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Menschenrechtsverletzungen in der ära Fox

Direkte Solidarität Chiapas vom 01.06.2001
Von »Direkte Solidarität mit Chiapas«

  Seit seinem Amtsantritt am 1. Dezember 2000 hat sich der neue mexikanische Präsident Vicente Fox in den Medien immer wieder als Saubermann verkauft. Menschenrechtsorganisationen aus Mexiko zeichnen ein anderes Bild. Eine Übersicht über die Situation der Menschenrechte im Jahr 2001.


1. Die Militarisierung geht weiter — nicht nur in Chiapas

1.1. Chiapas

In den letzten sechs Monaten wurden in Chiapas sieben Militärposten geräumt (eines der drei Friedenssignale, die die EZLN zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen von der Regierung Fox forderte); 251 Positionen in der Konfliktzone werden vom Militär jedoch nach wie vor besetzt.
Im Gegensatz zu der von Fox und den Medien geförderten Meinung, die Bundesarmee sei aus Chiapas abgezogen, müssen wir feststellen, dass nach wie vor ein Drittel der Bundesarmee (rund 70’000 Soldaten) drei Regionen in Chiapas militärisch besetzt halten. Die indigenen Gemeinden im Konfliktgebiet sehen sich immer noch mit denselben Problemen konfrontiert, die durch die Anwesenheit der Soldaten entstehen: Prostitution, Einschüchterungen, Alkoholmissbrauch, Marihuanaanbau, Spaltung der Gemeinden. Die Strassensperren, die Anfang Dezember 2000 aufgehoben wurden, sind inzwischen wieder errichtet worden. Erste grössere Militärbewegungen seit dem Amtsantritt von Fox wurden uns in den letzten Wochen gemeldet (Jornada, 16.5.01).


1.2. andere Bundesstaaten

Am Tag nach der Amtsübernahme von Fox trat in Oaxaca eine neue Guerilla an die Öffentlichkeit: die FARP (Fuerzas Armadas Revolucionarias del Pueblo). Die Bundesarmee reagierte darauf mit der Militarisierung weiterer Regionen in Oaxaca. Seit dem Auftreten der EPR (Ejercito Popular Revolucionario) vor knapp fünf Jahren sind grosse Teile von Oaxaca unter dem Vorwand der Guerillabekämpfung militarisiert worden. Unter der Repression leiden insbesondere zivile indigene Organisationen wie die CIPO-RFM, wie AI in Urgent Actions dokumentiert (ai UA-005/2001 und 021/2001). Zu den Staaten, die seit längerer Zeit militarisiert sind, kommen neu auch noch Puebla und Michoacan dazu.


