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Brief an unsere Compañer@s des EZLN, von Sergio Rodríguez Lascano
Kommunique vom 20.12.2013 |
Sergio Rodríguez Lascano |
übersetzt von RedmycZ, Christine |
Brief an unsere Compañer@s der Nationalen zapatistischen Befreiungsarmee
Sergio Rodríguez Lascano
Compañer@s:
Es sind fast 20 Jahre vergangen seit dem Tag, als wir mit der Nachricht aufwachten, dass sich die Indigenen Maya im Bundesstaat Chiapas gegen die schlechte Regierung des unaussprechbaren Carlos Salinas de Gortari in Waffen erhoben hatten. Damit begannen grosse Mobilisationen und ein nicht immer leichter Dialog mit der Nationalen zapatistischen Befreiungsarmee.
Eine neue Generation ging auf eine elementare Art von da an auf die Strasse und identifizierte sich mit der zapatistischen Rebellion. Sie waren es, diese Maenner und Frauen, die einen Grossteil der Mobilisationen in der ersten Phase des zapatistischen Kampfes praegten.
Die zapatistische Erhebung vom 1. Jaenner brachte das nationale Gewissen zum schwingen. Wirklich, wie José Emilio Pacheco sagte: ¨Wir schlossen die Augen um zu glauben, dass das andere Mexiko verschwinden wuerde, wenn wir es nicht sehen. Am 1. Jaenner 1994 erwachten wir in einem anderen Land. Am Tag, an dem wir unseren Eintritt in die erste Welt feiern wollten, drehten wir die Zeit um ein Jahrhundert zurueck bis wir uns neuerlich mit einer Rebellion trafen, wie die von Tomochic. Wir glaubten, wir seien Nordamerikaner und wollten es sein und dabei erschien uns unser mittelamerikanisches Schicksal. Das vergossene Blut schreit um Beendigung des Massakers. Die Gewalttaetigkeit der Rebellen wird nicht eher zu Ende sein, bevor nicht die Gewalttaetigkeit der Unterdruecker endet. (José Emilio Pacheco, La Jornada, 5. Jaenner).
Die mexikanische Linke und die auf der ganzen Welt befand sich zu dieser Zeit in einer scheinbaren Sackgasse. Am 11. November 1989 begannen die sogenannten ‘Volksdemokratien‘ (DDR, Tschechoslowakei, Ungarn, Bulgarien, Polen, Rumaenien, Albanien) zu fallen, wie Kegel auf der Kegelbahn. 1991 zerfiel die UDSSR, und abgesehen davon, was jeder fuer sich davon hielt, kann niemand die Tatsache leugnen, dass in der Praxis der Zusammenbruch einem wilden Kapitalismus Tuer und Tor oeffnete, welcher von einer kriminellen Mafia dirigiert wird.
In Suedamerika verlieren am 25.2.1990 die Sandinisten die Wahlen und es beginnt nicht nur der Prozess der Beraubung der nicaraguanischen Bauern sowie das Ende der Gensossenschaften, sondern auch die Korruption macht sich unter den sandinistischen Machthabern breit. Noch wog schwer, dass einer der Gruender des Sandinismus und emblematische Erscheinung der Revolution, Tomas Borge ein Buch-Lobhudelei-Pamphlet geschrieben hatte — verkleidet als Interview mit Carlos Salinas de Gortari — mit dem Titel ‘Dilemmas der Modernitaet‘,
Am 16. Jaenner 1992 wurde das Chapultepec-Abkommen zur Beendigung des Krieges in El Salvador unterschrieben, ohne dass eine grosse Anzahl der Hauptforderungen der armen Bevoelkerung erfuellt worden waeren, die wichtigste von allen, das Recht auf Grund und Boden. Waehrend dieses Prozesses hat der Herr Joaquín Villalobos (»Leiter« des FMLN) − welcher bereits mit dem Fluch belastet war, die schreckliche Entscheidung zu Ermordung des grossen Dichters Roque Dalton getroffen zu haben − seine AK-47 Carlos Salinas de Gortari uebergeben.
