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Mexikos Bauern laufen Sturm
Poonal vom 21.01.2003 |
Gerold Schmidt, Poonal 556 vom 21.01.2003 |
(Mexiko-Stadt, 19. Januar 2003, npl).- Als wütende Landwirte am 10.Dezember des vergangenen Jahres Absperrungen zum mexikanischen Abgeordnetenhaus niederbrachen und mit Pferden ins Parlament einritten, war die Entrüstung einiger Mandatsträger und der Regierung groß. Möglicherweise müssen sie sich in den kommenden Monaten auf weitaus heftigere Proteste einrichten. Immer mehr mexikanische Bauern laufen Sturm gegen die Agrarpolitik ihrer Regierung. Unter anderem fordern sie eine Neuverhandlung des Agrarkapitels im Nordamerikanischen Freihandelsvertrag NAFTA zwischen Mexiko, Kanada und den USA. Mit den heute (Montag, 20.01.) beginnenden Nationalen Aktionstagen zur Rettung der Landwirtschaft läuft eine neue Mobilisierungswelle der verschiedenen Bauernorganisationen an. Eine Doppelstrategie aus Verhandlungen und verschiedensten Prostestinitiativen soll Präsident Vicente Fox und sein Kabinett zu Zugeständnissen zwingen.
Vor allem die kleinen und mittelständischen Landwirte sind international nicht wettbewerbsfähig. Sie machen mit ihren Familien die überwältigende Mehrheit der mindestens 20 Millionen Menschen zählenden mexikanischen Landbevölkerung aus. Das ist ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Der Zorn der Bauern richtet sich nicht nur gegen die eigene Regierung, sondern genauso gegen die USA. Mit der im vergangenen Jahr verabschiedeten "farm bill" hat Washington die Agrarsubventionen für die eigenen Landwirte noch einmalkräftig erhöht. Dagegen sind die Hilfen für die mexikanischen Bauern in den vergangenen Jahren systematisch abgebaut worden. Durchschnittlich kann ein US-Landwirt pro Jahr mit 22 000 Dollar Subvention rechnen. Dagegen machen sich die 700 bis 800 Dollar staatlicher Unterstützung auf mexikanischer Seite lächerlich aus.
Diese Asymmetrie stört die US-Repräsentanten wenig. Sie weigern sich kategorisch, NAFTA-Bestimmungen neu zu verhandeln. Den seit Anfang Januaroffiziell in Kraft getretenen Wegfall von Einfuhrzöllen für fast alle Agrarprodukte auszusetzen, wie es so gut wie geschlossen die mexikanischen Bauernorganisationen fordern, bedeutete für den US-Agrarstaatssekretär J.B.Penn von Anfang an einen "negativen Präzedenzfall". Sein Kollege Grant Aldonas aus dem Handelsministerium warnte angesichts der Proteste vor einer "Politisierung" des Themas.
Im Grunde denken ihre Regierungspendants auf der anderen Seite des Rio Bravo genauso. Der mexikanische Landwirtschaftsminister Javier Usabiaga betont bei jeder Gelegenheit, nur Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit böten den einheimischen Agrarproduzenten eine Überlebenschance. Wer dazu nicht in der Lage sei, solle "sich besser andern Dingen widmen". Die "ländliche Bittstellergesellschaft" müsse zurückgelassen werden. Die riesigen Subventionsunterschiede und die Tatsache, dass die Landwirtschaft für viele seiner Landsleute nicht nur Lebenserwerb, sondern auch Lebensform ist, erwähnt Usabiaga in der Regel nicht. Er selbst ist als Agroindustrieller mit dem Spitznamen "Knoblauchkönig" auf der sicheren Seite.
Mit einem angekündigten Erlass von Steuerschulden, einer neuen Landkreditbank und der erklärten Bereitschaft, einen nationalen Landwirtschaftspakt zu verhandeln, versucht die Regierung andererseits, die aufgebrachten Bauern zu besänftigen. Ob dies gelingt, ist fraglich. Zu groß sind Skepsis und Misstrauen. Ein erster Verhandlungsanlauf scheiterte, in den kommenden Tagen wird voraussichtlich ein zweiter Versuch unternommen. Um die vor wenigen Wochen gegründete Protestbewegung "Die Landwirtschaft hält nicht länger aus" scharen sich immer mehr Bauernorganisationen. Unterschiede zwischen radikalen und gemäßigteren Gruppen werden derzeit zugunsten der Suche nach einem gemeinsamen Vorgehen zurückgestellt. Als gemeinsame Hauptforderung steht immer wieder die Neuverhandlung des NAFTA-Agrarkapitel im Mittelpunkt. Springt die Regierung in diesem Punkt nicht über ihren Schatten, muss sie sich auf viele Nationale Aktionstage einstellen.
Quelle: poonal
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