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Verhandlungen bei VW-Puebla ohne Ergebnis
Poonal vom 29.07.2003 |
Von Gerold Schmidt, Poonal 583 vom 29.07.2003 |
(Mexiko-Stadt/Puebla, 28. Juli 2003, npl).- "Durch meine Hände ging hier die erste Einheit und bald auch die letzte", so sprach der 53-jährige Arbeiter Armando Pasilla am 10. Juli den Journalisten in die Mikrophone. Die Firmenleitung im mexikanischen VW-Werk Puebla gab damals den Startschuss für die Produktion der letzten 3.000 Exemplare des legendären "Käfers", der seit 1996 nur noch in Mexiko hergestellt wurde. Am 30. Juli ist es soweit, der letzte Käfer der Sonderausgabe läuft vom Band, eine Epoche in der Autogeschichte ist zu Ende.
Doch für die vor knapp drei Wochen noch offiziell gepflegten sentimentalen Gefühle und Anekdoten ist kein Platz in Puebla. Knallhart verhandeln hinter den Kulissen Betriebsgewerkschaft und Unternehmensführung über die Zukunft eines Fünftels der über 10 000 Arbeitsplätze im Werk. So viele Stellen wollten die Arbeitsgeber ursprünglich zum 1. August streichen, um damit auf einen Absatzeinbruch der Marken Jetta und New Beetle auf dem Exportmarkt USA zu reagieren.
Am Montag sollte die Gewerkschaftsbasis über das jüngste Angebot des Vorstandes abstimmen, wie nach dessen Vorstellungen die Entlassung von 2 000 Beschäftigten verhindert werden kann. Details sind zuvor nicht an die Öffentlichkeit gedrungen, doch ein angespannter Gewerkschaftsgeneralsekretär José Luis Rodríguez hat die Arbeitgeberofferte am Wochenende kurz und knapp kommentiert: "Noch weit von einem machbaren Vorschlag entfernt, der bei der Basis konsensfähig ist." Im Gespräch mit npl machte der Gewerkschafter bereits einige Tage zuvor klar: "Wir wollen das nicht, aber wenn es sein muss, streiken wir."
Im Prinzip ist die Lösung vorgezeichnet. Statt fünf Wochenarbeitstagen die Viertage-Woche bei gleichzeitiger Lohnreduzierung. So haben es Rodríguez und seine Kollegen vorgeschlagen und die Volkswagenvorständler um den Vorsitzenden Reinhard Jung als Grundlage akzeptiert. Aber der Teufel steckt im Detail. "Null Kosten" ist die Devise der Firmenleitung. Sie wollen bei einer um 20 Prozent gekürzten Arbeitszeit eine ebenso hohe Kürzung bei Lohn und Lohnnebenleistungen. Die Finanzen von Volkswagen Mexiko seien durch die Absatzkrise genug gebeutelt, argumentiert der Vorstand. "Geteilte Kosten" fordert das Verhandlungsteam der Gewerkschafter. Eine proportionale Lohneinbuße sei unzumutbar hart für die Arbeiter.
Die Politiker halten sich aus dem Konflikt weitgehend heraus. Ein Teil der Verhandlungen spielte sich zwar im Arbeitsministerium in Mexiko-Stadt ab, doch Minister Carlos Abascal hat bisher keine aktive Rolle übernommen. Er, Mexikos Präsident Vicente Fox und der Gouverneur von Puebla haben sich abstrakt für geteilte Lasten ausgesprochen. Doch mit konkreten Zusagen, was staatliche Kompensationsleistungen für mögliche Lohnreduzierungen der VW-Belegschaft angeht, sind sie sehr sparsam gewesen. Der originelle Vorschlag eines Lokalpolitikers aus Puebla-Stadt, die Arbeiter sollten Bankkredite aufnehmen und sich damit selbstständig machen, hat die Verhandlungen ebensowenig voran gebracht.
Statt einer vor zwei Wochen vorschnell berichteten entscheidenden Annäherung scheinen sich die Gespräche zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern im Kreis zu drehen. Mal im Ministerium in Mexiko-Stadt, mal in Puebla in den Werkseinrichtungen sitzen sich die Parteien gegenüber, ohne einen Durchbruch zu erzielen. Im Hintergrund steht auf der einen Seite die Drohung mit Streik, auf der anderen Seite die Drohung, zur Option der Entlassungen zurück zu kehren. Die Geschlossenheit der Gewerkschaftsbasis könnte letztlich den Ausschlag geben. Dass sie wie im März vergangenen Jahres lieber für die Entlassung von Kollegen mit ungeschützten Arbeitsverträgen als für Lohneinbußen stimmt, "darf nicht wieder vorkommen", ist Rodríguez überzeugt.
Unterdessen wartet eine ganze Region auf den Ausgang des Machtkampfes. Volkswagen Puebla ist nicht nur einer der größten direkten Arbeitgeber im Bundesstaat und den angrenzenden Zonen. Über die Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie hängen die Schicksale mehrerer tausend weiterer Familien vom Auftragsbestand des Großunternehmens ab. Bei vielen der etwa 80 Betriebe, die VW im Bundesstaat direkt zuliefern, macht dieses Geschäft 50 bis zu 100 Prozent ihres Umsatzes aus. Führt Volkswagen die Viertage-Woche ein, könnte dieses Schema bei vielen anderen eingeführt werden. Wird bei Volkswagen entlassen, entlassen auch die Zulieferer, so die Befürchtung. "Sie sitzen im selben Zug", meint ein Mitarbeiter aus dem Ministerium für Wirtschaftsentwicklung in Puebla etwas bildschief.
Quelle: poonal
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