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»Für die EZLN wird es schwer werden...«

Gespräch mit Salvador Castañeda über den Kampf der Zapatisten

analyse + kritik vom 14.12.1994
ak 373

  Salvador Castañeda, geb. 1946, war Mitbegründer des Movimiento de Acción Revolucionaria, einer politisch-militärischen Organisation in Mexiko, die in den 70er Jahren einen Guerillakampf organisierte. Nach der Zerschlagung des MAR saß er mehrere Jahre im Gefängnis. 1980 erschien sein erster, autobiographischer Roman "Por qué no lo dijiste dodo?", der in Spanien den Juan-Grijalbo-Literaturpreis erhielt. 1990 gründete er mit anderen Ex-Guerilleros das "Zentrum für historische Studien der bewaffneten Bewegungen", dessen Leiter er ist.

Mexiko ist eines der Länder, in denen die politisch-militärischen Organisationen in der Vergangenheit wenig Erfolg hatten. Keiner der bewaffneten Gruppen der 60er und 70er Jahre gelang es, sich in einen politischen Faktor auf nationaler Ebene zu verwandeln, wie es den Guerillaorganisationen z.B. in El Salvador oder Nicaragua gelang. Heute, da offensichtlich eine Phase des bewaffneten Kampfes in Lateinamerika zu Ende geht, und ein großer Teil der ehemaligen Guerillaorganisationen sich endgültig von der Revolution verabschiedet hat (ERP, M-19), scheint die EZLN eine neue Phase des bewaffneten revolutionären Kampfes einzuleiten. Wie konnte sich diese Organisation so schnell − nach nicht einmal zwei Wochen Krieg − in eine politische Kraft mit derartigem Gewicht verwandeln?

Vor dem 1. Januar 1994 lagen zehn Jahre klandestiner Arbeit. Das war im Prinzip derselbe Prozeß, den wir durchmachten, aber unter völlig anderen geographischen Bedingungen. Die Abgelegenheit der Region erleichterte es der EZLN natürlich, unbemerkt ihre Organisation aufzubauen. Mit einer ganzen Reihe von Sicherheitsrisiken, mit denen unsere Stadtguerilla oder die Gruppen von Lucio Cabañas und Cenaro Vázquez in der Sierra von Guerrero rechnen mußten, waren sie nicht konfrontiert. Es gab zehn Jahre lang keine militärische Konfrontation, als suchte sie das Bundesmilitär auch nicht, um mit ihnen Schluß zu machen. Als sie am 1. Januar fünf Munizipien einnahmen, stießen sie daher auch auf keinen Widerstand. Die Armee war einfach nicht da. Mit der örtlichen Polizei fertig zu werden, kann kaum als militärischer Akt betrachtet werden. Im Mai 1993 gab es einen Zusammenstoß mit der Bundesarmee ...

Das war der einzige. Die EZLN zog sich danach zurück, und die Bundesarmee zog sich ebenfalls zurück; aber nicht, weil sie nicht in der Lage gewesen wäre, die EZLN zu bekämpfen, sondern aus politischen Gründen: Die Regierung wollte den Abschluß des NAFTA-Abkommens nicht gefährden, sie wollte die Wahlen im August nicht gefährden.

Der Rückzug der EZLN nach der Besetzung der Munizipalhauptstädte am 1.1. lief auch deshalb so geordnet, weil sie keine größeren Probleme mit der Bundesarmee hatten. Die eigentliche militärische Konfrontation ergab sich im Kampf um die Kaserne Rancho Nuevo. Es gelang ihnen nicht, die Kaserne einzunehmen. Sicher haben sie diese Erfahrung verarbeitet und sind auf weitere Konfrontationen vorbereitet. Aber es ist schwierig, über die militärischen Fähigkeiten der EZLN Aussagen zu treffen, denn außer Rancho Nuevo haben sie keine realen Kämpfe geführt.

Die gegenwärtigen Bedingungen sind absolut zum Vorteil der Bundesarmee. Die hat ihren Belagerungsring in aller Ruhe ausbauen und verstärken können, mit Militärberatern, moderner Bewaffnung. Vier Schiffsladungen modernster Waffen haben sie über den Hafen von Veracruz herangeholt. Die Bundesarmee ist in einer Position, die ihr viele Möglichkeiten erlaubt, effektive Schläge gegen die EZLN zu führen.

