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SIPAZ-Bericht Jahrgang XIII, Nr. 1 - Februar 2008

SIPAZ-News vom 17.03.2008
SIPAZ
übersetzt von Team-Arbeit (CAREA u.a.)

 

AKTUELL: Mexiko 2008: Stehen stürmische Zeiten bevor?
Straffreiheit und die Verantwortung der öffentlichen Institutionen im Fall Acteal
Aktivitäten von SIPAZ - Von Mitte Oktober 2007 bis Mitte Januar 2008

AKTUELL
Mexiko 2008: Stehen stürmische Zeiten bevor?


Das NAFTA Abkommen und sozialer Unmut

Die überwiegende Mehrheit der sozialen und zivilen Organisationen des Landes schätzt die Aussichten für das kommende Jahr als düster ein. Hervorzuheben sind der allgemeine Preisanstieg bei Rohstoffen, Treibstoff und Strom, sowie die möglichen Folgen eines Artikels des von Mexiko, den USA und Kanada 1994 unterzeichneten Freihandelsvertrags (NAFTA), der die völlige Öffnung des Agrarsektors vorsieht.

Dieser Artikel ist am ersten Januar 2008 in Kraft getreten und erlaubt den steuerfreien Import von Grundnahrungsmitteln wie Bohnen und Mais, sowie von Milchprodukten und zur Herstellung von Öl geeigneten Pflanzen. Trotz Protesten von Bauern Ende 2007 weigerte sich die Regierung diesen Punkt neu zu verhandeln. Der landwirtschaftliche Sektor in Mexiko, die Opposition und verschiedene Akademiker haben darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaft Mexikos nicht darauf vorbereitet ist, in einen Preis —und Mengenwettbewerb mit den großen US Produzenten zu treten, besonders wenn man den Unterschied in der Höhe der Subventionen diesseits und jenseits der Grenze mit in Betracht zieht. Laut dem Vorsitzenden der Nationalen Bauernkonföderation CNC (Confederación Nacional Campesina), Cruz López Aguilar, sind mindestens 1,4 Millionen Produzenten von Mais, Bohnen und Milch aufgrund der völligen Öffnung für Importe in ihrer Existenz gefährdet.

Foro Social Mundial 2008Im Unterschied zu den Organisationen der Bauern, zieht das Landwirtschaftsministerium Sagarpa (Secretaría de Agricultura, Ganadería, Desarrollo Rural, Pesca y Alimentación) ein positives Fazit des NAFTA: "Auch wenn das NAFTA für die mexikanischen Produzenten mehr Wettbewerb bedeutet, hat es ihnen auch zahlreiche neue Möglichkeiten beschert, indem es ihnen den Zugang zu einem regionalen Markt von 430 Millionen Personen eröffnet hat".

Es wird versichert, dass die Bedingungen für eine Öffnung des Handels gegeben sind, da es "einen schrittweisen Prozess der Verbesserung gegeben hat" und 2007 die Zölle bereits zu 90% beseitigt waren, sodass für 2008 "keine größere Veränderung ihrer Situation auf dem Markt zu erwarten ist, vor allem da man in den nächsten Monaten hohe Preise erwartet". Und fügte dann noch hinzu, dass mit der völligen Öffnung des NAFTA "Bauern, die Subsistenzwirtschaft betreiben, keine negativen Auswirkungen befürchten müssen, da sie mit ihren Produkten keine Marktteilnehmer sind und daher ganz im Gegenteil vom günstigeren Zugang zu Gütern und Dienstleistungen profitieren werden."

In einer 2007 angelaufenen Kampagne unter dem Motto "Ohne Mais stirbt das Land, ohne Bohnen ebenfalls" (Sin maíz no hay país, sin frijol tampoco)haben sich Bauern und andere Hersteller organisiert. Im Januar gaben rund 20 mexikanische Organisationen bekannt, dass sie sich zur Nationalen Front zur Verteidigung der Mexikanischen Landwirtschaft (Frente Nacional en Defensa del Campo Mexicano) zusammenschließen, um die Regierung, in der durch die Öffnung des Handels entstandenen Krisensituation, zum Handeln aufzufordern. Sie rufen zu einer großen Demonstration am kommenden 31 Januar auf, an der sich auch soziale Bewegungen und Gewerkschaften beteiligen werden.

Die Reaktion der Bundesregierung: hartes Durchgreifen und zunehmende Militarisierung

Während der gesellschaftliche Druck wächst, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Regierung von Felipe Calderón dazu neigt hart durchzugreifen und dass das Land zunehmend einem Prozess der Militarisierung unterworfen ist. Diese Tendenz hat sich, durch die jüngste Ankündigung neuer Formen der Zusammenarbeit zwischen den USA und Mexiko, unter dem Vorwand des Kampfes gegen den "Drogenhandel und den Terrorismus", weiter verstärkt.

In ihrem Projekt Allianz für Sicherheit und Wohlstand in Nordamerika (Alianza para la Seguridad y Prosperidad de América del Norte, ASPAN. Beginn: 2005) sind Mexiko, die USA und Kanada 2007 weiter fortgeschritten. Das ASPAN präsentiert sich als eine Erweiterung des Freihandelsvertrags, weil es neben den bereits enthaltenen Aspekten Entwicklung und Handel auch noch den Aspekt Sicherheit mit aufnimmt.

Gleichzeitig sind die Regierungen der USA und Mexikos kurz davor ein weiteres Abkommen zu schließen, das darauf zielt, den Drogenhandel und das organisierte Verbrechen in Mexiko zu bekämpfen. Diese Idee hatte sich mit dem Besuch Präsident George W. Bushs in der mexikanischen Stadt Merida verfestigt. Wegen der Ähnlichkeit mit dem so genannten Plan Kolumbien (Plan Colombia) (eine seit fast einem Jahrzehnt laufende politische Strategie, die auch die Zahlung von 4,3 Milliarden Dollar an die kolumbianische Regierung beinhaltet hat, wovon 76% an das Militär geflossen sind) ist diese neue Initiative als Plan Mexiko (Plan México) bekannt geworden (der offizielle Name Initiative von Mérida (Initiaiva Mérida) ist weniger gebräuchlich).

Die Regierung Bush hat sich vorgenommen, vom Kongress die Zustimmung für ein 1,4 Milliarden Dollar schweres Paket zu erhalten, welches in den folgenden 3 Jahren ausgezahlt werden soll (somit würde es die neue Regierung nach den US Wahlen 2008 belasten). Dieses Paket wurde dem Kongress als "Notfinanzierung für den kritischen Bedarf der nationalen Sicherheit" vorgelegt. Hervorgehoben wird, die "entscheidende Unterstützung unserer Partner in Mexiko und Zentralamerika, die daran arbeiten, die Drogenkartelle zu besiegen, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen und den Menschenhandel zu unterbinden. All das sind dringende Prioritäten der Vereinigten Staaten und der Kongress muss sie schnellstmöglich finanzieren". Man sollte daran denken, dass in Verbindung mit der organisierten Kriminalität 2007 mehr als 2000 Tote in Mexiko registriert wurden und dass die Vereinigten Staaten eine sich über 3000 Kilometer erstreckende Grenze mit diesem Land haben.

