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Die Frau und die indigene Autonomie
CIEPAC vom 02.05.2001 |
CIEPAC al dia No. 242 |
übersetzt von Patricia Mellmann |
Wenn man von der Zapatistenbewegung spricht, so nicht, ohne die Autonomie zu erwähnen, die ihr die Regierung mit der Nichterfüllung der Abkommen von San Andrés verweigert hat. Viele von uns fragen sich, was Autonomie bedeutet. In diesen Monaten war und ist dieses Thema zentraler Punkt im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Eines der drei Signale, die die EZLN gefordert hat, um zum Dialog zurückzukehren, ist die Übernahme der im Februar 1996 zwischen EZLN und Bundesregierung unterzeichneten Abkommen von San Andrés in die Verfassung. Diese gingen als Ergebnis aus den Verhandlungen des Ersten Tisches zu "Indigene Rechte und Kultur" hervor und fanden später auch im sogenannten Cocopa-Gesetz ihre Niederschrift.
Nehmen wir an, daß Autonomie bedeutet, sich selbst zu regieren; daß indigene Kultur und Traditionen respektiert werden und gelebt werden können. Das bedeutet, heute die Welt zu erschaffen, in der wir morgen leben wollen. Um diese Autonomie zu verstehen, ist es notwendig, das Zapatistische Modell und die Realität, in der die seine Unterstützungsbasen bildenden Gemeinden leben, gründlich zu kennen und sie in den politischen Kontext stellen zu können. Mit dieser Serie von Bulletins, die sich mit der Autonomie beschäftigen, laden wir Sie ein, sich mit der Realität der "Francisco Gomez" genannten autonomen zapatistischen Gemeinde vertraut zu machen. In gewisser Weise spiegeln die Erfahrungen dieser Gemeinde die von vielen zapatistischen Kommunen in der Konfliktzone wider. Andere sind der Region eigene Erfahrungen. Wir wollen Thema für Thema dazu beitragen, eine Perpektive auf die Autonomie zu schaffen, die sich auf deren Realität gründet und die Gelegenheit bieten, die Meinung der betreffenden Kommunen zur Bedeutung von Autonomie, wie man sie aufbaut und wie sie sich in den zapatistischen Kommunen lebt, zu hören.
"Mit der Organisation (der EZLN) begann sich das Leben der Frau zu verändern..."
"Wenn wir Lust dazu haben, werden wir alles erreichen..."
Fundamentaler Bestandteil der Autonomie ist es, unser eigenes Leben kontrollieren zu können, Herren unserer Geschichte und unseres Schicksals zu sein und zu leben, wie wir leben wollen. Um diesen Prozeß anzustoßen, müssen wir die aktuelle Realität analysieren, das herausfinden, was wir verändern wollen und die Zukunft definieren, die wir uns erschaffen wollen. Die Indígena-Kommunen haben in den Jahren der Organisation in der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) sehr tiefgreifende Veränderungen erfahren. Die Indígena-Frauen sind die am meisten Ausgegrenzten. Wie Komandanta Ester am 8. März, dem Internationalen Frauentag, sagte: "Wir müssen mehr kämpfen, weil wir als Indígenas dreifach gedemütigt werden: als Indígena-Frau, als Frau und als arme Frau." Aber in gewisser Weise haben die Frauen in diesen Kommunen genau deshalb die drastischsten Veränderungen ihres Lebens erlebt. Das heißt nicht, daß der Kampf der Frauen für den Respekt und einen würdigen Platz nun beendet sei. Es ist klar, daß viel zur Gleichberechtigung und vollständigen Befreiung der Indígena-Frau fehlt, obgleich sich viel verändert hat und dies ein langer und langsamer Prozeß ist. Aber ein Prozeß, der ins Rollen gekommen ist.
In einem von verschiedenen Frauen-Kooperativen veranstalteten Workshop sprachen sie von den Veränderungen im Leben der Frauen und dachten über deren Einbeziehung nach. Dabei brachten sie verschiedene Veränderungen zur Sprache, hauptsächlich die folgenden: die Kontrolle über ihr Land, das Niveau der Armut, den Anschluß an Gesundheitsversorgung und Bildung, die Teilnahme der Frau am öffentlichen Leben und ihre Rechte, das Alkoholgenuß in den zapatistischen Gemeinden verbietende Gesetz und die Bildung von Frauenkollektiven. Dies sind ihre Worte über die Veränderungen, die sie erlebt haben:
Wie war das Leben der Frau, als unsere Großmütter jung waren?
