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Indigene Völker und die ILO Konvention 169 - Materialsammlung Teil 2

News vom 04.06.2001

  Rechte für indigene Völker:

Wer ist die ILO?
Was beinhaltet die ILO-Konvention Nr. 169?
Wer hat sie ratifiziert?
Warum soll sie Deutschland ratifizieren?
ILO-Konvention 169 Koordinationskreis

Ein Überblick zur Dokumentation des Klima-Bündnis/ Alianza del Clima e.V.

Wer ist die ILO?

"Der Weltfriede kann auf Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden", ist einer der leitenden Grundsätze der ILO.

Die ILO wurde 1919 gegründet. Sie ist eine Sonderorganisation der UNO, die sich aus Vertretern von Regierungen, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen der 173 Mitgliedsstaaten zusammensetzt und weltweit soziale Sicherheit sowie Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern soll.

300 Millionen Menschen auf der Erde gehören indigenen Völkern, Nationen und Gemeinschaften an. Sie leben in ihren traditionellen Gebieten in über 70 Ländern. Sie unterscheiden sich meist kulturell sowie sprachlich von der übrigen Bevölkerung und leben vielfach noch in enger Beziehung zur Natur. Oftmals sind Indigene Opfer von Diskriminierung, Ausbeutung, Unterdrückung, Folter, staatlichem Mord, bis hin zum Genozid (Völkermord). Ihre Lebensgrundlagen werden durch Wirtschaftsinteressen und staatliche Politik bedroht, u. a. durch die Aussenwirtschaftspolitik von Industriestaaten. Aufgrund von Globalisierung, Ressourcenabbau und internationalen Grossprojekten macht es Sinn, internationale Normen zum Schutz indigener Völker zu stärken. Einen Durchbruch stellt die Übereinkunft Nr. 169 über "indigene und in Stämmen lebende Völker" der International Labour Organization (ILO, Internationale Arbeitsorganisation) dar, die am 27.6.1989 unterzeichnet wurde.

[b>Was beinhaltet die ILO-Konvention Nr. 169?

Die ILO-Konvention Nr. 169 ist das erste internationale Abkommen, das in 44 Artikeln grundlegende Rechte für die äindigenen und in Stämmen lebenden Völker" auf ein selbstbestimmtes Leben garantiert.

Dazu gehören insbesondere das Recht auf:

- volle Gewährleistung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Unterschiede, Art. 2, 3
- Gestaltung der eigenen Zukunft, Art. 6, 7 l kulturelle Identität, Art. 2, 4, 23
- gemeinschaftliche Strukturen und Traditionen, Art. 5
- Land und Ressourcen, Art. 13 — 19
- Beschäftigung und angemessene Arbeitsbedingungen, Art. 20
- Ausbildung und Zugang zu den Kommunikationsmitteln, Art. 21, 22, 26 — 31
- Beteiligung an Entscheidungen, die diese Völker betreffen, Art. 6, 7, 15
- Gleichberechtigung vor Verwaltung und Justiz, Art 2, 8, 9

Warum soll Deutschland die ILO-Konvention Nr. 169 ratifizieren?

Die UN-Dekade zu den Indigenen Völkern der Welt (1994-2004) fordert zu äneuen Partnerschaften" auf.

Die Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 ist dazu ein wesentlicher und dringend notwendiger Beitrag.

Die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte sind Leitlinien der internationalen Politik der neuen Bundesregierung.

1. Grundlagen für eine neue nationale Aussen- und Wirtschaftspolitik

Ein Industriestaat, der das Abkommen unterzeichnet, macht den Inhalt der Konvention daher auch zur Richtschnur der eigenen Aussen- und Wirtschaftspolitik. So haben die Niederlande bei der Begründung zur Unterzeichnung angekündigt, in Zukunft beim Handel mit Tropenhölzern und bei Tiefflügen über dem Gebiet der Innu in Kanada neue Massstäbe anzulegen. Bei der Planung und Durchführung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit wird das Abkommen zum Wegweiser. In diesem Sinne hat die EU-Kommission ein Strategiepapier zur zukünftigen Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern vorgelegt, das ausdrücklich Bezug nimmt auf die ILO-Konvention Nr. 169. Im November 1998 wurde vom EU-Ministerrat eine entsprechende Resolution (13461/98) verabschiedet. Es ist folglich unabdingbar, dass Industriestaaten, wie die Bundesrepublik Deutschland, diesem Beispiel folgen.