Nach alle dem wurde versucht, alles im institutionalisierten Rahmen unterzubringen, in der repraesentativen Demokratie. Alle wollten eine Linke, die sich darauf beschraenken sollte, ein aufmuepfiger Kunde des kapitalistischen Staates zu sein.
Inmitten dieser antikommunistischen Euphorie und den Kolloquien in denen das Ende der Geschichte und das Kommen einer neuen Weltordnung verkuendet wurde, gab es Einen, der gut beschrieb, in welcher Epoche wir lebten und machte ein Statement, welches unserer Sturheit Sinn gab: Eduardo Galeano, der einen unvergesslichen Text schrieb: ‘In Bukarest traegt ein Kran die Statue von Lenin weg. In Moskau steht ein gieriger Haufen Schlange vor McDonald‘s. Die schauderhafte Berliner Mauer wird in Stuecken verkauft und Ostberlin bekraeftigt, dass sie auf der rechten Seite von Westberlin situiert sind. In Warschau und in Budapest sprechen die Wirtschaftsminister ganz gleich wie Margaret Thatcher. Auch in Peking, waehrend die Panzer die Studenten niederwaelzen. Die italienische kommunistische Partei, die groesste im Abendland, kuendigt den bevorstehenden Selbstmord an. Die Sowjethilfe fuer Aethiopien wird reduziert und Oberst Mengistu entdeckt ploetzlich, dass der Kapitalismus gut ist. Die Sandinisten, Helden der schoensten Revolution der Welt verlieren die Wahlen. Die Revolution faellt in Nicaragua, verkuenden die Zeitungen. Es scheint so als gaebe es keinen Platz mehr fuer Revolutionen, nur in den Vitrinen der archaeologischen Museen, noch Platz fuer die Linke, ausgenommen fuer die reuige, die einwilligt, sich an der Rechten der Baenker niederzulassen. Wir sind alle zum Weltbegraebnis des Sozialismus eingeladen. Der Trauerzug umspannt die ganze Menscheit, so sagen sie.
Ich gestehe, dass ich das nicht glaube. Diese Begraebnisse haben sich mit dem Toten geirrt‘.
(Eduardo Galeano: Das im Freien verlorene Kind).
Die zapatistische Erhebung am 1. Jaenner eroeffnete einen neuen Zyklus von gesellschaftlichen Konfrontationen. Die Faehigkeit, ihr Anliegen zu verbreiten, welches das der Verdammten der Erde ist, oeffnete eine Bresche, um den Weg der Suche einer emanzipatorischen Praxis wieder-zubeschreiten.
Das libertaere Gedankengut der Zapatisten oeffnete ein grosses Loch in dem anscheinend festen ideologischen Gebaeude der Macht des Kapitals und erlaubte, dass alte gute Ideen und neue gute Ideen wieder zum Ausdruck kamen.
Inmitten der groessten Euphorie der dominierenden Klasse, als die Champagnerglaeser zum Anstossen auf unseren Eintritt in die erste Welt erhoben wurden (am 1. Jaenner wuerde das Freihandelskommen in Kraft treten); als der priimso sich wieder sicherer fuehlte, weil sie es schafften, ihren Kandidaten aufzustellen, ohne dass es zu grossen Bruechen innerhalb der Partei gekommen waere; als die 15 reichsten Familien des Landes die Faehigkeit der Kontrollmechanismen feierten, die die ‘Beschissenen‘ (wie der Zar des Privatfernsehens, Emilio Azcarraga Milmo die Armen nennt) dominieren konnten, in diesem Moment erhob sich das zapatistische Volk. Sie waehlten dieses Datum um zu zeigen, dass die Erinnerung durch eine ausschliessende Modernitaet nicht besiegt wurde.
Weder die Regierung und die Rechtsparteien, noch die Linke oder der demokratische Sektor hatten auch nur die geringste Ahnung, dass so etwas passieren koennte. Wir wussten um den Groll, welcher sich in der Brust aufstaute, auf eine verschuettete Art, aber wir dachten nicht, dass er sich auf diese Art ausdruecken werde.
