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NGO’s im UN/US-Visier
Regulierung der NGOs gefordert − UN-Ausschuss arbeitet an Richtlinien
News vom 13.06.2003 |
New York, 13. Juni (IPS) — Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben in den letzten Jahren beachtlichen Auftrieb erhalten. Als Akteure der Zivilgesellschaft weitgehend anerkannt, sind sie zu einem wichtigen politischen Faktor geworden. Doch seit geraumer Zeit gibt es Forderungen nach einer Regulierung der NGO-Arbeit. Ein UN-Ausschuss unter Leitung des ehemaligen Staatspräsidenten Brasiliens, Fernando Henrique Cardoso, hat ein Jahr Zeit, Vorschläge für einen verbindlichen Verhaltenskodex zu erarbeiten.
In den 80er und 90er Jahren hatten sich Regierungen und internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen über die helfende Hand von bürgernahen Verbänden gefreut. Seitdem sie ihren Einfluss auf dem internationalen Parkett deutlich erhöhen konnten — immerhin haben die UN 27.000 transnationale NGOs registriert — werden sie allerdings häufig als Konkurrenz betrachtet. Rund 3.500 Gruppen haben mittlerweile Zugang zu den grossen Weltkonferenzen.
Nachdem die Anti-Globalisierungsproteste in Seattle von 1999 die NGOs zum Mitspieler in der globalen Politik gemacht haben, stellt sich für viele die Frage, wen die Vereinigungen tatsächlich repräsentieren. "Es kommt immer häufiger vor, dass Wissenschaftler und Journalisten Beschwerden von Regierungen aufgreifen und eine Regulierung der Vereinigungen fordern", sagt dazu Michael Edwards von der US-amerikanischen ’Ford Foundation’, die NGO-Projekte weltweit finanziert.
Dem Experten zufolge treten transnationale NGOs in Erscheinung, die nur aus wenigen Mitgliedern bestehen und trotzdem eine globale Gesellschaft schaffen wollen, ohne dass man ihnen ins Handwerk pfuscht. "Das Ergebnis ist ein demokratisches Defizit", gab Edwards zu bedenken. In seinem Buch ’NGO Rights and Responsibilities’ schlägt er deshalb einen drei Punkte-Plan vor, der Rechte und Verpflichtungen der Gruppen festzulegen versucht.
Als erster Schritt sollten nach Ansicht von Edwards die Kompetenzen der drei Sektoren Staat, Wirtschaft und NGOs geklärt werden. Dies sei wichtig, um beispielsweise zu verhindern, dass Hilfsorganisationen über die Köpfe von Regierungen hinweg direkt bei internationalen Finanzorganisationen anklopften. Eine solche Vorgehensweise gehe auf Kosten der nationalen Entwicklung, weil ein Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte verhindert werde.
Als Beispiel führt Edwards das Wasserkraftwerk Arun III in Nepal an. Dort hatten transnationale Netzwerke das Mitte der 90er Jahre von der Weltbank geförderte Projekt zu Fall gebracht. Nach Ansicht lokaler Politiker und Experten wurde damit jedoch ein Vorhaben zunichte gemacht, dass dem Himalaja-Königreich ein enormes wirtschaftliches Wachstum ermöglicht hätte.
Derartige Erfahrungen verstärkten die Sorge der Regierungen in Entwicklungsländern, dass hinter den transnationalen NGO-Netzwerken die reichen Industriestaaten die Fäden zögen, um ihren Einfluss in den globalen Verhandlungen Geltung zu verschaffen, meint Edwards.
Punkt zwei sieht vor, dass NGOs die Weltpolitik mitgestalten dürfen, wenn sie sich zu einem Minimum von Standards verpflichten, die ihre Integrität und ihre Verlässlichkeit unter Beweis stellen. Diese Auflagen liessen sich durch mehr Transparenz und eine Art Selbstregulierung überprüfen.
Drittens rät Edwards dazu, Nichtregierungsorganisationen aus Entwicklungsländern auf internationalem Parkett zu fördern, dort, wo normaler Weise NGOs aus den reichen Staaten das Sagen haben.