2. Schaffen eines universellen Normenkatalogs

Die ILO-Konvention Nr. 169 soll zu einer international verbindlichen Norm werden, die neben den universell gültigen Menschenrechten insbesondere die Landrechte, die kulturelle Identität und das Recht indigener Völker anerkennt, die eigene Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. So hat das Europaparlament bereits 1994 die EU-Regierungen mit Entschliessungsantrag A3-0059/94 dazu aufgefordert, der ILO-Konvention Nr. 169 beizutreten. Mit jedem weiteren Unterzeichnerstaat gewinnt das ILO-Abkommen an Gewicht.

3. Zugriff auf die ILO-Kontrollmechanismen

Die Unterzeichnerstaaten der ILO-Konvention sind verpflichtet, alle fünf Jahre einen Bericht über die faktische Umsetzung des Abkommens vorzulegen. Gemäss Art. 24 und 26 des ILO-Statuts können Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände Klagen wie Beschwerden einreichen, wenn ein Signatarstaat gegen die Konvention verstösst. Hier, wie auch bei der Berichterstattung, haben Menschenrechtsorganisationen die Möglichkeit einzuwirken und politischen Druck auf solche Länder auszuüben, die das Übereinkommen missachten.

Koordinationskreis

Folgende Organisationen arbeiten im "Koordinationskreis ILO-Konvention Nr. 169" im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate:

World University Service

Adivasi-Koordination
c/o Gesellschaft für bedrohte Völker Postfach 2024 . 37010 Göttingen
Tel.: 0551-49 90 6-0 . Fax: 0551-58 028 . indigene-at-gfbv.de

amnesty international
Sekretariat der deutschen Sektion Heerstr. 178 . 53111
Bonn Tel.: 0228-98 37 30 . Fax: 0228-63 00 36 .
ai-de-at-amnesty.de

FIAN
Overwegstr. 31 . 44625 Herne
Tel.: 02323-49 00 99 . Fax: 02323-49 00 18 . fian-at-home.ins.de

Gesellschaft für bedrohte Völker
Postfach 2024 . 37010 Göttingen
Tel.: 0551-49 90 6-0 . Fax: 0551-58 028 . indigene-at-gfbv.de

Klima-Bündnis / Alianza del Clima e.V.
Europäische Geschäftsstelle Galvanistr. 28 . 60486 Frankfurt am Main
Tel.: 069-71 71 39-0 . Fax: 069-71 71 39-93 .
europe-at-klimabuendnis.org

World University Service
Deutsches Komitee e.V. Goebenstr. 35 . 65195 Wiesbaden
Tel.: 0611-44 66 48 . Fax.: 0611-44 64 89 .
wusgermany-at-aol.com

INFOE
Melchiorstr. 3 . 50670 Köln
Tel./Fax: 0221-73 92 871 . INFOE-at-comlink.org

Die internationale Rechtslage indigener Völker

Indigene Völker haben, rechtlich gesehen, keinen guten Stand. Eigentlich besteht nur eine einzige völkerrechtlich verbindliche Norm, die indigenen Völkern das Recht auf ein eigenes Territorium, eine eigene Lebensweise, Kultur und Sprache zuerkennt und den Regierungen Mindeststandards im Umgang mit diesen Völkern auferlegt: die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO — International Labour Organization).

Seitens der UNEP (United Nations Environment Programme) wurde die Konvention über den Schutz der biologischen Vielfalt erlassen. Einige der Artikel besitzen Relevanz für indigene Völker.

Seit einigen Jahren wird auf UN-Ebene an einer UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker gearbeitet — bislang leider erfolglos.

Die WTO (World Trade Organization) sieht TRIPS (Trade Related Aspects of Intellectual Property) als internationales Regime zum Schutz intellektueller Eigentumsrechte vor.

Die Europäische Union hat im November 1998 Richtlinien zur Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern erlassen.