Wir versuchten zu verstehen. Selbstverstaendlich war es nicht nur so, dass wir die Gesamtheit der neuen Grammatik der zapatistischen Rebellion nicht immer richtig verstanden, sondern auch, dass uns viele Gedanken fremd waren und wir vieles und oft missverstanden.
Das Wichtigste ist, dass der 1. Jaenner einen Hauch von frischer Luft brachte. Wir gingen auf die Strasse, nicht nur, um von der Regierung zu verlangen, dass der Krieg eingestellt werde sondern auch um zu zeigen, dass alle Loblieder ueber das Ende der Geschichte nichts anderes waren als leerer ideologischer Diskurs.
Der Gedanke, dass NICHT alles verloren war, war der Schluessel um zu verstehen, dass diese Rebellion letzendlich nichts anderes war als ein Riss, durch den wir sehen konnten, dass noch viele Kaempfe vor uns lagen. Dass die Geschichte nicht nur nicht zu Ende war, sondern dass sie da noch viele weisse Seiten aufwies.
Heute koennen wir dem hinzufuegen, dass fuer uns die zapatistische Erhebung kein Jahrtag ist, eine Begebenheit die Gefahr laeuft, vom allesfressenden Kapitalismus verschlungen zu werden. Trotz aller Versuche der Medien, nimmt der Zapatismus am Medienspektakel nicht teil.
Der Zapatismus war in der Tat ein Prozess voll von vielen leuchtenden Ereignissen aber vor allem war er ein ununterbrochener Prozess des Kampfes, der Aktionen, von Erfahrungen, die, untereinander verbunden, eine neue Praxis der Linken von Unten gebildet haben.
Daher, trotz der unzaehligen Male, in denen die Kommentatoren und Chronisten — die ihr Scheinbild mit der Wirklichkeit verwechseln — den Zapatismus fuer tot erklaerten, hat dieser nicht nur weiter bestanden sondern hat neue soziale Prozesse generiert.
Im Inneren mit der Entwicklung der Auonomie (ein echter Prozess der Selbst-Organisation ohne Gleichen in der Geschichte, zumindest auf so eine tiefgreifende und andauernde Art) und der Bildung von neuen gesellschaftlichen Beziehungen, das heisst, von neuen Lebensformen. Und gegen Aussen das nicht Anstreben von Vorherrschaft oder Homogenisierung noch Leiten von anderen gesellschaftlichen Bewegungen.
Immer auf der Seite der Verfolgten, der Gedemuetigten und Angegriffenen, ganz speziell der am meisten Verfolgten, der am meisten Gedemuetigten und der am meisten Verfolgten.
Nicht in der abstrakten Verteidigung des Vaterlandes oder der Nation, sondern im Bezug auf die Menschen, die unten und ganz unten leben, und als entbehrlich gelten oder einfach als Kanonenfutter die nichts anderes verdient haben als hinter ihren Dirigenten herzulaufen, die ihnen vorschreiben, wann die Hand zu erheben ist. Diese Menschen, die der wesentliche Kern des Vaterlandes oder der Nation sind.
Wenn man einen Zapatisten fragen wuerde: ‘Was waren die besten Jahre Deines Lebens?‘ wuerde dieser antworten: ‘die, die noch kommen werden‘. Denn eine der wichtigsten Dinge, die uns der Zapatismus gezeigt hat, ist sein staendiger Wille zum Kampf, seine Faehigkeit zur Organisation und seine Ueberzeugung — trotz allem, obwohl das auf das Unverstaendnis Vieler/Viele stoesst — dass wir siegen werden.
Wenn die zapatistische Rebellion — deren Komplizen wir sein moechten — weder ein Datum, noch ein Jahrtag, noch ein Vorkommnis ist, auch nichts Versteinertes, Dogmatisches oder Beendetes, dann ist es etwas, das taeglich aufgebaut, umgearbeitet und zementiert wird.
Wenn andere sich als besiegt fuehlen weil sie glauben, dass ‘die Mutter aller Kaempfe‘ bereits verloren ist, ist das ihr gutes Recht. Wir Maenner und Frauen ziehen die Vorstellung vor, die die franzoesischen Studenten im Mai 1968 hatten: ‘das ist nichts anderes als der Beginn, das Gefecht geht weiter‘.
