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Der Plan zur wirtschaftlichen Reaktivierung - von wem für wen?

¡Fijáte! vom 13.08.2002
Aus Fijáte No. 266 (8. Jahrgang)

  Es erscheint uns sehr wichtig, den am 11. Juni von Präsident Alfonso Portillo, Wirtschaftsminister Arturo Montenegro und Zentralbankpräsident Lizardo Sosa vorgestellten Plan zur wirtschaftlichen Reaktivierung 2002-2004 genauer zu analysieren, um dahinter zu kommen, wer welche Interessen damit verfolgt. Zu Beginn einige grundlegende Gedanken: In der Zeit der neoliberalen Globalisierung will man uns glauben machen, dass wir den Aktivitäten unkontrollierbarer wirtschaftlicher Kräfte ausgesetzt sind und unsere nationale Politik sich dem Imperativ dieser neuen globalen Wirtschaft unterstellen muss. Wenn wir aber objektiv hinschauen, sind es die transnationalen Unternehmen (General Electric, Coca Cola, Exxon, Philip Morris, Shell, Siemens, Toyota, IBM, Bic, Colgate-Palmoliv, Bayer, Nestlé, Sony, um eine Auswahl zu nennen), die Produktion, Handel und Finanzwirtschaft kontrollieren und den Übergang vom national kontrollierten zum international kontrollierten Kapital einläuten. Dies bedeutet für ein Land wie Guatemala, dass das kapitalistische Modell, das bislang auf einem nationalen Monopol und dem Export von landwirtschaftlichen Produkten basierte, in einen strukturellen Widerspruch mit der wirtschaftlichen Hegemonie der transnationalen Unternehmen tritt. Im Rahmen dieser "Anpassung" kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen und einer Konkurrenz zwischen den verschiedenen Sektoren im Rennen darum, wer sich als "Intermediario" eine Art Vermittlerrolle bei der Umsetzung der neoliberalen Programme ergattern kann. Auch die traditionelle politische Macht verliert an Einfluss gegenüber den transnationalen Wirtschaftsmächten. Die Konsequenz daraus ist, dass auch die Behandlung nationaler Fragen wirtschaftlicher, sozialer oder politischer Art immer stärker von aussen bestimmt wird. Dies ist eine unverantwortbare Entwicklung, die das Ende der nationalen Souveränität und der Selbstbestimmung der Völker bedeutet. Um seine Interessen durchzusetzen, bedient sich das transnationale Kapital unter anderem Institutionen wie dem Internationalen Währungsfond (IWF) oder der Weltbank. In Guatemala hat sich das konkret bei der vom IWF "empfohlenen" Erhöhung der Mehrwertsteuer gezeigt, bei der von der US- amerikanischen Botschaft "angeregten" Ernennung eines Antiterrorismuskommissars oder bei der Finanzgesetzrevision. Diese Revision bedeutet nicht nur die Öffnung des Landes für transnationales Kapital sondern war eine Bedingung des IWF für die Auszahlung der im Rahmen des "Stand-by"-Abkommens ausgehandelten Kredite. Der von der Regierung vorgelegte Plan zur wirtschaftlichen Reaktivierung 2002-2004 basiert ebenfalls auf dem "Stand-by"-Abkommen und wurde von IWF begrüsst und verabschiedet, noch bevor er der guatemaltekischen Bevölkerung vorgelegt wurde. Im Aktionsplan heisst es auch, "dass die Exekutive es als gegeben betrachtet, dass in den nächsten zwei Jahren Freihandelsabkommen mit mindestens vier Ländern unterzeichnet werden können: Mit den USA, Kanada, Panama und Chile. Diese Abkommen deuten klar in Richtung einer Unterzeichnung und Realisierung des Freihandelsabkommens ALCA und somit der Ausbreitung der US-amerikanischen Hegemonie in Lateinamerika. Dazu gehört auch die Unterzeichnung multilateraler Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO. Die FRG-Regierung hat sich in ihrer Wirtschaftspolitik mit der kompromisslosen Umsetzung neoliberaler Empfehlungen der internationalen Finanzorganismen hervorgetan. In diesem Zusammenhang ist auch der Plan zur wirtschaftlichen Reaktivierung 2002- 2004 zu verstehen.

