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Luz Kerkeling: ¡LA LUCHA SIGUE! [Der Kampf geht weiter]

EZLN − Ursachen und Entwicklungen des zapatistischen Aufstandes.

Buchrezension vom 15.06.2003
Buchbesprechung von Peter Clausing

  Endlich ist es da — das erste deutschsprachige Buch, das den Aufstand der Zapatistas in umfassender Weise darstellt und im Zusammenhang mit der jüngeren Geschichte Mexikos, der mexikanischen Politik, dem zapatistischen Politikverständnis sowie seiner Ausstrahlung auf die weltweite Antiglobalisierungspolitik analysiert. In den letzten 7 Jahren hat es eine Reihe von Büchern zu dieser Thematik gegeben. Aber von der "Aufstand der Indios in Chiapas" (Schmidt, 1996) bis zu "FOXtrott in Mexiko" (Boris & Sterr 2002) unterscheiden diese Bücher sich vom vorliegenden, indem sie nur zeitlich, geographisch oder inhaltlich begrenzte Teile des Konflikts beleuchteten.

Das Buch ist in drei Hauptkapitel gegliedert. Das erste — "Hintergrund: Mexiko — Politik und Gesellschaft", das etwa ein Drittel des Buches beansprucht, beginnt mit einer knappen Darstellung der mexikanischen Revolution von 1910-17. Die folgenden Abschnitte befassen sich mit dem politischen System (Präsidialherrschaft, Parteien, Parlament) und den gesellschaftlichen Akteuren (Gewerkschaften, Frauen- und Studentenbewegungen, Indigena- und Campesino-Organisationen, Guerilla-Gruppen, Kirche). Gesonderte Abschnitte sind der neoliberalen Wirtschaftspolitik und ihren Abkommen (NAFTA, ALCA) und dem Plan Puebla Panama gewidmet.

Das zweite Hauptkapitel — "Der zapatistische Aufstand in Chiapas" — geht aus von der Entwicklung der Landfrage seit 1822, die — zusammen mit der wirtschaftlichen Struktur, dem starren Herrschaftsgefüge, der Diskriminierung und Marginalisierung insbesondere der indigenen Bevölkerung — zu den Hauptursachen des zapatistischen Aufstandes von 1994 zählt. Jeder dieser und weitere Aspekte kommen in einem gesonderten Abschnitt zur Sprache. Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) ist nur zu verstehen, wenn man sie als Einheit aus zivilen Unterstützungsbasen und der Guerilla selbst versteht. Diese beiden "Sektoren" des zapatistischen Aufstandes werden in ihrer zeitgeschichtlichen Entwicklung, beginnend in der Mitte der 70er Jahre, analysiert. Dabei ist die Aufmerksamkeit, die der Autor der Rolle der Frauen in der EZLN schenkt, besonders erfreulich: Auf 10 Seiten wird diese Thematik speziell behandelt. Die Darstellung des zapatistischen Aufstandes an sich umfasst Abschnitte zum 12tägigen Bürgerkrieg, die (bislang erfolglosen) Friedensverhandlungen, die Landbesetzungen, das Autonomiekonzept der Zapatistas sowie die regelmäßigen umfangreichen Bemühungen der "Medienguerilla" zur Mobilisierung der Zivilgesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene. Abschließend werden in diesem Hauptkapitel aktuelle Entwicklungen aus jüngster Zeit wie z.B. die Hintergründe der drohenden und z.T. bereits realisierten Vertreibung ganzer Siedlungen zapatistischer Sympathisanten aus den Gebiet der Montes Azules diskutiert.

Im kurzen, aber wichtigen dritten Hauptkapitel -"Reflexion: Entwicklungen des zapatistischen Aufstands"- geht es um das zapatistische Politikverständnis. Zum zapatistischen Politikverständnis ist in den vergangenen Jahren viel publiziert worden. Es ist sehr nützlich, dass die Kernpunkte der linken Diskussion zu diesem Thema hier noch einmal zusammengefasst und kritisch gewertet wurden. Der Problemkreis wird mit Stichworten wie dem Verhältnis zu Macht und Herrschaft, der indigenen Identität, Tradition, Nation, Nationalstaat und Würde umrissen. Letzteres "ein Wort, welchem weder in der kapitalistischen Wirtschaftslogik noch in der marxistischen Theorie (..) Bedeutung gegeben wird." Zu Unrecht, ist die Würde doch die positive Kehrseite dessen, was bei Marx unter dem Begriff Entfremdung erscheint und "kann so zu einem Gewinn an Eigenständigkeit führen." Wichtig auch, dass mit klaren Worten auf die aus eurozentrischer Sicht formulierte Kritik an der EZLN bezüglich ihres "Nationalismus" eingegangen wurde: "Gerade für die Diskussion in Europa ist es wichtig herauszustellen, dass die EZLN unter keinen Umständen als nationalistisch zu beurteilen ist, ... Die nación‚ ist (..) keineswegs gleichbedeutend mit der Nation‚ der westlich(en) Linken. Währen unsereins stets — und gerade in Deutschland — zu einer konstruierten Nation gehörte, zu der wir nicht gehören wollen, sind die Indigenas Mexikos ... stets aus der Nation ausgeschlossen worden..... Die nación‚ der EZLN ist daher eher mit Gesellschaft‚ denn mit Nation‚ zu übersetzen."

Der flüssig geschriebene Text wird durch 267 geschickt platzierte Fußnoten ergänzt, die einen Fundus an Detail- und Hintergrundinformationen bieten. Das Buch ist ausgezeichnet gegliedert, so dass man sich mühelos darin zurechtfindet und die gezielte Suche nach Informationen zu einzelnen Sachverhalten leicht fällt. Mit seinen 287 Quellenangaben unterscheidet es sich von einem "Handbuch" zu dieser Thematik lediglich dadurch, dass es zum Taschenbuchpreis verkauft wird. Es sollte zur Pflichtlektüre für jedeN gehören, die/der sich auf irgendeine Weise mit Mexiko im allgemeinen und Chiapas im besonderen befasst oder an Fragen der globalen Rezeption des zapatistischen Politikverständnisses arbeitet. Es stellt ein Nachschlagewerk zu diesem Abschnitt der mexikanischen Geschichte dar. Bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass das Buch (im deutschsprachigen Raum) als Korrektiv für das ungerechtfertigte Nachlassen der Resonanz auf die Inspirationen, die von dem zapatistischen Projekt ausgingen und ausgehen, wirkt. Die Qualität dafür hat es.

Peter Clausing

Luz Kerkeling: ¡LA LUCHA SIGUE! [Der Kampf geht weiter]. EZLN — Ursachen und Entwicklungen des zapatistischen Aufstandes. Unrast-Verlag, Münster 2003. 16,- Euro. ISBN 3-89771-017-X.

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