Viel Wasser ist seit dem 1. Jaenner 1994 den Fluss hinunter geflossen. Und viele waren es, die Angriffe der Herren des Geldes, der politischen Klasse und ihrer Reitknechte, schaebige ‘Intellektuelle‘, die von Anfang an fuer eine unmoegliche Mission angestellt wurden: mit einiger Glaubwuerdigkeit die zapatistischen Menschen und die zapatistische Armee zu verleumden. Die olivgruenen Federn verkauften sich an den Bestbieter, vom Pamphlet Nexos bis zu dem, was heute dessen Spiegelbild ist: die Tageszeitung La Razón. Sie alle haben verschiedene Schreiberlinge aufgenommen, die dazu neigen, zu zeigen was sie sind: Soeldner, die mit der rechten Hand schreiben und mit der linken kassieren.
Der vitale Impuls, der von unten kam wurde nur von einem Teil der mexikanischen Linken gehoert und verstanden. Jenen, die nicht unter dieser Halskrankheit leiten die man Torticollis nennt und daher ruehrt, dass man den Kopf und den Blick immer nach oben richtet, um eine Macht schmachtend welche — obwohl es niemand von ihnen bemerkte — nicht mehr existiert, sondern ein Hologramm ist.
Wir unsererseits, die wir die rebellischen Vorgaben der Anderen Linken aufrecht erhalten haben, haben uns mit Hilfe des Beispiels der Zapatisten entschieden, unten und links zu verweilen. Der Errichtung einer anderen Realitaet verpflichtet, wo die Mechanismen der Selbstverwaltung der Gemeinschaft der Antrieb fuer die praktischen und theoretischen Veraenderungen sind. An der Seite jener, die in den Kellern und Erdgeschossen des kapitalistischen Gebaeudes leben.
Um dies zu erreichen war es noetig, dass wir — Maenner und Frauen — bereit waren, viele Dinge neu zu erlernen, wie wir weiter unten sehen werden.
In diesem Prozess, in dem ‘der Lehrer unterrichtet werden muss‘ war das Neu Erlernen grundlegend.
Natuerlich war der Weg nicht einfach. Viele theorische Denkmuster der Linken wurden in Frage gestellt:
a) Die Vorstellung einer Avantgarde, die die sozialen Bewegungen von aussen dirigiert.
b) Die Ansicht, dass die Theorie Exklusivitaet der Denker mit Universitaetsabschluss ist.
c) Die Ansicht, dass die Arbeiterklasse die einzige revolutionaere Klasse ist.
d) Die Ansicht, dass im Klassenkampf das Element ‘Klasse‘und nicht ‘Kampf‘ wichtig ist.
e) Die Ansicht, dass Vielfalt und Verschiedenheit fuer den gemeinsamen Kampf stoerend sind.
f) Die Ansicht, dass der Staat das einzig Instrument ist, das dazu dient, die Lebensbedingungen und die gesellschaftliche Organisation eines Volkes dauerhaft zu veraendern.
g) Die Ansicht, dass wir fuer eine sozialistische Revolution kaempfen, der wir einen Blankoscheck unterschreiben muessen und dabei die Kaempfe der sogenannten Minderheiten (Indigene, Frauen, Homosexuelle, Lesben, andere Lieben, Punks etc) links liegen lassen koennen.
h) Die Ansicht der Linken — die auch im eindimensionalen Denken verhaftet ist — dass der, der nicht in ihre Vorstellung passt, ein Feind ist.
Angesichts dieser Krise von Paradigmen haben wir begonnen ein Anderes Denken anzunehmen. Das Erste war der Bruch mit dieser Vorstellung, dass Politik eine Aufgabe ist, die nur von Spezialisten ausgefuehrt werden kann. Dass es sich um eine Angelegenheit voller verborgener Geheimnisse handelt, die fuer die Normalbevoelkerung nicht geeignet ist.