Glaubst du nicht, daß die EZLN im Dschungel einen taktischen Vorteil hat?

Das ja, es wird nicht leicht sein für die Bundesarmee, dort
einzudringen. Zumindest könnten sie das nur unter großen
Verlusten, denn dort befindet sich die EZLN in ihrem eigenen
Gelände, und sie ist ebenfalls gut vorbereitet. Aber die
Bundesarmee hat viele Möglichkeiten, denn die Einheiten der
EZLN sind mittlerweile mit Sicherheit perfekt lokalisiert.
Die Bundesarmee kann Luftwaffe und Fallschirmjäger einsetzen.
Die EZLN kann ihre Zone nicht verlassen. Insofern sitzen
sie in einer Falle.

Keine Basen außerhalb von Chiapas

Die EZLN behauptet, landesweit organisiert zu sein.

Wer weiß? Bis jetzt sieht man davon nicht viel. Offensichtlich ist − und das ist ein großer Mangel -, daß sie kein eigenes Pressesystem haben mit einer landesweiten Verteilerstruktur. Sie haben keine Radiostation, über die sie den zivilen Widerstand koordinieren können. Über die drei normalen Zeitungen hinaus, die ihre Erklärungen veröffentlichen, gibt es nichts. Und der Rest der Medien ist absolut in der Hand der Regierung.

Warum kann die "Demokratische Nationalkonvention" (CND) nicht eine logistische und politische Struktur dieser Art bilden?

Die CND ist in einer Situation des Friedens entstanden. Wenn der Waffenstillstand zerbricht, wird die Konvention aufhören zu funktionieren. Wenn es ernst wird, werden die Köpfe und die radikalsten Kräfte der CND interniert werden, denn sie sind perfekt lokalisiert.

Als Marcos in einer seiner letzten Erklärungen radikalere Töne anschlug und von der Möglichkeit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes sprach, fingen schon die ersten CND-Führer an, ihn dafür zu verurteilen. Die CND existiert unter diesen Bedingungen des Waffenstillstands, wenn die sich ändern, ist es wahrscheinlich, daß die CND verschwindet. Sie kann keine effektive Unterstützung für die EZLN sein. Wenn der Staat zur "militärischen Lösung" übergeht, kann die CND weder logistische noch politische Unterstützung bieten, und die Medien werden verstummen. Die EZLN hat eine ganz wichtige Sache vernachlässigt: Die Schaffung von Unterstützungsbasen außerhalb ihrer Zone. Jetzt sagen sie, ja, wir haben eine Gruppe "Soundso" in der Sierra Gorda/Querótaro, aber man sieht nichts davon. Wozu also diese Erklärung? Die Erklärungen nutzen sich ab. Sie haben gesagt: Wenn die PRI Wahlbetrug macht, kommt es zum Aufstand. Dann haben sie gesagt, wenn Zedillo am 1.12. die Regierung übernimmt. Nichts ist passiert. Und wenn am 8.12. der PRI-Gouverneur in Chiapas die Macht übernimmt, wird wieder nichts passieren. Die Situation in Chiapas ist allerdings anders. Im Gegensatz zum Rest der Republik ist die Situation dort kurz vor der Explosion und im Gegensatz zur CND ist der Rat der Campesino- und Indígenaorganisationen (CEOIC) eine reale Kraft.

Aber sie sind nicht bewaffnet.

Wer weiß?

Bis jetzt ist davon jedenfalls nichts zu sehen. Das ist ziviler Widerstand, der viel leichter zu kontrollieren ist.

Zu geringe militärische Erfahrung

Aber das hängt vom Ausmaß dieses Widerstandes ab. Außerdem ist es in Mexiko nicht schwierig, Waffen zu besorgen. Das Problem ist nicht, Waffen zu besorgen. Das Problem ist die Feuerkraft, die militärische Vorbereitung dieser Leute (die sie nicht besitzen), ein einheitliches militärisches Kommando (das nicht existiert). Sie sind nicht in der Lage, sich mit einer ausgebildeten und ausgerüsteten Berufsarmee zu schlagen. Allein die EZLN ist dazu in der Lage − eventuell. Die Perspektive des CEOIC ist es, einen friedlichen Übergang zu erreichen. Eine Sache, die völlig unmöglich ist. Selbst wenn sie das in ihrem Staat erreichen können, könnten sie es nicht auf die nationale Ebene ausdehnen, also bleiben dem Staatsapparat alle Möglichkeiten.