2. Paramilitärs profitieren von der Straflosigkeit

2.1. Chiapas

Von den zwölf paramilitärischen Verbänden, die in Chiapas aktiv sind, ist zweifelsohne "Paz y Justicia" die bestorganisierte. Die wichtigsten Führer von "Paz y Justicia", die während der Vertreibungen und Morde in den Jahren 1995 bis 1998 die Gruppe leiteten, wurden im Oktober 2000 verhaftet. Die elf gefangenen Paramilitärs waren jedoch von anfang an der festen Überzeugung, dass sie nicht lange in Haft sein würden. Und sie sollten recht behalten: Unter dem neuen oppositionellen Gouverneur von Chiapas, Pablo Salazar Mendiguchía, der am 8. Dezember 2000 sein Amt antrat, blieb die Untersuchungsbehörde genauso untätig wie noch unter dem PRI- Gouverneur. Am 19. April 2001 wurden die elf Paramilitärs wieder auf freien Fuss gesetzt; notabene am selben Tag, an dem die Bundesarmee den siebten Militärposten räumte und ein weiteres Massaker geschah:
In Venustiano Carranza erreichte am 19. April 01 ein jahrzehntelanger Landkonflikt zwischen verfeindeten Bevölkerungsteilen einen traurigen Höhepunkt: Der Guerilla EPR nahestehende Bauern ermordeten acht Mitglieder der paramilitärischen PRI — Organisation "San Bartolomé de los Llanos".
In der Region Altos harren nach wie vor 15’000 intern Vertriebene auf die Rückkehr in ihre Dörfer. Am 3. April 2001 verliessen die Oppositionellen des Bezirkes Chenalhó den Verhandlungstisch über die Rückkehr der Vertriebenen: Die kirchennahe Organisation Las Abejas (45 Mitglieder wurden bei einem Massaker am 22. Dezember 1997 in Acteal von Paramilitärs ermordet) denunzierte die ungebrochene Straflosigkeit der Paramilitärs. Die VertreterInnen von Las Abejas weigeren sich, zusammen mit dem neuen PRI-Bezirkspräsidenten Antonio Pérez Arias an einen Verhandlungstisch zu sitzen, da dieser am Massaker von Acteal beteiligt gewesen sei und Waffen unter Gefolgsleuten verteile (La Jornada, 4. 4. 01).
Das Gewaltpotenzial der mit der Bundesarmee verhängten Paramilitärs in Chiapas ist ungebrochen. So wurde beispielweise laut den Überlebenden des Massakers von Acteal bis heute noch keine einzige der Waffen konfisziert, mit denen das Massaker begangen wurde (La Jornada, 9. 4. 01). Allenfalls ist eine Verschiebung innerhalb der Aktivitäten der Parmilitärs zu konstatieren: Die Vertreibung der oppositionellen Familien ist in vielen Gebieten längst abgeschlossen, deren Hab und Gut geraubt. Neue Einnahmequellen für die Paramilitärs sind im Bereich der organisierten Kriminalität, beispielsweise im Drogenhandel zu finden.
In Chiapas harren rund 40’000 aus politischen oder religiösen Motiven intern Vertriebene in Flüchtlingslagern aus. Die bisher letzte Vertreibung fand am 20. Dezember 2000 statt: 7 zapatistische Familien mussten vor Paramilitärs aus Santa Fe El Duraznal (Bezirk Chilon) fliehen.
Am 20. März 01 wurde in Tila der 25-jährige Mariano Jiménez Martinez, ein EZLN- Sympathisant und PRD-Mitglied, in einem Hinterhalt von sieben Paramilitärs getötet. Unter ihnen werden Rufino und Mauricio Pérez Ramírez identifiziert, die laut den Informationen des angesehenen Menschenrechtszentrums "Fray Bartholomé de las Casas" auch für die Ermordung von Pascual Martinez Gutierrez, ein Indigena aus der Gemeinde von Joljá, verantwortlich sind. Die zwei Paramilitärs sind als Mitglieder von Paz y Justicia bekannt.


2.2. andere Bundesstaaten

Bewaffnete Anhänger der PRI gehen auch in anderen Bundesstaaten gegen jegliche Oppositon gewalttätig vor. Die PRI hat in vielen Bundesstaaten v. a. im Süden Mexikos lokal immer noch die Macht und verteidigt sie mit allen Mitteln. So wurde beispielsweise ein Mitglied des Indianerrates der zivilen Organisation CIPO-RFM in Santiago Xanica, Oaxaca, im Januar 01 von Paramilitärs ermordet.


3. Parlament verwässert Cocopa — Gesetz für indigene Rechte und Kultur

Ende April 01 hat das mexikanische Parlament die Gesetzesinitiative der COCOPA zu den indigenen Rechten und Kultur in einer modifizierten Form angenommen. Die änderungen an der COCOPA-Initiative (die das Resultat der ersten Friedensverhandlungen von San Andrés im Jahre 1996 waren) sind gravierend und verletzen internationale Abkommen (ILO-Konvention Nr. 169), die Mexiko ratifiziert hat. Die konservative Parlamentsmehrheit PAN-PRI hat nach Ansicht der indigenen Organisationen mit diesen änderungen eine rassistische, paternalistische Haltung an den Tag gelegt. Den indigenen Völkern Mexikos wird keine Selbstbestimmung zugestanden, das heisst, die indigenen Völker dürfen sich nicht selber verwalten. Ressourcen- sowie Landrechte wurden aus dem Gesetzesvorschlag herausgestrichen. Die EZLN antwortete darauf mit dem Abbruch der Kontakte zur Regierung. Die indigenen Organisationen werden sich mobilisieren, um die 32 Parlamente auf Bundesstaatsebene zu drängen, dieses neue Gesetz, das nur eine Friedenssimulation darstellt, nicht anzunehmen. Weitere Friedensverhandlungen zwischen Regierung und EZLN sind in weite Ferne gerückt.