Die ILO-Konvention 169

Das "Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Orbeitsorganisation (ILO) über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern" ist von großer Bedeutung, wenn es um die Rechte indigener Völker geht. Es stellt einen Fortschritt gegenüber seiner Vorgängerversion ILO-Konvention 107 dar. Dort war vorgesehen, die indigenen Völker in die dominante Gesellschaft allmählich zu assimilieren. Die ILO-Konvention 169 hingegen will ganz klar nicht nur die physische, sondern auch die kulturelle Existenz der indigenen Völker sichern. Allerdings wird die Rolle der indigenen Völker auf Beratung beschränkt, konkrete Entscheidungsrechte werden ihnen vorenthalten. Diese obliegen dem ratifizierenden Staat. Deshalb wird auch die Konvention 169 von Betroffenen kritisiert, wiewohl sie das bisher weitreichendste internationale Normenwerk zur Festlegung der Rechte indigener Völker darstellt. Bisher haben dreizehn Staaten das Übereinkommen ratifiziert, die meisten davon sind lateinamerikanische Staaten. Die Konvention wurde bisher von keinem asiatischen Staat ratifiziert.

Österreich und die ILO-Konvention 169

Die österreichische Bundesregierung lehnt eine Ratifizierung der ILO-Konvention 169 derzeit ab.

Das Scheitern des ersten Anlaufes

Eigentlich hatte es in der letzten Legislaturperiode gar nicht so schlecht für eine Ratifizierung ausgesehen: Der Außenpolitische Ausschuß des Nationalrates befaßte sich im Mai 1993 mit der Angelegenheit, nachdem schon ein entsprechende Antrag im Juni 1992 in den Nationalrat eingebracht worden war. Der Ausschuß befand, daß eine Ratifizierung aufgrund der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gerechtfertigt wäre und empfahl diese der Bundesregierung. Im Juni 1993 beschloß das Parlament einstimmig, die Regierung mit der Ratifizierung zu beauftragen. Die Umsetzung dieser Entscheidung verzögerte sich aber, es wurden verschiedentliche Bedenken geäußert: Das Außenministerium verwies darauf, daß die Rechte der indigenen Völker eine innere Angelegenheit jener Staaten sei, in denen diese Völker leben. Das Arbeits- und Sozialministerium gab zu bedenken, daß 79 Gesetzesänderungen notwendig wären, um die österreichische Gesetzgebung konventionskonform zu machen. Die Gesetzgebungsperiode ging vorüber, ohne daß es zu einer Ratifizierung gekommen wäre.

Ein wirkungsloser zweiter Anlauf

Noch aus dieser Legislaturperiode gibt es die zweite Empfehlung des Außenpolitischen Ausschusses des Parlaments vom 1. Juni 1997 an die Bundesregierung, die Ratifizierung zu initieren. Bislang wurde diese aber überhört. Die Argumente für die Ablehnung haben sich nicht verändert. Argumentiert wird weiterhin damit, daß in Österreich keine indigenen Völker leben und eine Ratifizierung daher zur rein humanitären Geste "geradezu herabgewürdigt" werde.

Problematisch erscheint u.a. die Frage der Roma & Sinti, die laut ILO sehr wohl als indigene Völker betrachtet werden können. Allerdings ist diese Sichtweise insofern hinterfragbar, als die Roma & Sinti in Österreich das Kriterium der Selbstidentifikation nicht erfüllen: Die Roma & Sinti verschweigen sich aufgrund des Assimilationsdruckes. Ein Problem bei einer allfälligen ILO-169-Ratifizierung durch Österreich könnten auch die Grenzgänger darstellen: Die Konvention sieht vor, daß Angehörige indigener Völker ungehindert die Grenzen überschreiten können. Das wäre mit der geschlossenen EU-Außengrenze inkompatibel. Außerdem spielt es sicherlich auch eine Rolle, daß keine Transparenz bei der Vergabe bilateraler technischer Kreditfinanzierungen gegeben ist und wohl einige einflußreiche Gruppen in Österreich wenig Interesse daran haben, das zu ändern.

Der UN-Deklarationsentwurf über die Rechte indigener Völker

Zwischen 1985 und 1994 wurde dieser Text (E/CN.4/Sub.2/1993/29) im Rahmen der "Working Group on Indigenous Populations" (UNWGIP) erarbeitet. Vertreter indigener Organisationen wirkten an der Arbeit dieses Gremiums mit. Der Entwurf geht von der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes der indigenen Völker aus. Er formuliert eine allgemeine Anerkennung intellektueller Eigentumsrechte indigener Völker und spricht nicht nur von Landrechten, sondern auch von Territorialrechten.

