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Eine neue Guerillaarmee in Mexiko

Guerrero im Krieg

Zapapres-Import vom 15.07.1996
John Ross

  John Ross, Global Exchange, Juli 1996

Tepetixtla, Guerrero − Luciano schiebt sein Fahrrad einen Hügel hoch, gerade hat er zusammen mit einem us-amerikanischen Reporter einen schlammigen Fluß durchwartet, da schießen hinter dem Bergen ein paar Bell 212 Hubschrauber der mexikanischen Armee hervor und kreuzen im Tiefflug den löcherigen Weg. "Sie suchen die Guerilla"; der junge Mann lächelt: "Die Guerilla ist jetzt Realität geworden".

Das lang erwartete Auftauchen einer zweiten Guerillafront in Mexiko geschah am 28. Juni, auf den Tag genau ein Jahr nach dem Massaker an 17 Mitgliedern der der Campesinoorganisation der Sierra Sur (OCSS) an einem erodierten Berghang, der jetzt im ganzen Land als Aguas Blancas bekannt ist, 10 Meilen unterhalb des gleichnamigen Bergortes. 70 bis 100 bewaffnete Kämpfer, mit verhüllten Gesichtern und einer beeindruckenden Ansammlung von AK-47 und AR-15 Maschinengewehren, kamen den Hang hinab und besetzten die zentrale Bühne der Gedenkveranstaltung, an der tausende Trauernde teilnahmen. Gekleidet in gebügelten oliv-grünen Uniformen, marschierten die Maskierten in militärischer Formation ein und hissten sowohl die mexikanische Fahnen als auch ihre eigene Schöpfung mit den Initialen E P R − Ejercito Popular Revolucionario (Revolutionäre Volksarmee).

Zuschauer erschraken zu erst, denn sie dachten, daß die mexikanische Armee einen Angriff gegen die Versammlung am großen weißen Monument, in dem die Namen der Opfer eingraviert sind, gestartet habe. Die Guerilleros versuchten die Menge zu beruhigen. "Wir sind Compañeros", bekräftigte Hauptmann Emiliano. Sie waren gekommen, um wilde Blumen an dem Ort niederzulegen, wo die Bauern von der Staatspolizei von Guerrero erschossen worden waren. Dann verlasen sie ihr "Manifest von Aguas Blancas", zuerst in Spanisch und dann in Nahuatl.

Danach zog sich die selbsterklärte Guerillaarmee zurück, schoß vom Hügelkamm 17 Salven zum Gedenken an die Ermordeten ab und verschwand im Bergwald.

Obwohl unmittelbar darauf Einheiten der mexikanischen Armee in die Region oberhalb der Costa Granda 30 Meilen nördlich von Acapulco beordert wurden, gelang es den EPRs, in die hohe Sierra zu entkommen, begünstigt durch einem starken Hurrican namens "Boris", der die Gegend in der Nacht heimsuchte.

Es gab nur eine kleine Spur: Stunden nach ihrem Auftritt an der Gedenkstätte blockierte eine Gruppe von EPR-Kämpfern mit einem großen Lastwagen die Landstraße nur 10 Minuten von Chipancingo, die Hauptstadt des Bundesstaates, 10 Meilen nordöstlich von Aguas Blancas. Über den LKW hängten sie ein Transparent, auf dem sie den Neoliberalismus verurteilten, und verteilten ihr Manifest an vorbeikommende Fahrzeuge. Drei Agenten der Staatspolizei wurden verwundet, als sie zu dem Ort eilten und das Feuer auf sie eröffnet wurde. Danach verschwanden die Guerilleros in die Büsche.