Doch für viele Vertreter der Zivilgesellschaft ist ein Mehr an Kontrolle gleichbedeutend mit dem Verlust eben jener Selbständigkeit, die ihnen bislang die Abgrenzung ermöglichte. Gerade aus der Sicht von Menschenrechtsorganisationen stellen die NGOs das Gewissen der Gesellschaft dar. "Sie sind eine legitime, alternative Kraft, die die Auswirkungen der Regierungspolitik in Frage stellt", sagt Melissa Upreti, Asienexpertin am ’Center for Reproductive Law and Policy’ in New York.
Upreti hält ein gewisses Mass an Selbstregulierung für wichtig. Gleichzeitig jedoch warnt sie davor, die Kontrolle zu weit zu treiben. "Dies könnte dazu führen, dass wir unsere eigentlichen Ziele aus den Augen verlieren."
"Vor diesem Hintergrund wird es interessant seien, zu welchen Ergebnissen der Ausschuss gelangt, wenn es um eine Verstärkung der Partizipation der Zivilgesellschaft geht", hiess es Anfang des Monats auf einem ersten Treffen des UN-Panels. Offenbar müsse das Kunststück vollbracht werden, einen grundlegenden rechtlichen Leitfaden für NGOs zu entwickeln, der ihnen zugleich genügend Freiraum für ihre Arbeit lässt, so Kevin Kennedy, Koordinator der Panel- Aktivitäten.
Wenn die Macht zu gross wird — US-Politinstitut sagt NGOs den Kampf an
16. Juni (IPS) — Die US-Denkfabrik ’American Enterprise Institute’ (AEI), die dem US- Präsidenten George W. Bush die Argumente für den Irakkrieg geliefert hatte, schiesst sich derzeit auf internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein. Am Pranger stehen Aktivistengruppen, die sich um die Aufnahme von "progressiven" und "liberalen" Werten in der Weltpolitik einsetzen.
Das Institut gehört zu den einflussreichsten politischen Einrichtungen in den USA und schart prominente Experten und Politiker wie die ehemalige UN-Botschafterin Jeanne Kirkpatrick und den ehemaligen Vorsitzenden des Politikausschusses im US-Verteidigungsministerium, Richard Perle, um sich.
Gemeinsam mit einer weiteren konservativen Expertengruppe, der ebenfalls in Washington angesiedelten ’Federal Society for Law and Public Policy Studies’, hat die AEI eine Website (www.NGOWatch.org) ins Leben gerufen, die vor dem "naiven Umgang" mit NGOs warnt, die den Interessen der Weltmacht USA und der freien Marktwirtschaft schaden. Naive Beamte der US- Regierung und Konzernreformer gingen sogar soweit, genau die Kräfte zu fördern, die ihnen später gefährlich würden, so der AEI-Experte und Journalist John Entine.
Bereits seit geraumer Zeit werden Rufe nach einer Regulierung der NGOs laut, die sich in den letzten Jahrzehnten zu einem einflussreichen Machtfaktor entwickelt haben. Dies gilt besonders für die transnationalen Gruppen, deren Zahl sich den UN zufolge in den letzten 20 Jahren auf 35.000 vervierzigfacht hat. Ein UN-Ausschuss unter Leitung des ehemaligen Staatspräsidenten Brasiliens, Fernando Henrique Cardoso, ist derzeit damit befasst, Vorschläge für einen verbindlichen NGO-Verhaltenskodex zu erarbeiten.
"NGOs haben ihre eigenen Regeln und Besitimmungen geschaffen und fordern, dass sich Regierungen und Konzerne an ihre Vorgaben halten", monierten die Veranstalter in der letzten Woche auf einer AEI-Konferenz unter dem Motto ’NGOs: Wachsender Einfluss einer nicht gewählten Minderheit’, auf der die neue Website vorgestellt wurde.
In einzelnen Beiträgen wurden die internationalen Organisationen als zunehmende Gefahr für die US-Aussenpolitik und die freie Marktwirtschaft dargestellt. Co- Sponsor des Treffens am 11. Juni war die konservative australische Ideenfabrik ’Institute of Public Affairs’ (IPA). Politiker und Firmenchefs sähen sich oft gezwungen, auf die NGO- Medienmaschinerie zu antworten. Dies führe dazu, dass die Gelder von Steuerzahlern und Anteilseignern unnötig verschwendet würden, hiess es.