Mit den ersten Zahlungen sollen militärische Ausrüstung, Kommunikations- und Überwachungstechnologie, sowie verschiedene Schulungen für mexikanische Soldaten und Funktionäre bezahlt werden. Fürs erste ist keine Anwesenheit nordamerikanischer Truppen in Mexiko vorgesehen.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen auf beiden Seiten der Grenzen haben unter anderem darauf hingewiesen, dass mehr als 40% der 500 Millionen Dollar, die im ersten Jahr ausgezahlt werden, an das Militär gehen, trotz gravierender Anschuldigungen von Menschenrechtsvergehen gegen das mexikanische Militär, das für die nationale Sicherheit eingesetzt wird. Im Oktober hat Human Rights Watch (HRW) erklärt, der Kongress der USA müsste sich gegen die Unterstützung des Antidrogenkampfes in Mexiko stellen, zumindest wenn dieser nicht an die klare Bedingung geknüpft ist, Vergehen durch die mexikanischen Sicherheitskräfte zu stoppen. Der Direktor der Sektion der Amerikas, José Miguel Vivanco, bestätigte: "Mexiko bei der Bekämpfung der brutalen Drogenkartelle zu unterstützen, ist eine gute Idee. Aber den für Vergehen bekannten Sicherheitskräften dieses Landes ein Blankoscheck auszustellen, ist es nicht".

Andere Experten betonen die Tatsache, dass es keine Garantie gibt, bessere Ergebnisse im Kampf gegen den Drogenhandel zu erzielen, wo doch die großen militärischen Operationen, die Felipe Calderón zu Beginn seiner sechsjährigen Amtszeit angestoßen hat, bis heute nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht haben. Von mexikanischer Seite wird auch darauf hingewiesen, dass die Tatsache, das Washington den Antidrogenkampf und den Kampf gegen das Verbrechen auf mexikanischem Territorium als "kritische Notwendigkeit" für ihre nationale Sicherheit betrachten, eine Einmischung darstellt. Zudem ist der Verweis auf das Thema "Menschenhandel" nicht eindeutig, man könnte Migranten aus zentral und Südamerika und sogar aus Mexiko verfolgen, die versuchen die Süd —und die Nordgrenze Mexikos zu überschreiten.

Im Rahmen des ersten Treffens zur Zusammenarbeit der Gouverneure der süd-südwestlichen Region im Oktober, das in Villahermosa, Tabasco stattfand, schien dem Faktor "Sicherheit" eine größere Bedeutung zuzukommen als dem Thema Entwicklung. Während eines Treffens der neun Gouverneure aus dem süd-südwestlichen Mexiko sagte Felipe Calderón, er würde dem Plan Puebla Panama einen "neuen Impuls" geben und bat diesen, in einen "integralen Plan zur Entwicklung Mesoamerikas" zu verwandeln. Nichtsdestotrotz betonte er vor allem die Verstärkung der südlichen Grenze, da sich die Fähigkeit des Staates sie zu kontrollieren "aufgelöst" habe.

Fortschritt in Menschenrechtsfragen kann nicht erwartet werden

Trotz der von der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) der Organisation Amerikanischer Staaten OEA (Organización de los Estados Americanos) wie auch einiger weiterer nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen, scheint die Zustimmung für eine von der Exekutive vorgeschlagenen Änderung des Strafrechts unmittelbar bevorzustehen.

Fragwürdig ist, dass sie sich gegen die Unschuldsvermutung und das Recht auf einen fairen Prozess (debido proceso) stellt. Sie würde der Generalstaatsanwaltschaft sowie jeder Polizeieinheit das Abhören von Telefongesprächen und Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss erlauben. Darüber hinaus wären Festnahmen ohne Haftbefehl möglich, wenn der Verdacht besteht, das es eine Verbindung zum organisierten Verbrechen gibt oder wenn man auf frischer Tat ertappt wird.

Der Präsident der Nationalen Menschenrechtskommission CNDH (Comisión Nacional de Derechos Humanos), José Luis Soberanes, bestätigte im Dezember, dass die Reformen des Rechts "einen Rückschritt beim Thema Menschenrechte darstellen, weil sich rechtswidrige Handlungen nicht bekämpfen lassen, indem man die elementarsten Rechte mit den Füßen tritt".

Auch wenn die Reform noch nicht umgesetzt ist, warnen verschiedene Menschenrechtsorganisationen vor dem Risiko, der Kriminalisierung sozialer Proteste einen legalen Rahmen zu geben. Angeprangert und beklagt wurden in den vergangenen Monaten im Besonderen das Thema der Gefangenen und allgemeiner das Thema der Repression. So hat sich z.B. am 1. November die "Nationale Front gegen Repression" (Frente Nacional Contra la Represión), die aus verschiedenen Organisationen und Bewegungen besteht, vor dem Innenministerium SEGOB (Secretaría de Gobernación) versammelt und verlangt, dass sämtliche "politischen Gefangenen" im Lande auf freien Fuß gesetzt werden, dass die Verschwundenen präsentiert werden, dass die Folter abgeschafft wird, dass es ein Ende der sexuellen Gewalt und der Vergewaltigung von Frauen gibt und dass die Haftbefehle gegen Träger des sozialen Protests annulliert werden und die Verfolgung eingestellt wird.

Im November hat das "Solidarische Netzwerk Dekade gegen die Straffreiheit" (Red Solidaria Década Contra la Impunidad) einen Bericht mit dem Titel "Die Situation der politischen Gefangenen in Mexiko" vorgelegt, indem sie die Zahl von 500 politischen Gefangenen nennt, wobei sie zugeben, dass es schwierig ist, die genau Anzahl zu benennen, da es kaum Dokumente gibt und auch die Bedingungen, unter denen ihre Prozesse geführt werden, wenig hilfreich sind.

Die Freilassung des indigenen Diego Méndez Arcos (er wurde 2006 verhaftet, da man annahm, er hätte etwas mit den Morden von Viejo Velazco zu tun) ist ein Beispiel von Willkür, genau wie es seine Verhaftung auch war.

Durch die Drohungen gegen und die Ermordung von Berichterstattern setzt sich Mexiko an die "Spitze bei der Einschränkung der Meinungsfreiheit"(so Amerigo Incalcaterra, Repräsentant der Kommission für Menschenrechte der Vereinten Nationen).