Das Manifest von "Aguas Blancas", Grundlage des Kampfes des EPR, das auch bei zwei bekannt gewordenen Blitzüberfällen in Acapulcos Slumviertel als Kopie verteilt worden ist, erklärt, daß Verelendung und Repression durch die Regierung denjenigen, die das EPR bilden, "keine andere Möglichkeit läßt, als ihre Werkzeuge in Waffen zu verwandeln". "Wir sind aus der Trauer der Witwen heraus entstanden, aus dem Verschwinden unserer Geliebten, aus dem Schmerz der Gefolterten, dem Zorn der unschuldig inhaftierten, dem Elend, Hunger und der Krankheit der Straßenkinder..." Das EPR kämpft für eine "revolutionäre Demokratie" und ruft die BürgerInnen, die sich in Aguas Blancas versammelt hatten, dazu auf, Selbstverteidigungsgruppen und "Volksgerichtstribunale" zu bilden. In einem ersten Kommuniqué des EPR, das von "Kommandant Antonio" unterzeichnet ist und in Mexiko Stadt drei Tage nach ihrem Bekanntwerden verteilt wurde, wird betont, daß die neue Guerilla der Regierung und dem Militär nicht den Krieg erklärt haben − im Gegensatz zu zapatistischen Befreiungsarmee am 1. Januar 1994. Nichtsdestoweniger begann in der Sierra bald darauf Armeeeinheiten und Zivilpolizei die Jagd auf die EPR unter dem Vorwand, die EPR habe das bundesweite Verbot von Schußwaffen verletzt.

Eine Woche lang nach Erscheinung der Guerillaarmee kampierten hunderte Soldaten auf der Gedenkstätte für die Ermordeten von Aguas Blancas − die militärische Besetzung eines "Heiligtums", von der gleichen Bedeutung der zapatistischen "Aguascalientes" Kulturzentren, die während der Militäroffensive in den Lakandonischen Regenwald im Februar 1995 von der mexikanischen Armee eingenommen und zerstört wurden.

Mittlerweile haben um die 3.000 Soldaten die westliche Sierra Madre durchkämmt; sie konzentrierten ihre Aktionen im "roten Dreieck" zwischen Aguas Blacas, den Gipfeln La Pintada und el Paraiso im Nordwesten und herab zum Küstenstreifen bei Atoyac, wo 19 Jahre vorher im Mai Lucio Cabañas und die Partei der Armen in Rebellion traten, als die Staatspolizei von Guerrero in einem Schulhaus an Eltern und Lehrern ein Massaker beging. Sieben Jahre lang forderte Lucio die Armee durch Überraschungsangriffe aus der Sierra heraus, bis 25.000 mexikanische Soldaten mit Unterstützung durch CIA-Berater ihn einschlossen in einer Gebirgsschlucht nahe eines Weilers mit dem ironischen "El Porvenir" (Der Fortschritt). viele, wie auch der Junge mit dem Fahrrad nahe Tepetixtla, haben den Namen bis heute behalten.

Wie schon in der Aufstandsbekämpfungskampagne zwischen 1996 und 1974 in diesen Hügeln und heute in Chiapas wird das mexikanische Militär mit Rüstungskäufen und -geschenken aus den USA ausgestatten, um das Gelände des EPR zu säubern. Es benutzt gepanzerte Fahrzeuge der Marke "Humvee", die in den USA gebaut werden, Hubschrauber und Panzer − der US-Reporter sah sich plötzlich 14 voll bestückten Panzern nur wenig südlich von hier gegenüber. Die Armee kontrolliert jetzt die meisten Orte und Verbindungswege im "roten Dreieck". Einige Stadtbewohner begrüßen die Anwesenheit der Armee − in El Paraiso − das Paradies − ein hochgelegenes Handelszentrum zwischen saftigen Gebirgswiesen hat die Soldaten dazu aufgefordert, die korrupte Judizialpolzei (Geheimpolizei) des Bundesstaates zu ersetzen, die für zahlreiche Entführungen und ein Massaker an einer respektablen Familie aus dem Ort im letzten Februar verantwortlich ist. "Es ist sicherer mit der Armee als mit der Judizialpolzei", meint Filemon Lazaro bie während seines dampfenden Morgenkaffees aus reiner Hochlandproduktion. Hinweise über Menschenrechtsverletzungen durch die Armee im Zuge des zapatistischen Aufstandes haben die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit nach Chiapas gerichtet. Jetzt gibt es hier in Tepetixtla willkürliche Hausdurchsuchungen nach Waffen, Beschuldigungen der Mitgliedschaft in der OCSS und Agenten der Staatspolizei hielten 50 Menschen zum Verhör fest, als sie diese auf der Rückkehr von der Gedenkveranstaltung aus Aguas Blancas verfolgte.


Quelle: Zapapres
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