4. Fehlende Justizreform

Der Zugang zur Justiz bleibt für die arme Bevölkerung erschwert. Das korrumpierte Justizsystem Mexikos verunmöglicht in vielen Fällen faire Bedingungen. Willkürliche Verhaftungen, jahrelange Haft ohne Prozess, konstruierte Beweise gehören zum Justizalltag. In ganz Mexiko gibt es insgesamt mehrere Hundert politische Gefangene. Nach wie vor sind auch Sympatisanten der EZLN in Haft: Vier in Chiapas, zwei in Tabasco und zwei in Querétaro. Von der seit Jahren angekündigten umfassenden Justizreform ist bisher nichts zu sehen. Zwei Beispiele:

4.1. General Brigadier José Francisco Gallardo Rodriguez x seit über 7 Jahren unschuldig in Haft

Der unbequeme General Gallardo forderte im Oktober 1993 in einer mexikanischen Zeitschrift die Schaffung einer Ombudsstelle in der Armee, der Klagen bezüglich Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Streitkräfte nachgehen würde. Kurz darauf wurde er unter Anklage von 20 konstruierten Delikten inhaftiert und 1994 von einem Militärgericht zu 28 Jahren Haft verurteilt. Gallardo sitzt auch heute noch in Haft (La Neta).

4.2. Zwei Ökobauern in Guerrero wurden gefoltert und verurteilt

Rodolfo Montiel und Teodoro Cabrera kämpften mit gewaltfreien Mitteln für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen in der Sierra von Guerrero und kamen dabei den Interessen der lokalen Holzfälleroligarchie in die Quere. Sie wurden im Mai 1999 gefangengenommen, gefoltert und im vergangenen Jahr zu sechs bzw. zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen haben den Fall aufgegriffen und gegen die Inhaftierung protestiert, bislang ohne Erfolg (MR-Zentrum "Miguel Agustín Pro Juárez").

5. Die UNO kritisiert die Untätigkeit der neuen mexikanischen Regierung bezüglich Menschrechtsverletzungen

Beim desolaten Zustand des mexikanischen Justizsystems ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der UNO-Sonderbeauftragte für die Unabhängigkeit der Richter und Anwälte, Dato’Param Cumaraswamy, nach seinem Mexiko-Besuch Mitte Mai 01 keine positive Bilanz zog: Korruption und Straflosigkeit seien bisher auch unter der neuen Regierung nicht eingeschränkt worden. Er führte als Beispiel den Fall der rund 200 entführten und ermordeten jungen Frauen an, deren Skelette ausserhalb der Ciudad Juárez in der Wüste gefunden wurden. Seit mehreren Jahren dümpeln die Ermittlungen vor sich hin, und immer noch wird von den politisch Verantwortlichen versucht, den Fall unter den Teppich zu kehren. Vor seiner Abreise am 22. Mai sagte der UNO- Sonderbeauftragte Cumaraswamy: "Ich habe so viele Informationen über Menschenrechtsverletzungen gesammelt, dass ich ein ganzes Flugzeug damit füllen könnte" (Jornada, 23. Mai 01 und La Neta).

Quellen: Amnesty International (http://www.amnesty.org), die mexikanischen Menschenrechtszentren "Fray Bartolomé de Las Casas" (www.laneta.apc.org/cdhbcasas) und "Miguel Agustín Pro Juárez" (www.sjsocial.org/PRODH), die Menschenrechtsplattform "La Neta" (http://derechoshumanos.laneta.org/) sowie Berichte in "La Jornada" (https://www.jornada.com.mx) und "Proceso Sur" (http://www.procesosur.com.mx).


Quelle:
Direkte Solidarität mit Chiapas/Café RebelDía:
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