"Früher lebten sie mit dem Patron auf der Ranch und der Patron befahl ihnen; sie mußten um Erlaubnis bitten, zu arbeiten. Die Frauen mußten die Kinder des Patrons versorgen. Sie standen sehr früh auf, um 2 oder 3 Uhr am Morgen, um Pozol1 für ihren Mann zu kochen; sie wuschen und bereiteten Tortillas. Sie wurden geschlagen, wenn die Tortillas nicht schnell genug fertig waren; auch der Patron schlug sie."
"Es gab keine Schule, sie konnten nicht lesen und schreiben. Es gab keine Krankenhäuser; als Heilmittel hatten sie ausschließlich Pflanzen."
Die Männer tranken viel; sie vergeudeten das Geld für ein paar Schlucke und mißhandelten die Frauen. Die Frauen hatten keine Zeit, weil die Arbeit sehr hart war. Sie hatten keine Mühle: sie mahlten mit bloßem Stein; sie hatten keine Seife: sie wuschen mit bloßer Asche. Die Frauen wurden nicht einbezogen. Sie sagten uns, daß die Frau keine Rechte habe, daß nur der Mann das Recht hat, auszugehen, teilzuhaben."
Wie ist das Leben der Frau jetzt?
"Wir sind freier; es ist anders, weil uns kein Patron mehr befiehlt. Wir Frauen können wählen, ob wir mitmachen oder nicht, weil die Arbeit nicht mehr so schwer ist und niemand uns befiehlt. Aber es gibt immer noch viel Arbeit. Wir stehen früh um sechs auf, manchmal um fünf und arbeiten den ganzen Tag: Tortillas zubereiten, Brennholz holen, das Haus fegen, Wäsche waschen, auf die Kinder aufpassen, den Mann versorgen, die Tiere hüten. Heute mahlen wir mit Mühlen, waschen mit Seife. Heute kennen wir unsere Rechte, wir sind aktiver, haben eine Frauenversammlung. Wir haben Genossenschaften von Läden, Nähmaschinen und Tüchern."
"Nicht alle Frauen können lesen und schreiben. Wir alle möchten mehr wissen. Doch heute können wir studieren. In einigen Kommunen gibt es Schulen, in anderen aber nicht. Viele von uns Frauen haben Kopfschmerzen, viele Bauchschmerzen. Es gibt mehr kranke Frauen, weil sie die Kinder kriegen und das verursacht viele Krankheiten. Heute gibt es Kliniken und Doktoren. Es gibt ein wenig Medizin, aber sie reicht nicht. Es herrscht Bildung, aber wenig. Es gibt Frauen als ärzte und Krankenschwestern (promotoras), aber wenige. Die Männer trinken ein wenig, aber nicht täglich; sie verschwenden nicht viel Geld und mißhandeln uns nicht mehr so stark. "
Wie stellt ihr euch das Leben der Frau vor, wenn eure Töchter erwachsen sind?
"Wir wollen, daß die Frauen mehr Freiheit haben, mehr Zeit, um lernen und studieren zu können. Es muß anerkannt werden, daß auch Frauen eine gute Arbeit machen können, z.B. als Lehrerinnen oder Akademikerinnen".
"Wir wollen Lehrer für alle unsere Kinder".
"Wir wollen Doktoren und Krankenschwestern, die Frauen sind".
"Daß sie um acht aufstehen; daß sie eine Mühle haben".
"Wir wollen mehr Frauenkollektive: für Brot, Hühner, Gemüse".
"Daß die Männer nicht mehr trinken, das Geld nicht mehr zum Fenster rauswerfen, die Frauen nicht mehr mißhandeln".
Wie ging die Veränderung vonstatten und wie können wir die Zukunft erlangen, die wir wollen?