Langsam entdeckten wir, dass es eine andere Theorie gibt: jene die aus den echten Bewegungen erwaechst, jene die nicht die der Schwalbe ist, die noch keinen Sommer macht. Es ist dort, in den Gemeinden, barrios, ejidos, Doerfern, wo die Menschen beginnen darueber nachzudenken, was es bedeutet, die Steuerung ihres Schicksals in die eigenen Haende zu nehmen und daraus folgernd eine Theorie erstellen, die von ihnen selbst stammt.
Dieser Durchbruch der ‘Fussgaenger der Geschichte‘, wie die zapatistischen Compañeros es so schoen ausdruecken, hat mehr als einen in die Krise gefuehrt, jene die sich fuer die Eigentuemer des politischen Denkens halten, jene, die ‘Antworten‘ auf alles was in der Welt geschieht haben, Ergebnis einer tiefgruendigen Lektuere .......der Zeitungen. Natuerlich, wie das immer so ist, kein Mensch hoert auf sie.
Die Unwissenden der Politik, jene die keine Papiere haben und keine Universitaetsabschluesse, jene, die bereits seit einigen Jahren die wirkliche politische Theorie schreiben.
Die grosse Frage ist, ob die, die den Anspruch auf die Organisation der Avantgarde fuer sich erheben und die ‘Meinungsbildner‘ sind, die Bescheidenheit haben werden, diese Stimmen zu hoeren. Ob sie faehig sein werden, die Lautstaerke des Getoeses zu daempfen, das ihre Theorien erzeugen, fast immer Ergebnis von analogen Entwuerfen, die fuer jeden historischen Augenblick Gueltigkeit haben, das heisst, fuer keinen einzigen.
Man lernt das Zuhoeren nur, wenn man schweigt. Wird es moeglich sein, dass nach so vielen Jahren des Sprechens die Linke faehig sein wird, zu schweigen und zuzuhoeren? Die Stimmen die von unten kommen, obwohl sehr leise, sind klar und scharf. Unerlaesslich ist nur, sich zu buecken und gut aufzupassen.
Und dann werden wir merken, dass aus dem Tiefsten der mexikanischen Gesellschaft, in Form eines Sturzbaches solche Einfaellen und Gedanken spriessen, wie wir sie heute in der kleinen zapatistischen Schule sehen. Wenn wir das Gehoer schaerfen um zu schauen, werden wir zugeben muessen dass, ja es ist wahr, die neuen Generationen der Zapatisten viel klarer und faehiger sind als jene, die den Aufstand angefangen haben. Die unzaehligen Stimmen der zapatistischen Unterstuetzungsbasen bestaetigen uns dass, trotz der grossen Anstrengung ihres Militaerchefs und Sprechers, dieser uns nur ein blasses Spiegelbild dessen uebermitteln konnte, was im zapatistischen Territorium passiert.
Die Reichhaltigkeit dieser Erfahrung hat uns neues praktisches und theoretisches Werkzeug geliefert. Es steht in unserer Verantwortung, dass seine Verwendung Fruechte traegt. Wir wissen, dass es nicht leicht war und wir sind weit davon entfernt, es erreicht zu haben, aber wir versuchen es, wir versuchen es wirklich. Und heute koennen wir sagen, dass wir hier stehen.
Dass wir nicht aufgeben, dass wir uns nicht verkaufen, dass wir nicht abfallen. Dass wir uns, da besteht kein Zweifel, geirrt haben, aber wir haben es geschafft, dass das Feuer nicht erlischt und haben die Asche entfernt. Dass dieses Feuer heute nur eine Flamme ist, vielleicht ein Flaemmchen, aber sie wird taeglich von zwei Dingen genaehrt: den zerstoererischen Aktionen der neoliberalen Macht, ausschliessend und habgierig, die uns zwingt, kategorisch das Gebot seiner Beseitigung zu verfolgen und der unbeugsame Wille dessen, was wir sind.
Taeglich, mit unserer Praxis und unseren Gedanken, hueten wir diese Flamme oder dieses Flaemmchen, die unseren Willen gegen Ausbeutung, Beraubung, Unterdrueckung und Missachtung, das heisst, gegen die Essenz des Kapitalismus zu kaempfen darstellt.