Die EZLN betont ständig, keine Avantgarde zu sein. Das ist nichts als Konfusion. Natürlich sind sie die Avantgarde, auch wenn sie sagen, nein, wir wollen nicht. Entscheidend ist doch nicht, was du sagst, sondern, was du tust. Wenn du als erster den Kampf aufnimmst, polarisierst du die Dinge und mußt die Verantwortung übernehmen, allen Widerstand zu organisieren, alle zivilen Kämpfe, die sich aus deiner Offensive ergeben, koordinieren. Ich denke auch, daß es ein Fehler war, schon nach nicht einmal zwei Wochen Kampf an den Verhandlungstisch zu gehen. Sie hätten mehr militärische Aktionen durchführen müssen, ihre Fähigkeit, der Bundesarmee ernsthafte Schläge zufügen zu können, demonstrieren müssen, um dann eventuell mit einer stärkeren Position in die Verhandlungen zu gehen.

Wie siehst du die militärischen Möglichkeiten der EZLN, wenn der Krieg wieder ausbricht, was nicht unwahrscheinlich ist? Wo siehst du ihre größten Schwächen?

Nicht mehr militärische Aktionen durchgeführt zu haben, ist einer der größten Fehler. Ein zweiter, sofort an den Verhandlungstisch gegangen zu sein, und damit dem Staat die Möglichkeit gegeben zu haben, einen Krieg niedriger Intensität (low intensity war) einzuleiten, während ihnen durch den Dialog die Hände gebunden waren. Der Staat hat schon eine Generalamnestie für alle Bewohner der EZLN-Zone angekündigt. All das ist eingebunden in einen kontinentalen Plan der Aufstandsbekämpfung.

Interne politische Differenzen?

Glaubst du, man kann schon von einem low intensity war sprechen?

Ja. Der Staat hat mit den Verhandlungen, mit der Amnestie die Initiative, die er Anfang Januar verloren hatte, wieder an sich gerissen, während sich die Position der EZLN verschleißt. Es ist ein Abnutzungskrieg. Allein die Tatsache, daß sie sich seit fast einem Jahr im Kriegszustand befinden, eine Armee von 6.000 Leuten oder mehr, die nicht mehr produzieren können, weil sie in ständiger Gefechtsbereitschaft sein müssen. Klar, daß das interne Probleme schafft. Es bedeutet eine Erschöpfung ihrer Unterstützungsbasen. Wie lange können sie das aushalten? Die Bundesarmee kann so lange warten, wie sie will. Sie hat alle Vorteile auf ihrer Seite, ökonomische Ressourcen, sie können ihre Truppen auswechseln etc.

Außerdem existieren offensichtlich interne politische Differenzen in der EZLN über die Konzeption des Kampfes. Die Erklärungen von Mayor Moisés und Comandante Tacho sind grundverschieden von denen Marcos’. Marcos spricht ständig davon, daß sie nicht die Absicht haben, die Macht zu erobern.

Moisés sagt: Wir werden die Macht erobern und die sozialistische Revolution durchführen. Aber in der breiten Öffentlichkeit nimmt man nur Marcos wahr. Warum? Er ist ein guter Redner, ein Schriftsteller, ein Poet. Moisés und Tacho sprechen nicht gut Spanisch. Marcos setzt auf die Unterstützung von Kreisen, die − wenn die Situation ernst wird − die Zapatisten nicht mehr kennen werden. Die ersten Intellektuellen springen ja jetzt schon vom Zug. Die ganze Konvention hat nur die Funktion, das Loch zu füllen, das dort ist, wo sie in der Vergangenheit eine politische und logistische Struktur hätten aufbauen müssen. Zwei Wochen vor den Wahlen organisieren sie die Konvention! Die soll nach den Wahlen die Gesellschaft mobilisieren. Aber wie? Die sogenannte Gesellschaft ist fraktionalisiert, die Reste der Linken sind zersplittert. Sie haben auf die PRD gesetzt. Auch das hat nicht funktioniert. Heute tritt die PRD in die Regierung ein, die morgen versuchen wird, mit der EZLN Schluß zu machen. Sie sind in einer äußerst schwierigen Situation.