Überschneidungen mit dem Plan Puebla Panamá

Der Plan Puebla Panamá wurde vom mexikanischen Präsidenten Vicente Fox als die Lösung vorgestellt, um der Armut und der Unterentwicklung in der Region zu begegnen, indem der Markt geöffnet, der Wettbewerb angeregt und die Wirtschaft angekurbelt werden. Der PPP umfasst die mexikanischen Staaten Campeche, Chiapas, Guerrero, Oaxaca, Quintana Roo, Tabasco, Veracruz und Yucatán, sowie die zentralamerikanischen Länder Guatemala, Belice, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Der Plan Puebla Panamá umfasst acht Teilprojekte: Nachhaltige Entwicklung, sozialer Fortschritt, Katastrophenprävention, Tourismus, Handel, Verkehr, Telekommunikation, und elektrische Energieversorgung. Die fünf letztgenannten werden in der Umsetzung prioritär behandelt und zweifellos auf einer neoliberalen Grundlage basieren, die die Öffnung für transnationales Kapital beinhaltet. Allein für den Bereich Verkehrsinfrastruktur, Energie und Telekommunikation werden 85% des Budgets für den ganzen PPP gerechnet. Was die Verkehrsinfrastruktur betrifft, beinhaltet der PPP den Bau bzw. die Erweiterung des Strassennetzes, Flughäfen und Häfen, um den Handel und den Tourismus anzutreiben. Zu diesem Thema schlägt der Plan zur wirtschaftlichen Reaktivierung der guatemaltekischen Regierung die Erneuerung, den Ausbau und die Konzessionierung der internationalen Flughäfen Aurora in Guatemala- Stadt und Santa Elena, Petén, sowie den Ausbau des Flughafens Masagua zu einem internationalen Flughafen vor. Weiter sollen die beiden Häfen Quetzal und Santo Tomás de Castillo ausgebaut und konzessioniert werden. Die wichtigsten Strassenverbindungen sollen ausgebaut bzw. verbessert werden und endlich eine Umfahrungsstrasse für die Hauptstadt gebaut werden. Mit Ausnahme von zwei Strassenbauprojekten, die von der guatemaltekischen Regierung und der interamerikanischen Entwicklungsbank finanziert werden, sollen alle anderen Projekte durch privates, d.h. in erster Linie ausländisches Kapital finanziert werden. Das System zur Vereinheitlichung der elektrischen Energie heisst laut Plan Puebla Panamá SIEPAC (Sistema de Interconexión Eléctrica para los Paises de América Central). Mit diesem Netz soll die ganze Region verbunden und neu zu bauende Wasserkraftwerke angeschlossen werden. Der Reaktivierungsplan der guatemaltekischen Regierung sieht die Konzessionierung und Erweiterung verschiedener thermoelektrischer und geothermischer Anlagen vor, die Privatisierung kleinerer und grösserer Wasserkraftwerke sowie den Bau von neuen. Ein kritischer Punkt bei diesem Vorschlag der Regierung ist die Privatisierung staatlicher Unternehmen (Häfen, Flughäfen, Strassen etc.) durch den Verkauf oder die Konzessionsvergabe an Private. Damit verliert der Staat wichtige Einnahmequellen an die private, transnationale Initiative. Der Plan der Regierung sieht aber auch eine ganze Liste von Gesetzesrevisionen und neuen Gesetzen bis Ende 2003 vor, welche die legale Basis für die Umsetzung neoliberaler Politik und den Bau von Megaprojekten schaffen sollen. Auch im Landwirtschaftsbereich sind die im Plan zur wirtschaftlichen Reaktivierung vorgeschlagenen Projekte hervorragend kompatibel mit denjenigen des PPP.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass

1. dieser Reaktivierungsplan einen eindeutigen neoliberalen Anstrich hat und in Richtung Umsetzung des PPP und des ALCA deutet.