Und wir machen folgende Worte zu den unseren, die Ihr anlaesslich des Festivals des Wuerdigen Zorns ausgesprochen habt:
¨Erlauben Sie uns, dass wir Ihnen erzaehlen: Die EZLN fiel in Versuchung von Hegemonie und Homogenitaet. Nicht nur nach der Erhebung, auch vorher. Es gab die Tendenz, Formen und Identitaeten aufzuzwingen. Dass der Zapatismus die einzige Wahrheit sein solle. Und es waren die Menschen, die das zuerst verhinderten und uns dann lehrten, dass es nicht so ist, dies nicht der Weg ist. Dass wir nicht eine Vorherrschaft durch eine andere ersetzen duerfen und dass wir jene, die wie wir waren und sind, aber nicht wir sind, ueberzeugen und nicht besiegen muessen. Sie lehrten uns, dass es viele Welten gibt und dass es moeglich und noetig ist, sich gegenseitig Respekt zu zollen.....
¨Was wir Ihnen sagen wollen ist, dass diese Pluralitaet, so gleich in ihrer Wut und so unterschiedlich in der Art, wie man sie verspuert, die Richtung und das Ziel ist, die wir verfolgen und die wir Ihnen vorschlagen.....
¨Wir sind nicht alle Zapatisten (Tatsache, die wir manchmal begruessen). Wir sind auch nicht alle Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten, Libertaere, Punks, Skats, Darks und wie auch immer jeder sein Anders-Sein bezeichnen moege....¨
(Fragment der Rede des Subcomandante Insurgente Marcos: »Sieben Winde in den Kalendern und Geographien derer von Unten«).
Diese Auffassung fordert uns auf, eine Antwort zu suchen. Nachstehend einige Gedanken, die selbstverstaendlich nur der Beginn der Ueberlegungen sind.
»In der Sexta sagten wir nicht, dass alle indigenen Voelker der EZLN beitreten muessen, wir sagten auch nicht, dass wir Arbeiter, Studenten, Landarbeiter, Jugendliche, Frauen, Andere, Anderer, Anderere dirigieren werden. Wir sagten, dass jeder seinen Platz hat, seine Geschichte, seinen Kampf, seinen Traum, seine Proportionalitaet. Und wir sagten, dass wir eine Vereinbarung treffen fuer den gemeinsamen Kampf, fuer alles und fuer das, was jeden, was jede EinzelneR betrifft. Durch die Vereinbarung unter den uns jeweils betreffenden Proportionalitaeten, sei das Land, das daraus entsteht, die Welt, die wir erlangen, von den Traeumen aller und jedes Einzelnen der Besitzlosen gestaltet.
¨Dass diese Welt so buntscheckig sein moege, dass die Alptraeume,die wir von Unten durchleben, keinen Platz finden.
¨Wir sind besorgt, dass in dieser Welt, geboren aus so viel Kampf und so viel Wut, die Frau weiterhin mit allen Varianten der Missachtung, die uns die partriarchische Gesellschaft aufgezwungen hat, bedacht wird; dass die unterschiedlichen sexuellen Praeferenzen weiterhin als komisch oder krank betrachtet werden; dass weiterhin vorausgesetzt wird, dass die Jugend gezaehmt werden muss, das heisst, gezwungen wird zum ‘Erwachsen werden¨; dass wir Indigene weiterhin verachtet und gedemuetigt werden oder bestenfalls wie die guten Wilden behandelt werden, die zivilisiert gehoeren.
¨Nun, wir sind besorgt, dass diese neue Welt nicht ein Clon der aktuellen wird, oder ein Genverseuchung oder eine Kopie dessen, was uns heute entsetzt und was wir verwerfen. Wir sind schlussendlich besorgt, dass es auf dieser Welt weder Demokratie, noch Gerechtigkeit noch Freiheit geben werde¨.
¨Daher moechten wir Ihnen sagen, Sie bitten, dass wir nicht aus unserer Kraft eine Schwaeche machen. Dass wir so viele und so unterschiedlich sind, wird uns erlauben, die sich naehernde Katastrophe zu ueberleben und wird uns erlauben, etwas Neues aufzubauen. Wir moechten Ihnen sagen, Sie bitten, dass dieses Neue auch anders sein moege¨.