"Der Krieg begann ’94 und viele der Patrone gingen. Es kam viel Unterstützung aus Mexiko und von anderen Nationen. Wir haben uns um eine Vereinbarung bemüht, daß kein Alkohol mehr getrunken wird; diese wird schon seit ’94 respektiert. Wir begannen an der Versammlung teilzunehmen, jeden Sonntag in der Kirche, im Frauenladen zu arbeiten. So legten wir Angst und Scham nach und nach ab. Wir schlossen Vereinbarungen unter den Frauen ab, um Kollektive zu gründen. Wir bildeten Kollektive und sahen, daß wir Kraft besitzen. Der gemeinschaftliche Laden unterstützt uns in vieler Hinsicht: wir können die Ware kaufen, die wir wollen; der Laden gibt Darlehen an die Gemeinschaft; er hilft uns, jedes Bedürfnis zu befriedigen; durch ihn lernen wir viele Dinge; durch ihn lernen wir, uns einzubringen. Es ist schön, daß der Laden ausschließlich ein Platz für Frauen ist. Und mit den gleichen Erträgen der Kollektive können wir andere Kollektive gründen, die uns vorschweben. Wenn der Laden gut läuft, können wir eine Maschine zum Mahlen kaufen. Wir müssen Vereinbarungen treffen, um noch mehr Kollektive zu bilden, in jeder Kommune. Wir können uns gegenseitig helfen; die Kommunen, die schon Kollektive haben, können die anderen unterrichten. Wir müssen in jeder Kommune Frauen ernennen, die studieren, um Lehrerinnen und Krankenschwestern (promotoras) zu werden, die lernen, wie man Zähne zieht und bei der Geburt hilft. Wenn wir wollen, werden wir alles erreichen."
Die Mitbeteiligung der Frau?"Wenn wir Frauen nicht mitmachen, so weil wir Angst haben, aus Leid, aus Schamgefühl; wir sind schüchtern und reden nicht in der Versammlung; wir spüren, daß wir nichts wissen. Wir wissen nicht, wie man mitmacht, wir kennen nicht einen Buchstaben, wir können nicht gut Spanisch sprechen, wir wissen nicht, ob wir Rechte haben".
"Wenn wir beginnen, uns zu beteiligen, dann legt sich unsere Angst, verliert sich unsere Scham. Wir wissen jetzt, wie wir uns einbringen können; früher haben wir das nicht getan, aber jetzt ja. Wir können aktiv werden, wo wir wollen, auch wenn es in der gemeinsamen Versammlung von Männern und Frauen ist. Weil wir jetzt wissen, daß wir Rechte haben. Wir finden es schön, wenn Frauen mitmachen. Solche Frauen haben einen guten Einblick in die Dinge, viel Erfahrung; sie bringen sich ein, sie haben keine Angst davor. Wenn eine Frau das tut, fassen die anderen Mut."
Einige Frauen sprechen detaillierter darüber, wie sich das Leben der Frau geändert hat, wobei sie die gleichen Themen anschneiden:
"Früher gab es von der Regierung eingesetzte Lehrer, die nicht gut erklärten und die Kinder hatten Angst vor dem Lehrer, weil er sie schlug. Früher kamen sehr wenige Kinder zur Schule, deswegen können die Alten von heute nicht lesen und schreiben. Jetzt ist das anders, weil die Lehrer aus den Gemeinden stammen. Sie erklären gut, da sie in ihrer eigenen Sprache lehren. Heute werden Mädchen und Jungen in fast gleicher Anzahl eingeschult; fast alle Mädchen werden eingeschult." (Otelina, Beauftragte eines Gemeinschaftsladens von Frauen)
"Früher gab es keine Gesundheitsversorgung; mir z.B. hat Gott 12 Kinder gesandt. Heute können die Frauen planen, haben zwei, drei oder vier Kinder. Einige Frauen planen, andere sind schon operiert, weil sie beschlossen haben, daß sie nicht noch mehr Familie haben wollen. Viel hat sich auch geändert, als die Trinkerei aufhörte. Vorher wurden die Frauen viel geschlagen. Seit sie (die Männer) ein wenig vom Trinken abgelassen haben, schlagen sie ihre Frauen weniger, jetzt ist es schon viel einfacher für die Frauen." (Josefa, Beauftragte eines Gemeinschaftsladens von Frauen)
Es sind verschiedene Faktoren, die die Mitbeteiligung der Frau vorangetrieben haben. Der Wichtigste ist die Anerkennung der Rechte der Frauen innerhalb des Zapatismus gewesen. Andere wichtige Faktoren sind das von der Katholischen Kirche verfaßte Papier, die Gründung von Frauenkollektiven als autonome Räume für die Frauen und die Beteiligung der Frauen an der Verteidigung gegen die Bundesregierung. Andererseits wäre dies ohne den psychologischen Prozeß, den sie auf persönlicher Ebene −im Hinblick auf die Hindernisse, die sie in der Geschichte überwinden mußten-, durchgemacht haben nicht möglich gewesen. Wenn von ihrer Mitbeteiligung als Frauen die Rede ist, so immer auch davon, wie sich ihnen der Weg aufgetan hat und wie sie selbst ihre Angst überwinden mußten, ihre Not und ihre Scham.