Der Deklarationsentwurf wurde 1994 in einer Expertengruppe geprüft. Anschließend gelangte er an die Menschenrechtskommission. Diese aber ist keine Expertengruppe, sondern politisch besetzt. Dort wurden nun "Mängel" festgestellt und eine neue Working Group eingesetzt. Es handelt sich also um eine zweite, neue Arbeitsgruppe, was oft zu Verwechslungen führt. Diese Arbeitsgruppe hat erst dreimal getagt. Bislang kristallisierten sich einige Haupteinwände heraus: Das Selbstbestimmungsrecht inkl. der Anerkennung einer eigenen Jurisdiktion stößt auf Widerstand, ebenso wie der Begriff Territorium, der vielen politischen Repräsentanten zu weit ist.

Die jüngsten Gespräche über die Festschreibung der Selbstbestimmungsrechte der 300 Millionen Ureinwohner im Winter 1998 scheiterten am Widerspruch Brasiliens, Chinas, Japans, Frankreichs und der USA. Größtes Hindernis für eine Annahme des von Experten erarbeiteten Entwurfs, der von Vertretern indigener Völker in all seinen Punkten gutgeheißen wird, ist die Sorge um die nationale Einheit. Sie könnte durch das im Entwurfstext geforderte Recht auf Selbstbestimmung in Gefahr geraten.

José Urrutia, Vorsitzender der von der UN-Menschenrechtskommission aufgestellten Arbeitsgruppe, blickt dennoch optimistisch auf die letzten Verhandlungen. Die Atmosphäre habe "sich entschieden gebessert", betonte er, nach dem Treffen zwischen dem 30. November und dem 11. Dezember 1998. Urrutia bezog sich damit auf die Sitzungen der letzten Jahre, die von Vertretern indigener Völker mehrfach unter Protest verlassen worden waren.

Auch nach einer Annahme durch die UN-Generalversammlung, die derzeit in weite Ferne gerückt ist, wird die Deklaration nicht rechtsverbindlich sein. Sie wird aber einen Argumentationshorizont im politischen Diskurs abgeben.

Die UN-Konvention über die biologische Vielfalt

Die im Rahmen der UNEP (United Nations Environment Programme) beschlossene UN-Konvention über den Schutz der biologischen Vielfalt ist ein international rechtsverbindliches Instrument, das die Erhaltung und die "nachhaltige Nutzung" biologischer Vielfalt bezwecken soll. Außerdem sollen Fragen des benefit sharing, also die Verteilung von Vorteilen und Gewinnen, die sich aus der Nutzung der biologischen Vielfalt ergeben, einer Regelung unterworfen werden. Die Konvention bietet einige Schutzmöglichkeiten für indigene Völker, doch hängt die Sache dort auch an der Frage, wem die Souveränität über das betreffende Wissen zukommt: Das ist nun einmal immer der Staat und nie die betreffende Gemeinschaft. Der Artikel 8j dieser UN-Konvention versucht dieses Problem zu lösen, indem er Raum für nationale Sonderregelungen zu Förderung indigener Völker gibt. Aus der Formulierung wird erstmals eine (indirekte) Anerkennung von intellektuellen Eigentumsrechten indigener Bevölkerung abgeleitet. Die Konvention spricht aber nicht von indigenen "Völkern" und nimmt nicht auf Land- und Territorialrecht bezug. Es kommt in jedem Fall auf die einzelnen Staaten an, die entsprechenden Maßnahmen zu setzen.

Juristen empfehlen, Prospektorenverträge abzuschließen, also Verträge zwischen den indigenen Gemeinschaften und interessierten Firmen. Die Beteiligung am Erfolg und Gewinn müßte stets zur Voraussetzung für die Weitergabe indigenen Wissens gemacht werden. Ein wirksamer Schutz indigenen Wissens wird so bald aber nicht erreicht werden können.