(Fragment der Rede des Subcomandante Insurgente Marcos: »Sieben Winde in den Kalendern und Geographien derer von Unten«).
Was wuerden wir schreiben wenn wir heute den Anspruch erheben wuerden zu sagen, was es ist, was uns die zapatistische Erfahrung zeigt?
Jedes Mal, wenn ein Mann, eine Frau, ein Kind oder ein alter Mensch der zapatistischen Basisgruppen ueber ihren/seinen Kampf spricht, die Autonomie, den Widerstand, gibt es ein Wort, das sich beharrlich wiederholt: Organisation. Aber: wie schaffen wir die? Das Problem loest sich nicht, wenn wir das Wort wie ein ‘Sesam oeffne dich‘ verwenden.
Auch koennen wir das nicht einfach zum Modell erheben, wo sie selber sagen, dass es kein Modell ist. Dass sie es so gemacht haben, aber dass es auch andere Vorgehensweisen geben wuerde.
Wenn wir die eindimensionale Denkweise der Rechten ablehnen, dann ist es undenkbar, dass wir jetzt eine Art eindimensionales Denken der Linken von Unten einfuehren werden.
Nein, es handelt sich darum, aus den taeglichen Erfahrungen, die wir erarbeiten zu lernen. Und diese Erfahrungen, obwohl aehnlich, werden nicht gleich sein. Aber: wird es etwas geben, das uns erlaubt, uns auf diesem gewundenen Weg zu beraten?
Ja, da gibt es einige Dinge, zumindest glauben wir das.
a) Uns immer auf die Seite der Verdammten der Erde zu stellen.
b) Nicht nach oben schauen, aber auch nicht nach unten. Immer versuchen, komplizenhafte Blicke auf die Seite zu werfen, das heisst, wo wir dazu gehoeren, das heisst zum Unten.
c) Das Zuhoeren dem Sprechen vorziehen. Dem von Unten die Moeglichkeit geben, dass er spricht und uns sagt, was er weiss.
d) Verstehen dass es unvermeidbar ist, dass von Seiten der Macht und deren Medien Lynchjustiz ausgeuebt wird gegen jene AndererE die stoeren, sich nicht einteilen lassen, nicht stramm stehen: gegen die Rebellen.
e) Der Versuchung widerstehen, die Bewegungen zu leiten. Das verursacht immer Schwindel. Immer taucht die Frage auf, wie werden sich die artikulieren, die kaempfen, die Bevoelkerung die unten wohnt, wenn sie niemand fuehrt. Nun, die Antwort, obwohl sie einfach ist, ist schwer zu akzeptieren: durch sie selber.
f) Die Formen der Organisation, die jeder fuer sich anwendet, akzeptieren, wenn sie uns auch verschlungen und hoffnungslos langsam erscheinen. Jedem nach seine Art.
g) Die von oben auferlegte Konjunktur nicht verfolgen, sondern arbeiten, um unsere eigenen Konjunkturen zu schaffen. Das Schachbrett der Politik zu bewegen heisst, die Regeln der ‘politically correctness‘ nicht zu respektieren. Wir streben an, ‘politically incorrect‘ zu sein.
h) Arbeiten und in der Differenz erbauen. Indem wir Orte errichten, wo Frauen nicht wegen des Frau-Seins belaestigt werden. Wo die verschiedenen sexuellen Praeferenzen akzeptiert werden. Wo keine Religion aufgezwungen wird aber auch nicht der Atheismus. Wo das Treffen mit Anderen, Verschiedenen gefoerdert wird.