2. die makroökonomische Entwicklung für die Bevölkerung nicht automatisch und wunderbarerweise auch einen sozialen Fortschritt bedeutet.

3. eine Kritik des Plans zur wirtschaftlichen Reaktivierung nicht mit dem Mangel an Transparenz und einer falschen Prioritätensetzung simplifizert werden darf, sondern auf einer sozioökonomischen Analyse des neoliberalen Models basieren muss.

4. die Reaktivierung der Wirtschaft nicht allein aus einem makroökonomischen Blickwinkel betrachtet werden darf, sondern auch soziale Gerechtigkeit, den Respekt kultureller und biologischer Vielfalt und den nachhaltigen Schutz der Umwelt berücksichtigen muss. (Zentrum für partizipative Erziehung und Forschung, CIEP)

Die doppelte Moral des Handels Wenn wir einem Profi-Ringkämpfer der Schwergewichtsklasse einen Federgewichtler gegenüberstellen, der in seiner frühen Entwicklung an Unterernährung gelitten hat: wer wird Ihrer Meinung nach in diesem Kampf gewinnen? Wir können mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, dass der zweite nach zehn Minuten aus dem Ring ist, ohne Chance, in diesen zurückzukehren. Wenn wir zwei und zwei zusammenzählen, wissen wir, dass sowohl in einer Verhandlung, in einem Wettbewerb als auch in einer Konfrontation die Dinge gerechter verteilt sind, wenn die beteiligten Seiten die selben Regeln beachten und über ähnliche Qualifikationen und Möglichkeiten verfügen. Wenn dies nicht der Fall ist, wird das übliche passieren: der grosse Fisch frisst den kleinen bevor dieser es merkt. Deswegen kommt in mir ein gewisser Groll darüber auf, dass Guatemala sich ein Hemd anziehen will, das ihm noch viel zu gross ist, in dem es sich in Verhandlungen über bi- oder andere multilaterale Abkommen wie den Freihandelsvertrag (TLC) oder den Plan Puebla Panamá (PPP) begibt. Neben der Tatsache, dass sich solche Vereinbarungen immer als wesentlich vorteilhafter für unsere Nachbarn im Norden erweisen, haben wir noch nicht einmal das kleinste Forum geschaffen, um zu verhandeln; wir wollen freien Handel ohne über Nahrungsmittel, Dach über dem Kopf, Kleidung, qualifizierte Arbeitskräfte oder Bildung zu verfügen. Man müsste zuerst einen Blick nach Taiwan und Korea werfen, wo man zuerst die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbesserte und diese leistungstüchtig machte, bevor man sich in den Wettbewerb des internationalen Handels begab. (Wobei ich an dieser Stelle nicht über Lebensqualität reden will, dass hebe ich mir für einen anderen Artikel auf.) Man redet über freien Markt und freie Kommerzialisierung von Produkten, als ob für alle Länder dieselben Regeln gelten würden. Doch ausser in den vornehmen Plaudereien zwischen PolitikerInnen und UnternehmerInnen wissen wir doch alle, dass die armen Länder dazu verurteilt sind, von vornherein aus einer Position des Nachteils zu verhandeln, was den Auflagen jener Länder entspricht, die die Richtlinien bestimmen. Die Wege zur Vermarktung werden geöffnet, aber nicht zu allen Seiten in der gleichen Art und Weise. Es wird von Liberalisierung geredet, aber der Markt ist für einige Länder mehr geschlossen als für andere. Die Regeln müssen geändert werde, denn dieser doppelte Standard des Marktes ist pervers und hat zur Folge, dass, während einige mehr zu geringem Preis produzieren und ohne grössere Hindernisse vermarkten, andere alles, was sie haben, investieren, um Produkte zu erzeugen, die sie vielleicht gar nicht so vermarkten können, wie sie es geplant hatten. Wenn ein armes Land in ein reiches Land exportiert, sieht es sich Zollschranken gegenüber, die viermal schärfer sind, als jene für die reichen Länder in demselben. Vor etwas mehr als einem Monat habe ich den Bericht von OXFAM gelesen, der Teil ihrer Kampagne "Gerechter Handel" ist. In diesem habe ich einen Satz gefunden, der für mich hinsichtlich des Themas im vorliegenden Artikel sehr viel Sinn macht. "Wenn Afrika, der Osten und der Süden Asiens und Lateinamerika jeweils um ein Prozent hinsichtlich ihrer Beteiligung an den weltweiten Exporten wachsen würden, könnte das daraus resultierende Mehr 128 Millionen Menschen aus der Armut befreien." Wir wissen, dass in der jetzigen Zeit der Handel die zentrale Tätigkeit der Menschheit ist, aber wir haben auch feststellen können, dass dies eine Tätigkeit mit wenig klaren Regeln ist. Die Handelsbilanz der Welt hat sich ständig in Richtung der reichen Länder verschoben und eine verstärkte Verarmung in den armen Ländern ausgelöst. Die Ausrottung der Armut müsste aufhören, ein Diskurs zu sein, um sich in eine wahre Absicht zu verwandeln. Die internationalen Finanzorganismen sind Teil dieser ganzen Montage; es ist bekannt, dass die reichen Länder ihre Märkte schliessen, wie und wann sie wollen, aber den armen Ländern Bedingungen auferlegen, damit diese die ihren öffnen, wann die reichen es fordern. Die Tatsache, dass in den reichen Ländern keine Arbeitskräfte eingestellt werden, weil dies superteuer ist, soll auf der anderen Seite nicht heissen, dass man sich in den armen Ländern jämmerliche Arbeitsbedingungen aufzuerlegen hat und darüber hinaus auch noch dankbar sein muss für die Drecksarbeit, die aus dem Norden zu uns kommt. Eine weitere Facette desselben Falls ist die der Normen über die Patentrechte, welche den Ländern des Südens die Möglichkeit entziehen, an neue Technologien, Medikamente und Pflanzensamen zu kommen und diese auszutauschen. Es müsste viel mehr zugunsten eines gerechten Handels getan werden, der es unterlassen würde, die Welt in zwei so perverse Extreme zu teilen; es müsste uns allen wichtig sein, gut zu leben ohne dass andere schlecht leben. (Carolina Escobar Sarti)