Laut der "Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit", die von Reporter ohne Grenzen (ROG) im Oktober herausgegeben wurde, ist Mexiko weiter das gefährlichste Land für Journalisten auf dem amerikanischen Kontinent. Von 169 untersuchten Nationen kam es auf Platz 136. Wie Benoit Hervieu, der Verantwortliche für den Bereich Amerika bei ROG, unterstreicht: "Seit einem Jahr fällt die mexikanische Regierung im Bereich Pressefreiheit zurück, das hat sie während der Krise in Oaxaca deutlich gemacht". Er betonte, dass sich in diesem Rückschritt für die Presse, der fehlende Wille des Staates in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen zeigt.

Im Januar verkündete die Nationale Kommission für Menschenrechte CNDH (Comisión Nacional de Derechos Humanos), sie habe 2007 84 Beschwerden wegen der Verletzung von Journalisten bei ihrer Arbeit individuell garantierten Rechten eingereicht. Sie prangerten an, dass solche Fälle sich mehren und gewalttätiger werden. Die jüngste Entlassung der Journalistin Carmen Aritegui, die das Nachrichtenprogramm "Hoy por hoy" bei W Radio leitete, führte ebenfalls dazu, den Stand der Meinungsfreiheit im Land zu hinterfragen.

Ein Fall, über den viel geschrieben wurde, ist der Fall der Journalistin Lidia Cacho. Ende November hat der Oberste Gerichtshof SCJN (Suprema Corte de Justicia de la Nación) alles aus dem Urteil gestrichen, was mit sexuellem Missbrauch und den Netzwerken von Päderasten und Kinderpornografie zu tun hat, da sie der Meinung sind, dass dies nichts mit der Klage zu tun hat, die der Gouverneur von Puebla, Mario Marín, gegen sie erhoben hat. Die Nationale Front gegen die Repression FNCR (Frente Nacional contra la Represión), betrachtet den Unwillen der Richter des SCJN bei diesem Thema mit Sorge, besonders im Hinblick auf die Sitzungen, wo die Konflikte von Oaxaca und San Salvador Atenco behandelt werden sollen. Die hohe Kommissarin der Kommission für Menschenrechte der Vereinten Nationen hat über ihren Repräsentanten in Mexiko verlautbaren lassen: "Es wäre möglich gewesen, diese Prinzipien, die das Land bereits ratifiziert hat, zu stärken".

CHIAPAS: Neupositionierung der Zapatisten angesichts der Aggressionen

Im Rahmen seiner letzten Verlautbarung "Das Rot fühlen; der Kalender und die Geographie des Krieges" verdeutlichte Subcomandante Marcos seine Rolle als militärischer Anführer der EZLN, welche seiner Aussage nach "eine Armee ist, eine andersartige zwar, aber dennoch eine Armee" und erklärte, dass "dieses das letzte Mal sei, zumindest für eine geraume Zeit, dass wir zu derartigen Aktivitäten ausziehen und beziehe mich dabei auf das Kolloquium, auf Zusammenkünfte, Runde Tische, Konferenzen als auch, selbstverständlich, Interviews."

Diese Entscheidung drängt sich, so Marcos weiter, in Anbetracht der neuen Welle von Aggressionen auf, welche "erstmalig unverhohlen von Regierungen der vermeintlichen Linken ausgeht, oder jenen, die sich ungeniert an der Hilfe der institutionellen Linken vergehen und es ist das erste Mal seit jenem Morgengrauen im Januar des Jahres 1994, dass die Antwort auf sozialer, nationaler und internationaler Ebene quasi ohne Bedeutung oder schlicht nicht vorhanden war." Darüber hinaus warnte er: "Wir werden versuchen, den zivilen und friedlichen Ansatz, den die Andere Kampagne noch immer darstellt, weiter auszubauen und gleichzeitig darauf vorbereitet zu sein, der Wiederbelebung der gegen uns gerichteten Aggressionen zu widerstehen, ob sie nun von Militär, Polizei oder Paramilitärs ausgehen. Wir, die wir den Krieg erschaffen haben, erkennen den Weg wieder, auf dem er sich nähert und ankündigt. Die Anzeichen des Krieges am Horizont sind klar. Der Krieg, ebenso wie die Angst, stinkt. Und es fängt bereits an, dass man seinen stinkenden Geruch über unserem Lande riechen kann." Ein auf diesem Kolloquium unterzeichnetes Dokument verleiht diesem Aufruf Nachhall: "es darf auf mexikanischem Boden nicht zu einem neuen Acteal kommen. Man kann dem Volk nicht untersagen, sich der Gewalt mit Gewalt zu erwehren.

Aus dem selben Grund hatte die EZLN bereits im September 2007 den Abbruch ihres mit der Otra Campaña (Andere Kampagne) begonnenen friedlichen Marsches durch Mexiko verkündet, um sich verstärkt auf Aktionen zur Verteidigung der Gemeinden konzentrieren zu können. Schon im Vorfeld hatte sie vermehrt Angriffe auf ihre Unterstützungsbasen durch die priistische OPDDIC (Organisation zur Verteidigung der Rechte der Indigenen und Bauern) beklagt. In einem zunehmend offener zu Tage tretenden Streit über die Territorien haben sich die Vorfälle dabei immer weiter vom Norden des Bundesstaates, wie der Fall von Bolon Ajaw im November in der autonomen Gemeinde Región de la Montaña (amtlich als Tumbalá bezeichnet) in der Nähe der bei Touristen beliebten Wasserfälle von Agua Azul, über die von den Tzeltal bewohnte Region Chilón im Gebiet von las Cañadas, in Richtung von los Altos (Hochland) de Chiapas ausgebreitet, wo es schließlich im Oktober zu Todesdrohungen gegen den Autonomen Rat der Gemeinde von San Andrés Sakam’chen de los Pobres kam.

Aus den Reihen der Anhänger der Anderen Kampgane, welche im November als Karawane Teile des Bundesstaates durchzogen, wurde die Anklage laut, dass "die Regierung Mexikos als auch die der einzelnen Bundesstaaten mittels der Agrarinstitutionen und ausgeführt durch die mexikanische Bundesarmee und die Organe der öffentlichen Sicherheit auf ihren drei Verwaltungsebenen, eine Strategie der Aufstandsbekämpfung gegen die zapatistischen Unterstützungsbasen und ihre autonomen Behörden fahre und dabei insbesondere jenen indigenen Organisationen die Landrechte übertrage, welche gegen die Ideen der Zapatisten gerichtet sind. In verschiedenen Fällen handelte es sich dabei auch um bewaffnete Organisationen, vor allem die Organisation für die Verteidigung der Rechte der Indigenen und Bauern (OPDDIC) oder die Regionale Indigene Bauernunion (URCI). Diese Organisationen besetzen die durch die EZLN im Jahr 1994 zurückgewonnenen Ländereien und, mittels der landwirtschaftlichen Instanzen, besiegeln sie den gesetzlichen Landraub.