Volltext der Konvention auf UNEP Homepage (http://www.biodiv.org/)

Zu den geistigen Eigentumsrechten: die TRIPS der WTO

Das Wissen der indigenen Völker ist u.a. deshalb so ungesichert, weil sich alle Bestimmungen zum Schutz geistigen Eigentums auf Einzelpersonen beziehen, das indigene Wissen aber ein kollektives Eigentum ist. Der 1994 festgelegte neue Welthandelsvertrag WTO (World Trade Organization) sieht TRIPS (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) als internationales Regime zum Schutz intellektueller Eigentumsrechte vor. Gemäß Art. 27 des TRIPS haben die Staaten Patente für alle Erfindungen zu gewähren, vorausgesetzt diese Erfindungen sind neu, beruhen auf einem erfinderischen Schritt und sind gewerblich anwendbar. Dadurch sind die meisten Länder des Südens angehalten, ein dem traditionellen Patentrecht des Nordens entsprechendes Patentrechtssystem einzuführen. Dieses System bevorzugt Leistungen individueller Erfinder, die ihre Erfindungen nach Kriterien westlicher Wissenschaft objektiv darlegen können. Deshalb bedarf es eines rechtlichen Sonderregimes zur Sicherung der Rechte indigener Völker. Das, was heute als "Biopiraterie" bezeichnet wird, findet darin seine Ursache, daß es nicht verboten ist, sich umzusehen, Patente anzumelden und zu vermarkten, ohne die eigentlichen Urheber, die indigenen Völker, an Gewinnen zu beteiligen. Die "Biopiraten" sind durch die Regelungen der WTO geschützt. Die Spielregeln passen nicht für indigene Völker. Man kann deshalb hier nur nach der Maxime handeln: Was ich weiß und nicht patentiert habe, muß ich geheim halten. Das ist der Rat von Juristen an die indigenen Völker.

Richtlinien der Europäischen Union zur Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern

Die EU-Kommission hat im Mai 1998 ein Arbeitsdokument zur "Unterstützung indigener Völker im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit" angenommen. Dies ist das erste Dokument der Kommission, das sich breiter mit der Thematik indigener Völker auseinandersetzt. Diesem Dokument zufolge sollen die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten spezifische Leitlinien für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern erarbeiten. Das Oberziel soll dabei die Stärkung der Rechte indigener Völker sein. Die konkrete soziale Verträglichkeit von Projekten soll in Hinblick auf betroffene indigene Völker bewertet werden. Deren Mitwirkung an den Projekten soll sichergestellt werden.

Mehrere Staaten der Europäischen Union — Die Niederlande, Dänemark, Deutschland, Großbritannien und Spanien — haben eigene auf indigene Völker abzielende Richtlinien oder Strategiepapiere erlassen. Österreich hat bislang keine spezifischen Richtlinien für die Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern angenommen.

Am 30. November 1998 hat der Rat der Entwicklungsminister der Europäischen Union die Entschließung "Indigene Völker im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten" verabschiedet. Daran wird eine Anerkennung der Schlüsselrolle indigener Völker bei der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen ausgesprochen. Indigene Völker haben ein Recht darauf, ihre eigenen Entwicklungswege zu wählen. Dies schließt, so der Rat, auch das Recht ein, Einwände gegen die Durchführung von Projekten zu erheben. Die Entschließung schreibt kaum konkrete Handlungsschritte vor, ist aber dennoch sehr zu begrüßen, da sie ein erstes offizielles Umdenken aufzeigt.

UN-Deklaration über die Rechte der ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten. Diese UN-Deklaration (A/RES/47/135) aus dem Jahre 1992 enthält eine Reihe von Artikeln, die für Angehörige indigener Völker von Relevanz sind. (gopher://gopher.un.org/00/ga/recs/47/135)

Ausschnitt aus dem Bericht der Evangelische Kirche in Deutschland zur ILO Konvention 169

Besonders interessant waren die Ausführungen des ILO-Vertreters. Die ILO muß als wichtige Menschenrechtsorganisation angesehen werden. Im Gegensatz zur UNO hat sie jedoch kein umfassendes Menschenrechtsmandat, sondern arbeitet nur zu bestimmten Menschenrechtsverletzungen, dies aber sehr intensiv. Der ILO-Vertreter erläuterte zunächst Geschichte und Arbeitsweise der ILO:

Sie wurde 1919 als Teil der Vereinbarungen des Versailler Vertrages gegründet, ist also viel älter als die UNO. Ihre Gründung geschah in einer Zeit, die von Arbeiteraufständen gekennzeichnet war, in Deutschland, in Wien und anderen Orten Europas. Die Russische Revolution hatte kurz zuvor stattgefunden. Die ILO war die Antwort der westeuropäischen Regierungen darauf. Ihr Hauptziel ist bis heute, eine internationale Arbeitsgesetzgebung zu entwickeln. Deshalb waren von Anfang an Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter gleichberechtigt mit den Staatenvertretern beteiligt. Dies wird in allen ILO-Organen durchgehalten. Hauptorgan der ILO ist die jedes Jahr im Juni in Genf stattfindende ILO-Konferenz.