Außerdem hat der Staat die famose Losung vom "Frieden" für sich kapitalisieren können. Diese Losung ist völlig abstrakt. Der "Frieden" ist gut für die Herrschenden, immer haben sie in Frieden gelebt, deshalb sind sie heute ja immer noch dort. Und die Intellektuellen der CND gebrauchen diese Formel in derselben abstrakten Weise. Schließlich hat die Mehrheit der Bevölkerung am 21. August für den "Frieden", nämlich die Staatspartei, gestimmt, denn diese Art von Dingen wie "Frieden" regelt naturgemäß der Staat. Eine Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung kann sich nicht auf diesen Typ von Leuten stützen. Das ist keine reale, effektive, konsistente Unterstützung.

Aber das sind ihre objektiven Ressourcen. Wie können sie die Situation ändern?

Das sind die Ressourcen in diesem Moment. Das kann nicht beliebig andauern. Die CND ist für einen friedlichen Übergang zur Demokratie, für eine Übergangsregierung. Was für eine? Wer soll sie bilden? Die CND wird sagen: wir nicht. Davon abgesehen hat sie auch nicht das politische Gewicht. Meiner Ansicht nach versucht die EZLN im Moment vor allem Zeit zu gewinnen, um die Basen zu organisieren, die sie nicht haben, außerhalb ihrer Zone. Aber gleichzeitig arbeitet die Zeit für die Regierung. Der Fehler war, den Krieg zu beginnen, ohne das vorher gemacht zu haben. Es ist derselbe Fehler, den wir mit dem MAR in den 70er Jahren gemacht haben. Einige unserer Genossen haben im August mit Marcos darüber diskutiert. Wir passen eben nicht in euer Schema, hat er gesagt.

Die ganze Politik der EZLN seit Januar scheint mir äußerst improvisiert und voluntaristisch. Am ersten Januar geben sie eine Deklaration heraus, in der sie sagen: Vamos, marschieren wir nach Mexiko-City und nehmen es ein. Was soll das?, dachte ich, und nach nicht mal zwei Wochen fangen sie an zu verhandeln. Was hat denn eine Nationale Befreiungsarmee, die die Macht erobern will, zu verhandeln? Mit dem Staat um die Macht verhandeln?

Die Strategie des friedlichen Übergangs hat nicht funktioniert

Ich denke, daß die Idee der Verhandlungen nicht so sehr war, dieses oder jenes Zugeständnis von der Regierung zu erreichen, sondern vielmehr die verstreuten oppositionellen Kräfte im Land zu erreichen und zu einer politischen Bewegung zu vereinigen.

Ja, das war der Ausgangspunkt für die Konventionsidee. Aber das war eine Fehleinschätzung. Wir sehen die Resultate. Ich denke, sie versuchen jetzt, ihre eigene Struktur zu organisieren. Aber das ist nicht so einfach und braucht Zeit. Es besteht die Gefahr, daß dieser entscheidende Mangel ihr politisches Konzept grundlegend verändert. In der Richtung, daß sich die EZLN in eine pressure group für Verhandlungen verwandelt. Genaugenommen ist das schon die Situation, in der sie sich befindet, und es ist nicht klar, wie sie da wieder herauskommen kann. Das ist etwas, was vielen bewaffneten Bewegungen in Lateinamerika passiert ist, z.B. in Kolumbien. Die sitzen in den Bergen, aber nie werden sie die Macht erobern, sie versetzen dem Staat einzelne Schläge, um Druck in Verhandlungen ausüben zu können. In Kolumbien sitzen sie seit 40 Jahren da oben, und die Chancen verschlechtern sich von Jahr zu Jahr.

Ich glaube auch, daß die EZLN darauf gesetzt hat, als pressure group für einen friedlichen Übergang zur Demokratie wirken zu können. Aber diese Möglichkeiten haben sich erschöpft: die Verhandlungen, die PRD, die CND.

Aber Allianzen einzugehen, einschließlich mit demokratischen Sektoren der Bourgeoisie, war nicht notwendigerweise falsch. Natürlich nicht. Diese Allianzen sind notwendig und sinnvoll. Der Punkt ist nur, sie haben nicht so funktioniert, wie sie sollten. Eine der grundlegenden Lehren der kubanischen und nicaraguanischen Revolution ist die Notwendigkeit, eine politische Front zu bilden, die fähig ist, die Macht zu erobern und in der die revolutionären Kräfte die Hegemonie haben.

