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Interview mit Estela García, einer Frau aus der Region Loxicha

News vom 15.10.2002

  Am 24. April 1997 kamen 60 Polizisten in ihr Haus, misshandelten Estela García und ihre Brüder, schossen auf ihren Mann und nahmen ihn dann, schwer verletzt, mit. Sie folgte der Blutspur, die aber plötzlich mit Erbrochenem, zerschlagenen Stöcken und Hautfetzen endete. Erst nach langer Suche fand sie heraus, wohin sie ihren Mann — schon tot — verschleppt hatten. Den geschundenen Leichnam durfte sie aber erst vier Tage später sehen. Seitdem kämpft sie gemeinsam mit anderen Frauen und Männern aus Loxicha um die Aufklärung der Morde, die Bestrafung der Täter, die Freilassung der Gefangenen und gegen Repression und Militarisierung in Loxicha. Sie ist in der "Unión de los Pueblos contra la Represión y la Militarización de la Región Loxicha" organisiert. Aufgrund ihres Engagements ist sie ständig Belästigungen und Anfeindungen ausgesetzt und muss um ihre persönliche Sicherheit fürchten. Im August 2002 kam sie im Rahmen einer Rundreise nach Deutschland, wo auch das Interview am 22. August geführt wurde.

Du bist in der "Unión de Pueblos" organisiert. Erzähl ein bisschen, wie du dazu gekommen bist. Die EPR trat 1996 in Erscheinung, am 28. August. Die ersten Festnahmen gab es schon im September, aber meinen Mann töteten sie erst am 24. April 1997, ein Jahr danach. Da begann ich auch, in die ganze Sache verwickelt zu werden. Ich ging 1997, als ich meinen Mann suchte, nach Oaxaca (Landeshauptstadt, A.d.Ü). Dort waren schon andere Frauen, deren Männer eben schon vorher, 1996 verhaftet worden waren. Ich suchte die Frauen auf und bot ihnen meine Hilfe an. (...) Wie viele Frauen waren damals in Oaxaca? In diesem Moment waren es — also, 45 Männer waren schon verhaftet und ungefähr 15 oder 20 ermordet worden, eine ganze Menge. Da waren so um die 20 Frauen in Oaxaca. Also, gerade als mein Mann ermordet wurde, halfen sie mir und ein paar von uns gründeten die Unión de Pueblos, da wir sagten, "wenn die Situation so ist wie sie ist, mit der Repression und so, dann bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wenn wir in unser Dorf zurückkehren, dann töten sie uns." Wir blieben also in Oaxaca und campten gegenüber dem Rathaus. Aber die Belästigungen, auch die persönlichen, nicht nur wenn wir beim Protestieren waren, waren wirklich schlimm. (...) Am 10. Juni dann gab es eine Konferenz, auf der die Unión de Pueblos ihre Forderungen stellte: Freiheit für die Gefangenen, Aufhebung der Vorladungen, Schluss mit der Verfolgung der Leute und dass sie in den Ort zurückkehren können und eine Menge Forderungen mehr. Wir waren 4 Frauen (in der Unión de Pueblos), aber die anderen drei sprachen kein Spanisch, sondern nur Zapotekisch. Wir waren fast noch Kinder. Wie alt warst du damals? Ich war gerade mal 24 Jahre alt, sehr jung noch. Und die anderen — Nestora war 18 Jahre alt, Genoveva war nur 15 Jahre. Als sie ihren Vater und drei ihrer Brüder verhafteten, ging sie noch zur Schule. Bei Nestora verhafteten sie ihren Vater. Die Vierte, Donanciana, ist jetzt 37 oder 38, dann war sie damals ungefähr 30 Jahre. Sie hatte schon zwei Kinder. Wir begannen, unsere Situation öffentlich zu machen.. (...) Ich war damals für die bundesweite Ebene zuständig und lernte auch auf internationaler Ebene verschiedene Organisationen kennen. Ich sprach von unseren Problemen, von Loxicha und von unserer Arbeit. Die Leute aus den kleinen Ortschaften von Loxicha begannen, uns als ihre Sprecherinnen zu sehen. (...) Wie ist es mit der Militarisierung in der Region Loxicha jetzt im Augenblick? Dass ist immer noch sehr beunruhigend. Vor dem Tod von Jaime (letzter Bürgermeister, der am 12. Januar 2002 ermordet wurde, A.d.Ü.) war es etwas ruhiger geworden. Die Militärs waren zwar in ihren Basen und machten ihre Märsche in der Region, aber sie kamen nicht mehr in die Häuser. Aber nach dem Mord an diesem Herren, fingen sie wieder mit den Hausdurchsuchungen und der Schikane der Leute an. Einige Leute verstecken sich sogar, wenn sie die Polizei sehen. Und diese Märsche machen sie immer noch? Ja, die machen sie noch, sie kennen jetzt schon alle die Wege und gehen von Ort zu Ort... Gibt es auch Misshandlungen? Ja, vor allem Vergewaltigungen von Frauen gab es viel, das haben sie aber jetzt etwas gestoppt weil es Protest und auch einige Anzeigen gab. Aber vor allem die Frauen haben Angst, vor den Behörden auszusagen und die Spuren der Vergewaltigung zu zeigen. Dabei starben einige fast daran. Ein Mädchen war erst 14 Jahre alt... (...) Was wünschst du dir für die Zukunft? Ein ruhiges Leben, so wie früher. Einfach — Tortillas und Bohnen sind ausreichend für uns. Aber mit der Repression kann man ja nicht mal seine Ernte einbringen... Es sind vor allem die Frauen, die unter all dem zu leiden haben. Sie müssen die Kinder und sich selbst versorgen... Hast du selbst auch Kinder? Nein, ich bin alleine geblieben... Welche Unterstützung braucht ihr, um wieder Ruhe und Frieden in Loxicha zu erreichen? Was fehlt euch? Eigentlich fehlt es an allem. Aber das Wichtigste — Geld ist natürlich auch sehr wichtig — das Wichtigste ist, dass die Menschen erfahren, was in Loxicha geschieht. Dass laut gesagt wird, was los ist. Bekommt ihr auch internationale Unterstützung? Nur ein bisschen. Es wird schon gesagt, was los ist. Aber dass jemand kontinuierlich mit uns arbeitet, das ist sehr schwierig.

Veröffentlicht im Info-Blatt Nr. 57, Interview und Bearbeitung: Sabine Kellig

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