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Freiwild: Mittelamerikanische Migranten als Entführungsopfer in Mexiko

junge welt vom 25.06.2009
Von Gerold Schmidt

  Nachstehend die etwas längere Originalfassung des am 25.06.2009 in der jungen Welt erschienenen Artikels »Geld erpressen von Habenichtsen« http://www.jungewelt.de/2009/06-25/003.php


Freiwild: Mittelamerikanische Migranten als Entführungsopfer in Mexiko

(Mexiko-Stadt, 24. Juni 2009).- Für die mexikanischen Migranten ohne gültige Papiere beginnt die wirkliche Tortur oft erst an der Grenze mit den USA. Dagegen trifft es die Mittelamerikaner schon 2000 Kilometer weiter südlich. Dies legt ein Bericht der staatlichen Nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) Mexikos ein weiteres Mal offen. Danach werden immer mehr Migranten aus Honduras, El Salvador, Guatemala und den anderen Nationen des zentralamerikanischen Isthmus Opfer von Entführung und Erpressung, wenn sie versuchen, das Aztekenland zu durchqueren.

Auch aus Habenichtsen lässt sich mit genug Skrupellosigkeit noch eine Menge Geld heraus quetschen. Fast 10 000 entführte Migranten registrierte die CNDH allein im Zeitraum September 2008 bis Februar
2009. Geschätzte Einnahmequelle für die Täter bei diesen offiziell registrierten Fällen: 25 Millionen US-Dollar. Meistens werden Migrantengruppen geschlossen entführt, das ist lohnender. Die menschenunwürdige "Unterbringung" findet in sogenannten Sicherheitshäusern, Lagerschuppen oder sogar als Hotels getarnten Unterkünften statt. Sehr häufig sind es die Polleros, die von den Gruppen bezahlten Schleuser, die die Menschen den organisierten Banden buchstäblich ans Messer liefern.

Manchmal sind es nur Stunden, manchmal Monate, die das zentralamerikanische Freiwild festgehalten wird. Wer weder ausreichend Geld bei sich hat noch zurück gebliebene Familienangehörige angeben kann, die die geforderte Summe aufbringen können, hat schlechte Karten. Schläge, Folter, Vergewaltigung — von Männern und Frauen — und Mord sind die fast logische Konsequenz. So sind nach Angaben der salvadorianischen Organisation Cofamide in den vergangenen zwei Jahren knapp 300 salvadorianische Migranten in Mexiko umgekommen oder verschwunden. Aus Honduras reiste im Oktober 2008 eine Karawane von 14 Müttern durch Mexiko, um nach fast 600 Landsleuten zu forschen, die auf ihrem Weg in die USA in den letzten Jahren verschwanden.

Im ganzen Ausmaß sind die Attacken gegen die mittelamerikanischen Migranten nur möglich durch das Wegsehen oder die direkte Beteiligung staatlicher Autoritäten. Die in der Regel nicht besonders kritische CNDH sieht eine Verwicklung aller drei Regierungsebenen in das Entführungsgeschäft. Konkrete Namen nennt sie allerdings nicht. Immer wieder erscheinen in der Presse kleinere Meldungen, in denen über die Zusammenarbeit von örtlichen Polizisten mit den organisierten Banden bei der Ausplünderung von Migranten berichtet wird. Für viele mittelamerikanischen Migranten endet der Weg in die USA schon in den südlichen und südöstlichen mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Oaxaca, Veracruz und Tabasco. Die Region ist unter ihnen auch als der "tödliche Trichter" bekannt.

In den von der CNDH erfassten Fällen kamen 67 Prozent der Migranten aus Honduras, 18 Prozent aus El Salvador und 13 Prozent aus Guatemala. Insgesamt dürften es jedes Jahr weit über 200 000 Personen aus Mittelamerika sein, die versuchen, über Mexiko in die USA zu kommen. Nur ein kleiner Teil von ihnen ist dabei erfolgreich. Die mexikanische Menschenrechtskommission fordert von den verschiedenen staatlichen Autoritäten "sofortige Antworten" auf das Entführungsphänomen. Eine kam postwendend vom chiapanekischen Gouverneur Juan Sabines. In einer bezahlten Zeitungsanzeige lässt er sich von einem guatemaltekischen Konsul bestätigen, dass unter seiner Regierung der Respekt der Menschenrechte der Migranten Vorrang hat.

 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/2009/06-25/003.php 
 

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