"Bevor wir in die Organisation eintraten, gab es keine Mitbeteiligung von Frauen. Als wir dann in die Organisation eintreten konnten, schlossen sich mehr und mehr Frauen an. Wir hörten, daß nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen auf Teilnahme haben. Die Organisation sagt eine Sache, aber manchmal wird diese durch die Kommune nicht respektiert. Es hängt von der Kommune ab, auch von den Männern. Es gibt solche, die verstehen, andere verstehen nicht. Es hat sich etwas geändert, denn nun lassen sie uns heraus, sie gestehen uns etwas mehr Mitbeteiligung zu, auch wenn es nur wenig ist. Vorher haben sie uns nicht rausgelassen. Die Männer haben sich verändert, weil sie begriffen haben, daß auch wir Rechte haben, auch wir hinaus dürfen."
"Ich fing an, in der Kirche aktiv zu werden, mit dem Wort Gottes, und danach in der Organisation (EZLN) über den Gemeinschaftsladen. Ich schäme mich nicht mehr, mitzumachen. Ich fühle mich gut, weil ich mich früher geschämt habe und das heute nicht mehr so ist. Ich spreche alles aus, was immer es sei. Andere nicht, sie trauen sich immer noch nicht zu reden, vor allem die Mädchen. Es fällt ihnen immer noch schwer, auch denen, die begonnen haben, im Laden mitzuarbeiten. In manchen Fällen wollen sie nicht einmal ihren Namen angeben. Aber ich habe bemerkt, daß sie dann Fortschritte machen, daß sie sich von ihren Nöten befreien und dann gut mitarbeiten. Das ist sehr schön, wenn sie langsam zu reden beginnen und bei welcher Arbeit auch immer mitmachen: in der Kirche, in der Gesundheitsversorgung, im Gemeinschaftsladen." (Josefa)
"Vor 1994 haben wir nie eine aktive Frau erlebt oder eine, die zu anderen Orte reist. In einigen Kommunen, in denen uns die Soldaten 1995 angriffen, wehrten sich viele unserer Frauen, sie erhoben ihre Stimmen und organisierten sich gegen die Soldaten. Die Frauen begannen sich zu wehren. Danach begannen sie, andere Arbeiten aufzunehmen, weil sie schon mehr Mut besaßen."
"Ich begann als Gesundheitsbeauftragte. Anfangs tat ich fast gar nichts, fühlte mich sehr nervös. Aber dann wurde ich langsam aktiv und fühlte mich sehr stark, weil ich eine Menge geredet hatte. Es ist für viele Frauen immer noch sehr schwer, aktiv zu werden, nur einigen gefällt das." (Segunda, Gesundheitsbeauftragte)
Die Frauenkollektive
Die Frauenkollektive haben eine wichtige Rolle gespielt, sie gaben den Frauen einen Raum, wo sie unter sich sein konnten.
Innerhalb der Kollektive überwinden viele ihre Angst, ihre Pein, ihre Scham; dort erfahren sie von ihren Rechten und beginnen, von ihrer Stimme Gebrauch zu machen. Außerdem sind die Kollektive eine Arbeit in der Gemeinschaft, ein Teil des indigenen Kampfes. Auch hat dadurch die Beteiligung der Frau an gemeinschaftlichen Belangen Legitimität erlangt und bestätigt, daß Frauen viel einzubringen haben.