Bewaffnete Gruppen: Berichte

Im Oktober drohte die Revolutionäre Volksarmee (EPR — Ejército Popular Revolucionario) mit der Verschärfung ihrer "Kampagne der nationalen Beunruhigung", sollte die Regierung sich nicht bereit erklären, die zwischen Mai und Oktober 2007 "verschwundenen" Kämpfer der EPR lebendig zu präsentieren. Sie erklärten weiterhin, dass sie niemals darum gebeten haben, mit der Bundesregierung in Dialog zu treten, sondern dass dies im September von Seiten verschiedener Senatoren vorgeschlagen wurde. Im Dezember verkündete die EPR den Neubeginn der Feindseligkeiten gegen die Regierung von Felipe Calderón. Im Januar deutete sie an, sie werde über die von ihr verübten militärischen Attacken berichten. Ebenfalls warnte sie die in den Gesetzgebungsprozess der Justizreform Eingebundenen: "Jene Mitglieder der Kammer der Abgeordneten als auch der Senatoren, von welcher Partei auch immer sie seien mögen, die der von Calderón vorgeschlagenen, den Protest, den sozialen Kampf und Akte der sozialen Selbstverteidigung kriminalisierenden Justizreform zustimmen, werden die Verantwortung übernehmen müssen für die durch ihre Handlung ausgelösten Konsequenzen."

Von ihrer Seite aus warnte die Revolutionäre Bewegung Lucio Cabañas, eine der Guerrilla-Gruppen, welche im Jahr 2006 Sprengsätze in den Niederlassungen des Wahltribunals, der PRI als auch einigen Banken in Mexiko Stadt deponierte, dass die durch die mexikanische Regierung ratifizierte Initiative Mérida mit USA von den Massenbewegungen und den revolutionären Gruppen zurückgewiesen werde.

Überschwemmungen in Tabasco und dem Norden des Staates Chiapas

Ende Oktober wurde in nationalen und internationalen Medien eine Katastrophe von ungeheurem Ausmaß bekannt: starke Regenfälle verwüsteten den Staat Tabasco und den Norden des Nachbarstaates Chiapas; bei den dadurch ausgelösten Überschwemmungen kamen circa 1 Million Menschen in 16 der 17 Munizipien Tabascos zu Schaden ebenso wie ihre Unterkünfte, die Ernten als auch ihre Viehbestände. Den tabaskischen Autoritäten zu folge beläuft sich die Zahl der am schwersten Geschädigten auf circa 400.000 Menschen. Mindestens 90% der Landeshauptstadt Villahermosa lagen unter Wasser.

Weit weniger mediale Aufmerksamkeit fanden die Regenfälle im Norden Chiapas’, wo sie dazu führten, dass der Staudamm der Presa Peñitas nicht länger standhielt und durch die derart erhöhte Durchflussmenge der Río Grijalva große Teile des tabaskischen Tieflandes überschwemmte. 22 Bezirken im Norden von Chiapas wurden zum Katastrophengebiet erklärt und man rechnet mit mehr als 75 Tausend Geschädigten.

Noch weniger Beachtung in den Massenmedien fanden Aussagen, welche dem Staat die Verantwortung für das Desaster zuschoben, insbesondere in Anbetracht seiner Vermeidbarkeit. So sagte unter anderem Jorge Escandón, Verantwortlicher für Energie und Klimawandel bei Greenpeace: "Wenn man, wie im Falle Tabascos, bereits 1999 eine Überschwemmungen von großem Ausmaß hat und keine geeigneten Maßahmen ergreift, nicht um das Ereignis unter Kontrolle zu bringen, aber sehr wohl für eine effizientere Antwort von Seiten der Regierung, dann ist das der Punkt, wo wir das als eine politische Fahrlässigkeit ausmachen."

SCHWERPUNKT Straffreiheit und Verantwortung der öffentlichen Behörden im Fall Acteal

"Die Ermordung 46 wehrloser Zivilisten im Dezember 1997 in Acteal durch eine Gruppe schwerstbewaffneter Personen ist zweifellos der schwerwiegendste und dramatischste Vorfall im Rahmen des in Chiapas angehenden Konfliktes. Die CNDH [Nationale Kommision der Menschenrechte] gibt die Verantwortung aufgrund von Kommision und Unterlassung diverser Funktionäre der Regierung des Staates". [Bericht des Sonderbeauftragten über die Situation der Menschenrechte und der fundamentalen Freiheiten der Indianer, Rodolfo Stavenhagen, E/CN.4/2004/80/Add.2, 23/12/2003]

"Der Staat leugnet, daß die hier zu untersuchenden Vorfälle Teil einer staatlich organisierten Strategie sind (... ) Die öffentliche Haltung der föderalen und staatlichen Regierung ist das Leugnen der Existens von " Paramilitärs ". [Abgeschlossener Bericht des mexikanischen Staates an die " Comisión Interamericana de Derechos Humanos (CIDH) " innerhalb des Verfahrengesuches 2-12-05, 2006]

Man versuchte " die Wahrheit zu vertuschen und weißzumachen, daß der Staat nichts mit dem Massaker zu tun hatte, aber wir sagten ihnen, daß das, was in Acteal passierte, ein Produkt eines politischen Konfliktes war, welcher von oberster Stufe der föderalen Regierung des Ernesto Zedillo und der staatlichen des Juli César Ruiz Ferro kreiert wurde". [Bekanntmachung der Organisation "Sociedad Civil Las Abejas", 22. Oktober 2007]

Am 22. Dezember 1997 vollzog sich in Acteal, in der Gemeinde Chenalhó, Hochland, Altos de Chiapas, ein Massaker, bei dem 45 Tsotsiles − Indianer, die der Organisation " Sociedad Civil Las Abejas " angehörten, ihr Leben verloren, ermordet von einer Gruppe ziviler Bewaffneter, während sie in der kleinen Kirche der Gemeinde um den Frieden beteten. In ihrer Bekanntmachung vom 22. November 2007 klagten die Abejas, daß sie " seit 10 Jahren Gerechtigkeit fordern und die Antwort darauf immer dieselbe gewesen ist: sämtliche Behörden sagten, daß sie den Fall " gründlichst und ernsthaftig untersuchen werden" und dabei Sorge und Entrüstung im Bezug auf die Vorfälle heuchelten".

