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Regierung versucht in Chiapas den Alleingang

Poonal vom 17.03.1998
Von Gerold Schmidt

  (Mexiko-Stadt, 17. März 1998, npl).- Die mexikanische Regierung hat sich nach Auffassung ihrer Kritiker endgültig entschlossen, die aufständische Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) im Bundesstaat Chiapas politisch weitgehend zu ignorieren. Auch die Vermittlungsinstanzen wie die Parlamentskommission Cocopa und die Nationale Vermittlungskommission (Conai) unter dem Vorsitz von Bischof Samuel Ruiz García sehen derzeit wie Statisten aus. Dies ist der Eindruck, nachdem Präsident Ernesto Zedillo am vergangenen Wochenende (14./15.3.) einen Gesetzentwurf unterzeichnete und ins Parlament einbrachte, der Verfassungsartikel zu den Rechten und der Kultur der Indígena- Völker in Mexiko ändern bzw. ergänzen soll. Der Kompromißvorschlag der Cocopa, vor längerer Zeit vorgestellt und von den Zapatisten gutgeheißen, ist damit hinfällig geworden. Ebenso ist der Weg zur Neuaufnahme von Verhandlungen nicht leichter geworden.

Die Regierung hat allerdings ihre eigene Interpretation. Sie erklärt, die Gesetzesinitiative halte sich vollständig an den Geist der mit den Zapatisten geschlossenen Abkommen von San Andrés aus dem Februar 1996. Die darin damals von beiden Seiten niedergelegten "politischen Absichten" seien nun in juristische Formeln umgewandelt worden. Zur Begründung für den Alleingang wird auf die anhaltende Weigerung der EZLN verwiesen, direkte Gespräche mit der Regierung zu führen. Die Zapatisten dürften nicht länger die Entwicklung des Landes bremsen. Innenminister Francisco Labastida spricht von einer zweitteiligen Strategie für Chiapas. Auf der einen Seite sollten die Rechte der Indígena-Völker berücktsichtigt werden, auf der anderen Seite gehe es um den Friedensschluß mit der EZLN.

Diese Trennung ist für einen Teil der Opposition nicht nachvollziehbar. Porfirio Muñoz Ledo von der linken PRD erklärt, ohne eine Einigung zwischen Regierung und Zapatisten sei mit Gesetzes- und Verfassungsreformen "nichts gewonnen". Die Nationale Vermittlungskommission hat sich ebenfalls gegen die präsidentielle Initiative ausgesprochen. Sie stimme nicht mit den Vereinbarungen von San Andres überein und sei als einseitiger Schritt abzulehnen. Die Regierung fühlt sich offenbar aber ihrer Sache sicher. Dazu hat sie guten Grund. Parallel zur Aktion des Präsidenten hat auch die konservative PAN einen Entwurf zur Indígena-Gesetzgebung ins Parlament eingereicht. Regierungspartei PRI und die PAN haben gegenseitige Verhandlungsbereitschaft über die kaum voneinander abweichenden Initiativen verkündet. Zusammen könnten sie ein Gesetz ohne Schwierigkeit mit der notwendigen Mehrheit durchbringen. Die Zapatisten und die sie unterstützenden Gemeinden sind militärisch keine Gefahr und von der Bundesarmee eingekreist. Nach wie vor schüchtern paramilitärischee Gruppen die Zivilbevölkerung ein.

Ausländische Regierungen protestieren nur schwach, wenn ihre Bürger abgeschoben werden, weil sie sich für die Menschenrechtslage in Chiapas interessieren. Gerade erst mußten die Deutsche Helen Kapolnek sowie eine Schweizerin und eine US- Amerikanerin verfrüht das Land verlassen. Das Massaker von Acteal, bei dem 45 Indígenas am 22. Dezember 1997 von Paramilitärs ermordet wurden, gerät bereits in Vergessenheit. Versteckt kann die mexikanische Regierung damit drohen, die aufgehobenen Haftbefehle gegen die zapatistische Führung könnten wieder eingesetzt werden, falls es nicht zum "Dialog" komme. Die EZLN ist in der Defensive. Für sie ist das Regierungsvorgehen ohne Gesichtsverlust nicht hinnehmbar. Andererseits hat sie wenig Reaktionsmöglichkeiten. In den letzten Jahren hat sie immer wieder auf die zivile Opposition gegen die Regierung gesetzt. Dieser Druck war nicht stark genug. Eine Stellungnahme der Zapatisten zur jüngsten Entwicklung steht noch aus. Im Raum steht Befürchtung der PRD-Fraktion an die Adresse der Abgeordneten aller Parteien: "Machen sie sich nicht zu Komplizen einer Initiative, die zur Erneuerung der Feindseligkeiten beitragen kann."


Quelle: poonal
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