado River und des Rio Bravo — in den USA heißt er Rio Grande — geregelt. Beide Flüsse entspringen in den USA. Während der Rio Colorado auf mexikanischer Seite in den Golf von Kalifornien mündet, stellt der Rio Bravo von seinem ehemals üppigen Delta an der Atlantikküste bis zu den Städten El Paso (USA) und Ciudad Juarez (Mexiko) eine fast 2000 Kilometer lange natürliche Grenze zwischen Texas und den mexikanischen Bundesstaaten Tamaulipas, Nuevo Leon, Coahuila und Chihuahua dar. Die USA konnten ihre Wasserquote von jährlich 1,85 Milliarden Kubikmetern aus dem Colorado River für Mexiko bisher stets erfüllen. Dagegen gerät Mexiko seit 1992 mit seinen an die USA zu überweisenden Quoten von 432 Millionen Kubikmetern aus dem Rio Bravo immer mehr in Verzug.

"Nicht ein Tropfen mehr", das ist die Position der mexikanischen Gouverneure in den nördlichen Bundesstaaten. Sinngemäßargumentieren sie, genauso wenig, wie einem nackten Mann etwas aus der Tasche gezogen werden könne, sei es möglich, aus einem immer flacheren Fluss und leeren Stauseen Wasser für die USA abzuzweigen. Zumal vor der eigenen Haustüre wegen der Wasserknappheit Ernten verdorren und Viehbestände zugrunde gehen. Cristobal Jaime Jaquez, Leiter der staatlichen Wasserkommission in Mexiko, meint: "Die extreme Trockenheit verpflichtet dazu, den nationalen Bedürfnissen Vorrang zu geben." Und Coahuilas Gouverneur Enrique Martinez brachte in dieser Woche den Vorschlag ein, dem großen Nachbarn im Norden als Entschädigung Geld statt Wasser zufließen zu lassen.

Im Vertrag von 1944 sind sogenannte Wasserzyklen festgelegt, die über einen Zeitraum von fünf Jahren laufen. Der alte Zyklus endet im September diesen Jahres. Theoretisch gibt es für Mexiko die Möglichkeit, die aktuelle Wasserschuld in den Zyklus 2002 bis 2007 hinüber zu ziehen. In der Praxis würde die dann anfallende durchschnittliche Quote von jährlich über 600 Millionen Kubikmetern aus dem Rio Bravo aber noch viel weniger zu erfüllen sein als die heute schon erdrückende Wasserlast von 432 Millionen Kubikmetern.

Die Texaner sind aber weder an einer Geldentschädigung noch an verzögerten Wasserlieferungen interessiert. Sie wollen das immer kostbarer werdende Nass jetzt. Die US-Regierung mit dem Texaner George W. Bush an der Spitze wird daher in den bisher nicht öffentlich gewordenen Verhandlungen nur bedingt Rücksicht auf die mexikanischen Nöte nehmen. Ohne dies offen anzusprechen, haben die USA zudem das Wasser des Colorado River als Faustpfand. Bei steigendem Wasserverbrauch und der Annahme auch zukünftig ausbleibender größerer Niederschlagsmengen im Grenzgebiet sagen die US-Farmer in Kalifornien ebenfalls "nicht einen Tropfen mehr" — an Mexiko.

Angesichts der Machtverhältnisse und einer gewissen Beflissenheit der mexikanischen Regierung unter Präsident Vicente Fox, es den USA recht zu machen, ist der Ausgang des Konfliktes bei allen trotzigen Tönen südlich des Rio Bravo vorhersehbar. Mexiko wird so viel Wasser wie eben möglich auftreiben müssen, zu Lasten der eigenen Bevölkerung im Grenzgebiet. Die mexikanischen Bauern hoffen unterdessen auf ein Wunder. Ein Zyklon mit seinen Wassermassen könne Abhilfe schaffen und die Wasserschuld in kürzester Zeit begleichen helfen, wird einer von ihnen zitiert. Doch auch er dürfte den Ausspruch kennen: "Armes Mexiko, so weit weg von Gott und so nah an den USA.."


Quelle: poonal
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