Neben ihrer ""Campaña contra la Impunidad: 10 y 15" ("Kampagne gegen die Straffreiheit: 10 und 15 "), bezüglich der 10 Jahre des Massakers und der 15 Jahre ihres organisierten Kampfes, stellten die Abejas eine weit größere Kampfansage: "Niemand wird unsere Kampagne gegen die Straffreiheit aufhalten können, da unser Kampf nicht nur Acteal gewidmet ist, sondern all den Massakern und Repressionen gegen unsere Völker Mexikos. Wir werden nicht ruhen, bis letztendlich die Gerechtigkeit Einzug erhält, gegen wen es auch sei und ohne Diskriminierungen" (Bekanntmachung vom 22. Oktober 2007)

Vorboten eines " angekündigten Massakers " oder die erste Stufe der Versäumnis?

Die Organisation "Zivilgesellschaft, Sociedad Civil Las Abejas" wurde 1992 im Bezirk Chenalhó (Hochland von Chiapas) als pazifistische Organisation gegründet im Kampft für die Rechte der Indianer und der friedlichen Lösung der lokalen Konflikte (siehe Artikel "El vuelo de las Abejas sigue", April 1998, SIPAZ − Bericht des Jahres 2003, nº2). Auch wenn ihre fundamentalen Forderungen dieselben der EZLN sind (Ejército Zapatista de Liberación Nacional), stellen sie sich gegen den Gebrauch von Waffen. Sie nahmen an den "cinturones de paz" ( Friedensgürtel ) während des Verhandlungsprozesses zwischen den Zapatisten und der Bundesegierung im nahegelegenen Dorf San Andrés Larrainzar teil, wie auch bei anderen Aktivitäten, zu denen die EZLN die Gruppen und Organisationen der Zivilgesellschaft eingeladen hatte. Vielleicht machte sie diese Nähe zu den zapatistischen Positionen neben dem Fakt, eben keine Waffen zu haben und auch nicht zu wollen, verwundbar im Angesicht der Konfliktivität, welche im Laufe des Jahres 1997 im Bezirk Chenalhó am Wachsen war.

Man kann die Erwähnung des Kontextes, welcher im Staate im Moment des Massakers vorherrschte, nicht umgehen und diesen Vorfall behandeln, als wäre es ein Einzelfall gewesen. Seit 1995 und während sich den entwickelnden Gesprächen in San Andrés, fingen die EZLN wie auch verschiedene Organisationen der Zivilgesellschaft an, die parallele Applikation seitens des Staates im Bezug auf eine Strategie der Aufstandsbekaempfung in der nördlichen Zone Chiapas anzuklagen (mit der Unterstuetzung und dem Schutze der Gruppe "Paz y Justicia", welches eine Vertreibung von tausenden von Personen wie auch hunderte Enführungen und Morde zur Folge hatte. Monate später wurde diese Strategie in den Zonen um Altos und Selva angewandt, welche kontinuierlich die Charakteristik eines " Krieges niederer Intensitaet" ("guerra de baja intensidad") aufwies. Die Regierung schien auf die Möglichkeit zu setzen, daß die EZLN mit Hilfe eines andauernden, aufreibenden Krieges mit einem Verschleiß auf politischer, militärischer, wirtschaftlicher, rechtlicher und informativer Ebene, die lokale Unterstützung, aus der sie großen Nutzen zog, verlieren würde.

Im Laufe des Jahres 1997 entfesselte sich eine Welle der Gewalt in ganz Chiapas. Aufgrund dieser Vorkommnisse rief eine Gruppe von zivilen nationalen und internationalen Organisationen, bei der auch SIPAZ teilnahm, die "Nationale und Internationale zivile Mission zur Beobachtung fuer Frieden in Chiapas, Misión Civil Nacional e Internacional de Observación para la Paz en Chiapas" ins Leben mit dem Ziel, die Menschenrechtsverletzungen und ihre Auswirkungen auf den Friedensprozeß zu dokumentieren.

In Chenalhó waren die Konditionen im Bereich Gesundheit, Kleidung, Obdach und Ernährung der mittlerer Weile tausenden von Vertriebenen kritisch. Die Mission erhielt Augenzeugenberichte, die von bewaffneten Leuten und ihren kontinuierlichen Angriffen auf die zapatistischen Gemeinden oder auf die der Abejas sprachen, welche sich dem Kauf von ( mehr Waffen ) verweigerten. Der Terror, der diese Angriffe verbreitete, zwang die Menschen zur Flucht in die Berge, all ihre Habseligkeiten für immer zurücklassend. Zur gleichen Zeit veröffentlichte der Journalist Ricardo Rocha eine Reportage in Televisa, einer der Sender mit der höchsten Zuschauerquote des Landes, die die Umstände, in denen sich die Vertriebenen von Chenalhó befanden, bezeugte.

Andererseits bezogen sich Las Abejas in ihrer Bekanntmachung vom 22. Oktober 2007 auf die zusammengetragenen Berichte von der "Misión de Observación" wie auch der Reportage von Rocha: "...vor dem Massaker kamen die sogenannten "Selbstverteidigungsgruppen, Grupos de Autodefensa" (sie beziehen sich auf den ARTICULISTA ) bewaffnet auf Lastwagen in die Comunidades und zwar in Begleitung von Lastwagen der " Policía de Seguridad Pública del Estado"...". Dies zeigt offensichtlich eine andere Art der Verantwortung seitens der staatlichen Behörden im vorrangehenden Kontext des Massakers.

Am 18. Oktober 1997 hatte Raúl Vera, damaliger Bischof von San Cristóbal, im Bezug auf bundesebene einen Brief an den Regierungsminister Emilio Chuayffet geschickt, in dem er auf das vorherrschende "Gewaltambiente" im Gebiet aufmerksam macht.

Nach dem Massaker gab Chuayffet zu, diesen Brief erhalten zu haben, kommentierte aber, daß " diejenigen, die derartige Dinge tun, zwei Vorteile auf ihrer Seite haben: den Überraschungsmoment und die Heimlichkeit. Es ist sehr schwierig, praktisch unmöglich, diese Art von Gewalttaten in der Welt zu verhindern, allein darauf basierend, daß man im Vorfeld darüber informiert wird".

Chronik des Massakers und Verantwortung der öffentlichen Behörden: gefundene Versionen.

Am 22. Dezember 1997 war eine Gruppe der Abejas in der Kirche von Acteal versammelt. Sie beteten für den Frieden in ihrer Gemeinde und für die Vertriebenen, deren Anzahl täglich stieg, sei es wegen ihrer Unterstützung der EZLN oder wegen der Weigerung, deren Gegner zu unterstützen. Die Angreifer fingen an, mit großkalibrigen Waffen das Feuer zu eröffnen und verfolgten diejenigen, die zu fliehen versuchten. Sie verstümmelten mehrere Körper mit Stichwaffen und schlitzten die Bäuche 4 schwangerer Frauen auf. In dieser Greueltat, die mehr als 5 Stunden dauerte, ermordeten sie 9 Männer, 21 Frauen (4 von diesen waren schwanger) und 15 Kinder.