III Foro Mesoamericáno gegen den Plan Puebla Panamá

Guatemala, 18. Juli. Über 1000 VertreterInnen von über 350 Volks- und sozialen Organisationen haben vom 16. bis 18. Juli in Managua über die Auswirkungen der Globalisierung, speziell der von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds geförderten Freihandelsabkommen, diskutiert. In der Schlusserklärung des III. Mesoamerikanischen Forums sprechen sich die TeilnehmerInnen klar gegen das kapitalistische System aus, das "jegliche Form von politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Organisation dominiert". Weiter heisst es in der Erklärung: "Wir wehren uns gegen die zunehmende Militarisierung Zentralamerikas und fordern den unverzüglichen Abzug US-amerikanischer Soldaten aus der Region." In Arbeitsgruppen bekräftigten die TeilnehmerInnen ihre Ablehnung des Freihandelsabkommen ALCA und des Plans Puebla Panamá. Solche Abkommen widersprächen einem nachhaltigen Entwicklungsmodell, verschärfen die Armut und führen in eine noch grössere Verschuldung. Das Treffen diente nebst dem Öffentlichmachen eines gemeinsamen Protestes auch dazu, sich über die spezifische Situation in den einzelnen Ländern auszutauschen und gemeinsame Widerstandsformen zu entwickeln. So wurde der 12. Oktober 2002 zu einem regionalen Aktionstag erklärt, an dem gegen den PPP und das ALCA demonstriert werden soll.

¡Fijáte!
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Erscheinungsweise vierzehntäglich.
Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht.

 Quelle:  
  http://www.guatemala.de/Fijate/Archiv/fij266.pdf 
 

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