"Es begann mit dem Nähkollektiv. Wir taten uns alle zusammen, um diese Arbeit zu machen. Es war unsere eigene Idee, wir wollten das tun, um uns ein weiterreichendes Arbeitsfeld zu schaffen, um uns selbst zu helfen. Doch wir kamen nicht voran. Aber da wir nun einmal dabei waren, etwas unter Frauen zu machen, begannen Angst und Scham sich zu legen. Mit all den Frauen, die mitmachen, wird sich die Angst immer mehr verlieren. Das gefällt mir, da wir so mehr leisten können." (Otelina)
"Ja, im Laden arbeiten wir gut, weil uns die Arbeit Spaß macht. Wir machen diesen Kurs, um zu lernen, wie man verkauft, wie man Einkäufe macht. Ich kann nicht lesen, aber ich durfte schon im Laden verkaufen und Einkäufe auf dem Markt machen, das habe ich schon alles gelernt. Wir fühlen uns wohl, wenn wir zusammen arbeiten, weil mehrere Frauen sich um den Laden kümmern. Der Laden macht Fortschritte, er bringt recht gute Einkünfte. Da er ein von Frauen geführter Laden ist, helfen die Frauen sich gegenseitig. Auch wenn wir zum Beispiel nicht immer bezahlt werden, können wir uns etwas borgen. Wir haben uns gedacht, daß wir mit dem Gewinn eine Mühle kaufen wollen, um den Frauen das Maismahlen zu erleichtern, um nicht mehr soviel Arbeit mit dem Haushalt zu haben." (Josefa)
" Als unsere Vorfahren lebten, taten sie gemeinsame Arbeit, da sie bei jeder Arbeit alle einbezogen. Diese Art von gemeinschaftlicher Arbeit war ausgestorben. Jeder arbeitete für sich. Wenn zum Beispiel jemand krank wurde, half ihm keiner. Aus diesem Grunde begannen die Leute zu überlegen, was man tun könnte. Sie erkannten, daß es viele Lösungen gibt, wenn die Leute sich nur einig werden. Wenn sie von Neuem anfingen, in der Gemeinschaft zu arbeiten, so durch die Organisation (EZLN). Männer und Frauen arbeiten gemeinsam. Wenn die Männer zusammenarbeiten, so sehen die Frauen das und werden auch dazu angeregt. Jetzt wollen wir Frauen auch mehr Kollektive gründen, mal sehen, ob wir das schaffen." (Otelina)
Sitten und Bräuche
Ein großer Teil des Kampfes um die indigene Autonomie ist auf die Verteidigung des Rechtes, nach den indigenen Sitten und Bräuchen zu leben, gerichtet. Die Frauen haben eine wichtige Rolle bei der Bewahrung der Traditionen gespielt. Zum Beispiel ist es fast immer die Frau, die die Indígena-Sprache spricht und sich traditionell kleidet. Gleichzeitig hat sich ein Prozeß des tiefgründigen Überdenkens der indigenen Traditionen und des Machismus in Gang gesetzt: Einige Traditionen verkörpern die Unterdrückung der Frau und müssen abgeschafft werden; so der Brauch, daß der Vater einer jungen Frau darüber entscheidet, mit wem sie sich verheiratet. Währenddessen haben andere Traditionen eine fundamentale Bedeutung für die indigene Kultur und müssen erhalten bleiben, wie zum Beispiel die Muttersprache.
"Unsere Sprache existiert weiterhin. Es ist wichtig, sie zu erhalten, wir dürfen sie nicht verlieren oder vergessen. Es ist schön, andere Sprachen zu lernen, aber wir dürfen unsere eigene Sprache nicht vergessen. Innerhalb der indigenen Traditionen gibt es nun Respekt gegenüber den Frauen. Aber dies ist etwas Neues, früher wurden die Frauen nicht respektiert. Heute ist das anders, man respektiert sie und räumt ihnen einen Platz ein, aber das ist wegen der Organisation (der EZLN). Auch die Frauen werden sich ihrer Rechte und der Mitgestaltungsmöglichkeiten bewußt. Wir wollen unsere Rechte anerkannt sehen. Wir wollen, daß die Männer anerkennen, daß auch wir das Recht auf freie Bewegung haben, daß wir nicht ins Haus eingesperrt gehören." (Otelina)
Die Autonomie und die Beteiligung der Frau in den autonomen Gemeinden
In den autonomen Gemeinden kann man eine enge Beziehung zwischen steigender Mitbeteiligung der zapatistischen Frauen und der indigenen Autonomie verzeichnen. Die EZLN hat einen Raum für die Beteiligung der Frau geschaffen. Sie verwirklichte sich über die Organisation der autonomen Gemeinden und es besteht kein Zweifel daran, daß die Mitgestaltung durch die Frauen ein fundamentales Element bei dem Aufbau der Autonomie darstellt.