Zeugen, denen es gelang zu fliehen, benachrichtigten Gonzalo Ituarte, den damaligen Kaplan der Diözese San Cristóbal de las Casa, eine Stunde nach dem Beginn des Massakers. Dieser informierte sofort den Staatssekrätar, Homero Tovilla Cristiani, welcher ihm einige Stunden danach berichtete, daß alles unter Kontrolle wäre. Selbst wenn ihre Präsenz nur ungefähr 200 Meter entfernt vom Massaker war, griff die "Polizei, Seguridad Pública" nicht ein und selbst dann nicht, als sie von Nachbarn über das Geschehen informiert wurden.

Der damalige Regierungsminister, Emilio Chuayffet, verneinte, daß die Verantwortung basierend auf Aktion oder Omission bei der Bundesregierung liege aufgrund von Aktion oder Omision. Am 23. Dezember verurteilte der Präsident Zedillo den Angriff und verkündete, daß die Bundesregierung die diesbezügliche Untersuchung leiten würde. Einige Tage nach dem Massenmord, verhaftete man ungefähr 40 vermutliche Angreifer. Auch Jacinto Arias Cruz, der Buergermeister von Chenalhó wurde verhaftet und angeklagt, der Drahtzieher des Massakers zu sein. Ende Dezember schickte man 5000 zusätzliche Soldaten nach Chiapas ( 2000 davon in den Bezirk Chenalhó). Die Anzahl der Vertriebenen stieg deutlich auf ungefähr 10000 Personen. Zu Beginn 1998 wurden der Gouverneur von Chiapas, Julio César Ruiz Ferro und der Innenminister, Secretario de Gobernación, Emilio Chuayffet, ihres Amtes enthoben.

Die Untersuchungen nahmen ihren Lauf. Sich auf die Gründe des Konfliktes beziehend, schlußfolgerte der damalige Generalstaatsanwalt, Jorge Madrazo Cuéllar, daß "das Morden aufgrund von zwischengemeinschaftlicher und familiärer Konflikte geschehen war". Bei der Veröffentlichung des Berichtes erwähnte er auch, daß "wenn das mexikanische Militär am 22. Dezember 1997 präsent gewesen wäre, es nie zu diesen Vorkommnissen gekommen wäre".

Außerdem bemerkte der Präsident der COCOPA (Comisión de Concordia y Pacificación, gesetzliche Instanz der " Coadyuvancia " im Rahmen des Dialoges zwischen der EZLN und der Bundesregierung ), Carlos Payán Velver, von Anfang an, daß der "höchste Grad der Verantwortung" des Massakers bei dem Präsidenten der Republik und dem Gouverneur von Chiapas liege.

Die Jahre vergingen. Die offizielle Version des Massakers, als Resultat zwischengemeinschaftlicher Konflikte, wurde kürzlich von der mexikanischen Zeitschrift Nexos durch zwei von Héctor Aguilar Camín Ende 2007 veröffentlichten Artikeln verworfen. Im roten Faden der dargelegten Thesis im Buch "Libro Blanco" erklärt der Autor, daß aufgrund der zapatistischen Gewalt und den gefesselten Händen der Sicherheitskräfte (durch das Dialoggesetz, welches während der Verhandlungen militärische Aktionen gegen die EZLN verbot ), sich diverse Gruppierungen spontaner Weise bewaffnet hätten und zuvor aus ihrer defensiven Haltung sich für ein offensives Vorgehen entschlossen hätten. Er leitet von dieser Thesis ab, daß sich der Staat zwischen den Stühlen befand und unfähig war zu handeln.

In letzten Bericht des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas über die Verantwortung des mexikanischen Staates im Massaker von Acteal (22/12/2007) wird dagegen die Beabsichtigung und den Vorbehalt der Bundesregierung in diesem Fall verurteilt. Es wird behauptet, daß Acteal eine "ideale Rechtfertigung für Ernesto Zedillo, den damaligen Präsidenten und obersten Befehlshaber der Streitkräfte, die Instalation von Militärbasen in Chenalhó anzuordern und damit mit dem "Plan dr Aufstandbekaempfung voran zu kommen".

Das "Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas" und andere Menschenrechtsorganisationen berichten, daß die Untersuchungen des Massakers von Acteal Gefängnisstrafen für mehr als 70 Personen, die angeklagt werden, direkt mit dem Angriff in Verbindung zu stehen, gesorgt haben. Sie wurden zu Strafen zwischen 25 und 40 Jahren verurteilt. Sie erhielten Gefängnisstrafen zwischen 25 und 40 Jahren wegen nachweislicher Morde, gefährlicher Körperverletzung, unerlaubtem Waffenbesitz, und dem Mitführen von Waffen, welche ausschließlich nur von der Armee benutzt werden dürfen. Der Prozess gegen den Anklagepunkt der "kriminellen Vereinigung" wurde nicht fortgesetzt. 27 Haftbefehle gegen indianische Zivilisten verbleiben offen.

Viele dieser Strafen sind dabei ungesühnt zu bleiben und im Begriff angefechtet zu werden. Die Verantwortlichen der Verteidigung der Inhaftierten plädieren darauf, daß sie (ihre Mandanten) aufgrund von widersprüchlichen Zeugenaussagen verhaftet wurden, bei welchen nicht einmal die Anzahl der Angreifer übereinstimmt und daß die angeblich Verantwortlichen weder den Zugang zu einem Anwalt, noch zu Übersetzern / Dolmetschern zu anfangs des Prozesses hatten. Eine andere von ihnen gedeichselte Version hat mit der Tatsache zu tun, daß fünf der Angeklagten mehrere Tage vor dem Massaker zugegeben hätten, die Täter der Tötung zu sein und zwar zusammen mit vier anderen Personen, die nach wie vor frei waren. Unabhängig von der gewünschten Version, blieben für das Justizsystem viele unerledigt.

15 niedrigrangige Ex " servidores públicos " wurde der Prozess gemacht und sie wurde zu Strafen zwischen 3 und 36 Jahren Gefängnis verurteilt wegen nachweislichem Mord und Körperverletzung, Mord wegen unterlassener Hilfeleistung und dem Mitführen von Waffen, die nur vom der Armee benutzt werden dürfen. Es verbleiben zwei "Haftbefehle" zur Vollstreckung gegen den ehemaligen Koordinator der staatlichen Polizei und dem Direktor staatlich öffentlichen Sicherheitskräften.