Warum glaubst du, daß die CND nicht der Ausgangspunkt für eine Front sein kann?

Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Mobilisierung der Zivilgesellschaft. Aber sie mobilisiert niemanden. Sie bleibt ohne Folgen. Im Norden Mexikos bewegt sich überhaupt nichts. Die größten Mobilisierungen außerhalb von Chiapas gibt es hier in Mexiko-City: 5.000 Leute am 1. Dezember, in einer Stadt von 25 Millionen. Und selbst auf diesem Niveau wird es nicht andauern können, wenn es nicht gelingt, ein höheres Stadium der Auseinandersetzung zu erreichen. Die Mobilisierungskraft ist begrenzt, aufgrund vieler Faktoren.

Das politische Bewußtsein über die Ziele ist begrenzt. Aber auch ganz alltägliche Faktoren: Die Leute können nicht einfach von der Arbeit wegbleiben etc. So ist es nun mal im Moment, aber das sind bestimmende Faktoren bei einer Aufgabe wie dieser.

Die Situation in Chiapas ist jedoch eine andere. Wie siehst du die Perspektiven?

Vielleicht können sie die Einsetzung des PRI-Gouverneurs am
8.12. verhindern und Avendaño als Gouverneur durchsetzen oder eine Parallelregierung schaffen. Aber dann?

Nun, es gibt einen realen Prozeß der Zersetzung des bürgerlichen Staates in Chiapas, mit der Autonomiebewegung der Munizipios, in denen die radikalen Indígenaorganisationen faktisch die Macht ergriffen haben ...

Aber immer noch hat der Staat, die Zentralregierung, Möglichkeiten zu vermitteln, Fincas zu kaufen, zu verhandeln, das Problem einzudämmen und zu isolieren. Und wenn sich die Bewegung nicht ausdehnt auf andere Staaten, hat sie keine Perspektive. Sie können nicht ständig demonstrieren, marschieren, Fincas und Rathäuser besetzen. Das wird das Problem nicht radikal lösen, solange es regional begrenzt bleibt. Und die Regionalisierung des Konflikts ist auch die Strategie der Regierung, sie sagt: Chiapas ist nicht Mexiko. Die Kräfte in Chiapas werden sich erschöpfen, wenn sie nicht in ein höheres Stadium des Kampfes übergehen können. Vor ein paar Tagen sind drei Campesinoführer umgebracht worden, wieder einmal. Und was ist die Reaktion? Es gibt keine. Und die anderen, die Todesschwadrone, die Weißen Garden stehen Gewehr bei Fuß. Daran besteht kein Zweifel. Bis jetzt sind sie nicht zu einem generalisierten Gegenangriff übergegangen, weil sie genauso abwarten, daß der Staat ihr Problem auf "zivile Weise" löst. Aus demselben Grund wartet die Bundesarmee erstmal ab. Aber wie überall in Amerika haben sie natürlich den Plan für die militärische Option schon fertig in der Tasche. In anderen lateinamerikanischen Ländern gibt es nicht diese Möglichkeiten der Vermittlung, die erlauben, daß sich die Armee noch einmal zurückzieht, damit der Staat das Problem auf politische Weise löst. Auf die lange Sicht konsolidiert sich die Position der Regierung immer mehr, während sich die Position der EZLN verschleißt.

Wie siehst du die Perspektiven der EZLN unter dem neuen Präsidenten Ernesto Zedillo?

Sie verschlechtern sich noch mehr. Zedillo wird eine reformistische Politik durchführen, wie sich an der Kooptation der Oppositionsparteien PAN und PRD schon zeigt. Der moderate Teil der PRD wird zusammen mit einem Teil der PRI, der Gruppe von Camacho Solís, "Democracia 2000", in ein paar Jahren eine neue reformistische Partei bilden, die der PRDLinken, den Cardenisten das Wasser abgraben wird. Für die EZLN wird es schwer werden, sich zu halten oder gar wieder in die Offensive zu kommen.

(Das Gespräch wurde am 5.12.94 in Mexiko-City von Juan Chicoy geführt.)

 Quelle:  
  http://www.akweb.de/ 
 

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