Bisher hat die ILO 184 Konventionen verabschiedet. Hauptthemen sind das Menschenrecht der Vereinigungsfreiheit, das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit und der Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die ILO und ihre Gremien überwachen auch die Einhaltung ihrer Konventionen durch die Staaten. Alle Staaten, die eine der ILO-Konventionen unterzeichnet haben, müssen regelmäßig über deren Einhaltung berichten. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften dürfen diese Berichte kommentieren. Sie können auch Beschwerden vortragen, daß ein Mitgliedstaat eine von ihm unterzeichnete Konvention verletzt habe. So haben z.B. holländische Gewerkschaften die Lage in Indonesien zur Sprache gebracht. Geprüft werden die Berichte von einer Kommission aus unabhängigen Experten. Sie überprüft die Einhaltung aller ILO-Konventionen, es gibt also nicht wie bei der UNO für jede Konvention ein eigenes Überprüfungsgremium. Den Ländern, in denen die gröbsten Konventionsverletzungen stattfinden, werden auf der Sitzung der Expertenkommission im Rahmen der oben genannten ILO-Konferenz sehr kritische Fragen gestellt. Die Expertenkommission erarbeitet dann einen Bericht für die Konferenz.

Der ILO-Vertreter berichtete in Genf, daß die ILO zur Zeit an einer Konvention der fundamentalen Rechte arbeitet, die für alle ILO-Mitglieder unabhängig von einer Unterzeichnung bindend sein soll. Die Möglichkeit der Individualbeschwerde ist in der ILO nicht vorgesehen. Es wird versucht, Konfrontationen zu vermeiden. Die Zugangsmöglichkeiten für NRO sind minimal. Auf Nachfrage räumte der ILO-Vertreter ein, daß es wenig Zusammenarbeit mit den UN-Organen gebe. Das läge aber auch daran, daß diese ihrerseits die ILO kaum wahrnähmen, da sie keine UN-Organisation im engeren Sinne ist.

Von einer Besonderheit der ILO soll noch die Rede sein: Das einzig verbindliche Rechtsinstrument hinsichtlich der Rechte der indigenen Völker ist die ILO-Konvention 169. Schon 1957 war von der ILO die Konvention 107 verabschiedet worden, die von Vetretern der Indigenen jedoch scharf kritisiert worden war, weil sie sehr stark auf eine Assimilierung der indigenen Völker ausgerichtet war. Zu der Erarbeitung der Konvention 107 durch die ILO war es gekommen, weil es — so berichtete der ILO-Vertreter — ursprünglich um die Arbeitsbedingungen von Anden-Indianern in den betroffenen Ländern der Region ging. Damals hatte die UNO einige ihrer Unterorganisationen unter der Führung der ILO, die auf diesem Gebiet als einzige internationale Organisation über Erfahrung verfügte, beauftragt, eine Konvention zu erarbeiten. (Auch bei der Neuauflage der Konvention über die Rechte der indigenen Völker waren die Vertreter der Indigenen sehr darüber enttäuscht, daß sie nicht frei, sondern nur über die Gewerkschaftsvertreter, in der Konferenz auftreten konnten. Ihre Möglichkeiten überschritten allerdings bei weitem das, was für andere NRO bis heute bei ILO-Konferenzen möglich ist. Trotzdem ist es schon seltsam, wenn die Betroffenen im Zuschauerraum sitzen, wenn im Plenum von anderen über ihr Recht, selbst ihr Schicksal zu bestimmen, verhandelt wird. Viele Vertreter der Indigenen ziehen daher die sehr viel freieren Diskussionen in der UN-Arbeitsgruppe über die Rechte der indigenen Völker vor. Bisher ist es dort jedoch zu keinem Ergebnis gekommen, während die ILO-Konvention 169 völkerrechtlich verbindlich ist.) Der ILO-Vertreter in Genf hob die große Bedeutung der Konvention 169 für den Friedensprozeß in Guatemala hervor. Eine Bedingung für den Friedensschluß war die Ratifizierung dieser Konvention durch Guatemala gewesen.

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