Die kürzliche Verhaftung von Antonio Sántiz López (genau am 22 de Dezember 2007), angeblicher "Kopf der Paramilitärs von Chenalhó", wurde von einigen kritischen Stimmen in Frage gestellt: sie sehen dieses Vorgehen, welches von der lokalen Presse als Sieg für die Gerechtigkeit gepriesen wird (man sprach von der Verhaftung "des Drahtziehers des Massakers"), in Wirklichkeit eine Art der Vertuschung von den Verantwortlichen auf höchster Ebene ist. Die hochrangigen Funktionäre, eingeschlossen die Mitglieder der Streitkräfte, die im Zusammenhang mit dem Massaker stehenden Verdächtigen wurden wegen unterlassener Hilfeleistung oder ihrer Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen, für ihre Taten noch nicht zur Rechenschaft gezogen und haben bis heute die Gerechtigkeit umgangen.

Im Angesicht des Fehlens an Fortschritten auf nationaler Ebene, hat seit Februar 2005 das "Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas" zusammen mit Überlebenden und Familienangehörigen der im Massaker Exekutierten, vor der "Interamerikanischen Menschenrechtskommission, Comisión Interamericana de Derechos Humanos (CIDH)" eine Bitte zur Eröffnung der Strafsache gegen den Mexikanischen Staat wegen diverser begangener Menschenrechtsverletzungen im Falle des Massakers von Acteal, eingereicht. In einem Interview in der Zeitschrift Proceso (21/04/2005) erklärt der Bischof Raúl Vera López, diesen Antrag kommentierend: "Die Dinge können nicht ungesühnt verbleiben, man muß den Rechtsstaat wieder herstellen. Gemäß dem internationalen Gesetz sind die Verbrechen gegen die indianische Bevölkerung Chiapas ( Mord, Folter und Entführungen ) Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Klage richtet sich gegen Ernesto Zedillo".

Während des Nationalen Treffens gegen die Straffreiheit im Dezember 2007 ( Encuentro Nacional contra la Impunidad ) kündete man eine Kampagne zur Anklage des Ex − Präsidenten Ernesto Zedillo wegen des "Zulassens des Massakers" an und ihm somit die Professur entzogen wird, welche er in der amerikanischen Universität Yale, USA, innehält (er ist momentan der Direktor des "Centro para el Estudio de la Globalización" (Studiumszentrum der Globalisierung) der besagten Universität ).

Die legalen Errungenschaften Straffreiheit, eine nationale Plage

Die Abejas haben abermals verkündet, daß sie keine Rache für das Massaker von Acteal möchten: sie fordern nach wie vor Gerechtigkeit, damit Vorfälle wie diese sich nicht wiederholen. Im März 2007 beendeten sie eine Kampagne bezüglich der 10 Jahre Straffreiheit und des 15jährigen Kampfes der Organisation. Am 20. und 21. Dezember 2007 nahmen mehr als 200 Personen und um die 50 Organisationen aus Mexiko und anderen Ländern am "Encuentro Nacional contra la Impunidad" teil ( Nationales Treffen gegen die Straffreiheit ), organisiert von der Organisation Las Abejas in Acteal.

Der erste Tag des Treffens widmete sich den Berichten über die Analyse der nationalen Realität; das Bedürfnis einer besseren Verständigung zwischen den Organisationen und den zivilen "Bewegungen"; das Recht und die Gerechtigkeit im Bezug auf die Ermordung von Frauen und die rechtliche Situation des Falles von Acteal unter anderen. Am zweiten Tag organisierten sie "Arbeitstische, Mesas de trabajo mixtas" (mit Teilnehmern diverser Abejas Aktivisten) um sich diesen Themen tiefgründig anzunehmen.

Leider ist Acteal nur ein Fall von Ungerechtigkeit und Straffreiheit in Mitten vieler anderer im heutigen Mexiko. Getreu des zuvor verfassten Sonderberichtes der UNO über die Unabhängigkeit der Magisträte und Anwälte, erklärt Dato Param Cumaraswamy (Amnesty International) in den Jahren 2001 und 2002 in seinem im Februar 2007 veröffentlichten Bericht "Leyes sin justicia" (Gesetze ohne Gerechtigkeit), daß "die Straffreiheit der Mißbräuche gegen die Menschenrechte nach wie vor zur Norm gehöre, welche die Funktionäre des Strafrechtssystemes und der öffentlichen Sicherheit annimiere, auf mißhandelnde Praktiken innerhalb ihrer Funktion zurückzugreifen".

In seinem Bericht während des "Nationalen Treffens gegen die Straflosigkeit, Encuentro Nacional Contra la Impunidad" sprach Edgar Cortés, Koordinator der Vereinigung "All Rechte fuer alle, Todos los Derechos para Todos" von der Straffreiheit als eines der vier Elemente, die den aktuellen Kontext des Landes prägen, gemeinsam mit der wachsenden Militarisierung, die autoritäre Übereinstimmung (die von Calderón versprochene "mano dura" (harte Hand) und die Kriminalisierung des sozialen Protestes. Er unterstreicht, daß die Straffreiheit kein neues Phänomen sei, das Studentenmassaker vom 2. Oktober 1968, den schmutzigen Krieg der 70er und 80er Jahre, in dem mehr als 500 Personen verschwanden, zitierend. Auch redete er von den neuesten Fällen, wie der aus Oaxaca, Atenco, Pasta de Conchos oder der Fall von Lydia Cacho.

In einer Zeitschrift im November (’Jornada’ vom 01/11/07) bezog sich Edgar Cortez auf die Artikel, welche das Geschehene in Acteal polemisierten: mit dieser Art von "Geschichten von halbamtlichen Wortführern des Staates" bewirkt man nur, daß "die systematischen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung weiterhin das Land heimsuchen werden, wie es bis heute der Fall in Chaipas, Guerrero, Oaxaca und Veracruz ist, wo indianische Comunidades vertrieben werden, wo man foltert, wo Frauen werden vergewaltigt werden und wo Exekutionen und gewaltvolle "Desaparaciones" geschehen".

Die Tatsache, daß man zu keiner Resolution in einem so bekannten Fall wie der von Acteal kommt, ist eine schlechte Nachricht im Bezug auf die Situation der Menschenrechte und dem Level der Straffreiheit in Mexiko. Die Abejas wissen dies und kämpfen einen Kampf, von dem sie wissen, das er ein sehr langer sein wird: "die Zeit und der Raum haben uns einen Platz gegeben, damit unser Gedächtnis und unser Herz gegen die Straffreiheit des Massakers von Acteal kämpfen. Wir werden hier weiterhin unsere Stimme erheben, bis sie gehört wird und bis die Verantwortlichen letztendlich dem Gesetz gemäß verurteilt werden" (Oktober 2007).