"Das ungeheure Wachstum der NGOs in liberalen Demokratien hat das Potential, die Souveränität konstitutioneller Demokratien und die Effektivität zuverlässiger NGOs untergraben", hiess es auf der Konferenz.
In aller Regel werden derartige Veranstaltungen in den USA als Solidaritätsbekundung rechter Kräfte abgetan, die Kapitalismus und Vormachtstellung der USA durch linke und europäische Verschwörer gefährdet sehen. Dass es AEI und Föderalisten jedoch gelungen ist, 42 Aussenamts- und Justizbeamten für die Konferenz zu mobilisieren, könnte als ein Hinweis für einen neuen Umgang mit den NGOs interpretiert werden.
Hinzu kommt, dass sich in jüngster Zeit die kritischen äusserungen zu den Nichtregierungsorganisationen häufen. So hatte Ende Mai Andrew Natsios, Leiter der US- Entwicklungsbehörde (USAIDS) NGO-Projektpartnern vorgeworfen, die USA zu selten als Geldgeber zu nennen. Etwa zeitgleich ging USAIDS dazu über, bei der Durchführung von Vorhaben in Irak und anderen Ländern die Hilfe von Privatunternehmen in Anspruch zu nehmen.
Im grossen und ganzen lautete die Botschaft der Konferenz: NGOs wie CARE, Oxfam und Friends of the Earth haben zwar viel für die Förderung der Menschenrechte, Entwicklung und Umwelt getan, doch gefährdet ihr internationales Selbstverständnis die Interessen der USA und die freie Marktwirtschaft.
Nach Ansicht von Jarol Manheim, Politologe an der George-Washington-Universität, betreiben die NGOs "eine neue und durchdringende Kriegsform gegen Multis, die er in Übereinstimmung mit seinem gleichnamigen Buch als ’Biz-War’ bezeichnet.
Da sie mit gleichgesinnten institutionellen Investoren wie Gewerkschaften und Kirchen zusammenarbeiten, die seit langem den Konzernen Verstösse gegen Umwelt- und Menschenrechte vorwerfen, sind die Bemühungen der NGOs nach Ansicht Manheims Teil einer grösseren Kampagne, die Verbraucherboykotte und andere Mittel der Einflussnahme beinhalten.
Tatsächlich sind Unternehmen zunehmend darum bemüht, sich mit NGOs in Gemeinschaftsunternehmen zusammenzuschliessen und ehemalige Aktivisten als Berater anzuheuern, um sich auf diese Weise vor einer möglichen negativen Presse zu schützen.
Dass die NGOs durchaus fähig sind, den transnationalen Unternehmen das Fürchten zu lehren, veranlasste den AEI-Experten Entine, sozial engagierte Gruppen als "Wölfe im Schafspelz" zu bezeichnen. Der Einfluss von Gegnern der freien Marktwirtschaft sei bereits in den Vorstandsetagen der grossen Unternehmen spürbar.
Für Kenneth Anderson von der ’American University’ sind die Bemühungen der NGOs an der politischen Front, die zur weltweiten ächtung von Anti-Personenminen, zum Kioto- -Protokoll zur Bekämpfung der Erderwärmung sowie zur Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshof führte, Ausdruck einer "internationalistischen Vision", die das Machtmonopol der einzigen Supermacht USA aufzuweichen versucht.
Die Gruppierungen setzten sich für eine Weltordnung ein, die auf dem Prinzip der ’Global governance’ beruhe und internationales über nationales Recht stelle, so Anderson. In dieser Frage würden sie von den UN-Agenturen unterstützt, die in den transnationalen NGOs und der von ihnen scheinbar vertretenen Zivilgesellschaft eine legitime Kraft jenseits des allgemeinen Demokratieverständnisses" sähen.
Ein solches Demokratieverständnis sei grundsätzlich links angesiedelt, sagte dazu Jeremy Rabkin, Politologe an der Cornell-Universität. "Denn global heisst immer anti-national." Rabkin hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Regierungen mit der Finanzierung der NGOs selbst die Schlange an ihrer Brust nähren. So wies er darauf hin, dass die EU fast zehn Prozent ihres Haushalts für die Finanzierung von Aktivistengruppen verwendet. (IPS)
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