"Einige Kommunen haben eine Frauenbeauftragte. Die Frau muß stark sein, weil ihre Aufgabe in der Organisation der Frauen und der Gemeinschaftsarbeiten besteht und darin, dabei auftretende Probleme zu lösen. Sie muß die anderen Frauen darüber aufklären, wie sie sich einbringen können, welche Art von Arbeiten sie machen können. Diese ämter wurden durch die Organisation (EZLN) angeregt, schon vor 1994. Vor 1994 gab es hie und da Frauen, die mitmachten, aber sehr wenige. Ab 1994 wurden es mehr und mehr. Wenn andere solche Frauen sehen, werden sie animiert, selbst etwas zu tun. In den zu den autonomen Gemeinden zählenden Dörfern begleiten die Frauen bestimmte Posten. Das ist nicht wie in den staatlichen Gemeinden, wo die Frauen nichts zu sagen haben."
"Wenn sie eine Frau für einen bestimmten Posten ernennen, wird sie nicht gefragt, ob sie diese Arbeit machen kann oder nicht. Wenn sie dich dafür auswählen, dann weil sie das Vertrauen in dich setzen, daß du diese Arbeit machen kannst. Und wenn du es nicht kannst, so wirst du es lernen. Das gefällt uns, weil wir dadurch viele Arbeiten machen können, die wir vorher nicht hätten machen können. Wenn sie uns sagen, daß wir keine Rechte haben, so werden wir dies glauben, wie wir z. B. der Regierung glaubten, die uns sagte, daß wir keine Rechte haben. Aber da wir in einer autonomen Gemeinde leben, sagen sie uns, daß auch wir Rechte haben und deshalb sehen wir das anders, als die Regierung."
" Unter Autonomie verstehe ich Autonomie der Armen. Wir wollen unser Leben selbst gestalten und nicht so, wie es uns die Regierung vorschreibt. Jetzt ändern sich die Dinge, die Indígenas können ihren Traditionen folgend leben und ihre Arbeiten verrichten. Die Regierung kann nicht mehr kommen und die Kommunen entzweien, weil wenn sie in den Kommunen arbeiten, so tun sie das nicht allein. Sie müssen gehorchend befehlen, sie müssen die anderen vom Dorf mit einbeziehen. Die Regierung befiehlt, wie und was sie will. Die Indígenas befehlen auch, aber sie befehlen gehorchend."
"Als sich die autonomen Gemeinden gründeten, betrachteten wir das als einen Schritt nach vorn für die Indígenas, für die Indígena-Frau und für den Indígena-Mann. Speziell für die Frauen war es ein noch bedeutenderer Schritt, weil sie vorher an nichts teilhatten. Als die autonomen Gemeinden gegründet wurden, beschlossen wir, daß auch die Frauen sich an den Arbeit innerhalb der Gemeinden beteiligen würden, weil es das war, was wir wollten. Es gibt nicht viele Frauen, die Posten in den autonomen Gemeinden begleiten, aber es gibt wenigstens schon einige -aktive Frauen, die den anderen Kompañeras erklären, was sie tun können. Diese anderen Frauen begreifen, daß wir Kraft haben und werden dadurch animiert." (Otelina)
Ich arbeite seit fast 4 Jahren mit diesen Frauen zusammen und begleite sie bei ihren gemeinsamen Arbeiten. Ich habe das persönliche Wachsen jeder einzelnen miterlebt, den Fortschritt ihrer Kollektiven, Ich habe verfolgen können, wie sie sich in den autonomen Gemeinden immer mehr Raum verschafften. Auch habe ich an ihrer Seite die Frustrationen und großen Hindernisse mitverfolgt, die sich den Frauen immer noch bei ihrem Kampf um ein Leben in Würde in den Weg stellen. Während ich sie interviewe, kommen mir fast die Tränen, weil ich in diesen 4 Jahren ein ums andere Mal Zeuge der inneren Stärke geworden bin, die sie haben. Sie haben mich sehr inspiriert, ich habe viel von ihnen gelernt. Deshalb sehe es als so wichtig an, daß die ganze Welt hört, was sie zu sagen haben -auch einfach deshalb, weil ich sie so sehr mag.
Hilary Klein CIEPAC, A.C.
1) Pozol: Fleischgericht
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