AKTIVITÄTEN VON SIPAZ Von Mitte Oktober 2007 bis Mitte Januar 2008

INTERNATIONALE PRÄSENZ UND BEGLEITUNG LOBBY ODER ADVOCACY ARBEIT

Am 2. November beteiligten wir uns an einer Versammlung mit allen Botschaften der Europäischen Gemeinschaft in San Cristóbal de las Casas, Chiapas. Am 12. November beteiligten wir uns an einem Treffen mit Schweizer Parlamentariern, die an einer Beobachtermission teilgenommen hatten, welche vom Schweizer Programm für Beobachtung und Förderung des Friedens in Chiapas (PROPAZ) organisiert worden war. Anschließend versammelten sich die Parlamentarier mit verschiedenen Autoritäten, auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene.

Am 6. Dezember trafen wir uns mit einer Repräsentantin der politischen Abteilung der US-Botschaft.

Ende Oktober und Anfang Dezember wurden Besuche in Mexiko Stadt gemacht. Wir sprachen mit unseren Partnerorganisationen, mit dem Menschenrechtszentrum "Miguel Agustín Pro Juárez", mit "Dienst und Beratung für Frieden" (Serapaz), dem Netzwerk "Alle Rechte für alle", dem Menschenrechtszentrum "Fray Francisco de Vitoria" und dem "Nationalen Zentrum für soziale Kommunikation" (CENCOS).

CHIAPAS Hochland

- Wir besuchten die monatliche Gedenkfeier zum Massaker von Acteal im November und beteiligten uns an unterschiedlichen Aktivitäten der zivilen Gesellschaft ’Las Abejas’, die in San Cristóbal de las Casas im Rahmen der Kampagne "Acteal: 10-15" (10 Jahre nach dem Massaker und 15 Jahre nach der Gründung ihrer Organisation) von November bis Dezember durchgeführt wurden.

- Vom 20. bis 22. Dezember nahmen wir an den Veranstaltungen zum 10. Jahrestag des Massakers von Acteal teil sowie an dem Treffen gegen die Straflosigkeit, welches in ihrer Gemeinde stattfand.

Caracoles/Andere Kampagne

- Wir machten mehrere Besuche in den zapatistischen Caracoles.

- Vom 13. bis 17. Dezember besuchten wir das internationale Kolloquium ’in Erinnerung’ an Andrés Aubry, zu welchem die EZLN, CIDECI-Unitierra und das Zentrum Immanuel Wallerstein gemeinsam eingeladen hatten.

- Vom 29. September bis 1. Januar waren wir beim III Treffen der zapatistischen Völker mit den Völkern der Welt "Die Kommandantin Ramona und die Zapatistas" anwesend, ebenso nahmen wir am Gedenken an den Jahrestag des bewaffneten Aufstands vom 1. Januar 1994 teil. Diese Aktivitäten fanden im Caracol la Garrucha statt.

OAXACA

Im Oktober nach den Kommunalwahlen reisten wir für eine Woche nach Oaxaca. Wir trafen uns mit der Mehrheit unserer Partner in Oaxaca Stadt. Wir besuchten auch Veranstaltungen in Gedenken an den ermordeten Bradley Will (US amerikanischer Journalist, der im Oktober 2006 ermordet wurde) und an den Einmarsch der Bundespolizei, PFP (Policía Federal Preventiva). Wir waren präsent beim Nationalen Treffen über zweisprachige indigene Erziehung mit dem Ziel, Kontakte mit Organisationen zu knüpfen, die direkt mit der indigenen Bevölkerung arbeiten. Wir nahmen einige Interviews auf, die wir dann in den blog hochluden (sipaz.wordpress.com).

GUERRERO

Anfang Dezember reisten wir nach Guerrero. In Chilpancingo hatten wir Termine mit der staatlichen Menschenrechtskommission CODDEHUM, mit peace brigades international-pbi und mit dem Guerrerensischen Menschenrechtsnetzwerk. In Tlapa trafen wir mit Mitgliedern des Menschenrechtszentrums der Berge Tlachinollan zusammen, um die internationale Delegation vorzubereiten, die SIPAZ für Anfang März organisiert.

INFORMATION

Wir empfingen verschiedene Besuche, Delegationen, Studierende und Journalisten, um sie über die aktuelle Situation in Chiapas und die Arbeit von SIPAZ zu informieren. Vom 27. Dezember bis 4. Januar koordinierten wir miteinander eine Delegation mit Global Exchange (Mitglied unserer Koalition aus den USA).

Seit August laden wir gemeinsam mit CIEPAC und dem Netz der Gemeindeverteidiger zu einem monatlichen Treffen zum Nachdenken ein, einem Treffen für Analysen, Debatten und Beiträge von En Voz Alta (blogenvozalta.wordpress.com).

Im Oktober beteiligten wir uns an einer Zusammenkunft für politische Analyse, zu der SERAPAZ und das Schweizer Programm für Beobachtung und Förderung des Friedens in Chiapas (PROPAZ), eingeladen hatten. Es beteiligten sich ungefähr 80 Personen.

FRIEDENSFÖRDERUNG FRIEDENSERZIEHUNG

- Im Oktober beteiligten wir uns am ökumenischen Treffen für Gebet und Reflexion, zu welchem die ökumenische Gruppe für Analyse der Realität (GEACR) eingeladen hatte, zu der wir auch gehören. − Anfang Januar wurde im interkulturellen Mayaseminar ein Studium eingerichtet, und wir werden darin eine Einheit zu Konfliktbearbeitung und Menschenrechten moderieren.

- Wir moderieren workshops zur Konfliktbearbeitung mit DESMI (Wirtschaftliche und soziale Entwicklung der indigenen Mexikaner, eingetragener Verein mit Arbeit in 17 Bezirken von Chiapas).

ARTIKULIERUNG

- Wir beteiligten uns an den monatlichen Versammlungen des Friedensnetzwerkes, Raum für Aktion und Reflexion, bestehend aus 16 Organisationen, die Friedensprozesse und Versöhnung in Chiapas unterstützen.

- Vom 6. bis 8. November, beteiligten wir uns am Treffen der Erbauer des Friedens und der Versöhnung, eingeladen von der Kommission der Unterstützung für Einigkeit und Versöhnung (CORECO), in einer Gemeinde im Bezirk Ocosingo.

- Am 1. und 2. Dezember beteiligten wir uns am Treffen Unterstützer für Dialog und Bearbeitung von Konflikten, in Cuernavaca, Morelos mit etwa 30 Personen, die auf nationaler Ebene dazu arbeiten. Wir gaben eine Präsentation über die Erfahrungen von SIPAZ.

 Quelle:  
  http://www.sipaz.org/informes/vol13no1/vol13no1g.htm 
 

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