i) Wo wir uns nicht selbst limitieren, denn die Polis ist viel viel komplizierter als der Urwald. Viele sagten, dass die Zapatisten machen konnten was sie machen, weil ihre Gesellschaftsordnung nicht so komplex ist. Aber in den Grossstaedten, da gibt es ein komplexe Gesellschaft die es unmoeglich macht, dass die Menschen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Darueber wurden Theorien verfasst, sowohl von den Rechten als auch von den Linken. Dieses ‘Argument‘ enthaelt zwei Dummheiten: die Vorstellung, dass die zapatistischen Voelker eine einfache Gesellschaft seien. Wer das sagt, war nie in zapatistischem Terrain, wo fast jeder Compañero, jede Compañera eine eigene autonome Gemeinde darstellt. Wir wollen nur daran erinnern, dass in einer Junta de Buen Goberierno compañeras und compañeros zusammenleben, die bis zu 4 verschiedene Sprachen sprechen. Die andere Dummheit besteht darin, die Bewohner der Grossstaedte zu verharmlosen und sie ihrer Faehigkeit der Entscheidung zu berauben, wegen eines technischen Problems: die Kommunikationsschwierigkeit. Will ja nur sagen, das sind dieselben, die Loblieder auf Internet und social media anstimmen.
Zusammenfassend, das sind nur einige Ideen. Es sind nicht alle und es ist wahrscheinlich, dass es nicht die besten sind.
Die Frage ist, wie manche so schoen sagen: die Geschichte beisst uns in den Hals, wir muessen uns umdrehen und der Geschichte den Hals abbeissen. Natuerlich, all das mit grosser Ernsthaftigkeit und Geduld.
In diesem Prozess werden viele Erfahrungen auftauchen, aus denen wir lernen koennen. Hier werden ‘100 Blumen bluehen‘, welche hundert oder mehr Formen der unterschiedlichen Organisation darstellen. Es gibt keine Grenzen ausser denen, die wir uns selbst setzen.
In den Worten, mit denen wir uns der compañer@s des EZLN anlaesslich des Festivals der Wuerdigen Wut erinnern, befindet sich das Wesentliche von dem, was die gute neue Nachricht ist: Ja es stimmt, dass das vereinte Volk niemals bezwungen werden kann aber nur wenn man versteht, dass es in der Unterschiedlichkeit errichtet wird, das grosse Nosostr@s = WIR, welches dieses Land und die Welt brauchen.
Wir unsererseits moechten zum Abschluss sagen, dass wir seit dem 1. Jaenner 1994 beschlossen haben, dass unsere Zukunft auf der Seite unserer Brueder und Schwestern und compañer@s zapatistas sein wird. Wir waren nicht die, die nur da waren fuer das Foto, im Moment, in dem die Medien und die, die immer hinter der Mode herlaufen, die zapatistischen Fuehrer, vor allem den Subcomandante Insurgente Marcos, auflauerten.
Und heute, fast 20 Jahre nach der grossen Erhebung und 20 Jahre nachdem wir wussten, dass ihre Rebellion auch die Unsere war, sagen wir den zapatistischen compañer@s : hier sind wir, hier werden wir weiterhin verharren, wir werden versuchen, mit Euch zu gehen, Schulter an Schulter, wie ein Teil der Sexta. Wir sagen Euch, ja, in der Tat, wir haben auch ein Ziel, ein bescheidenes: das Leben zu veraendern, die Welt zu veraendern.
Wegen all Obgesagtem und wegen vieler anderer Gruende und Grundlosigkeiten, haben wir, eine Gruppe von Maennern, Frauen, Buben, Maedchen, Alten, Anderen, beschlossen, uns zu organisieren, denn wir haben verstanden, dass die organisierte Rebellion einer der Wege ist, fuer uns der wichtigste, der uns dort hin bringt, wo wir hin wollen.
Nicht, einen einzigen Weg und ohne Hindernisse zu errichten, sondern einen, wo wir viele andere treffen, zusammen arbeiten koennen was aber nicht heisst dass wir sagen werden: ‘kommt hierher, der richtige ist dieser‘. Denn nach 20 Jahren lernen wir, dass die Wege durch das Gehen entstehen, in der Taetigkeit und nicht in theoretischen Diskussionen ohne praktische Wurzeln.
Ausgehend von der zapatistischen Sicht der Welt, von Mexiko und des Lebens versuchen wir einen gemeinsamen Rahmen zu finden, einen bewohnbaren Unerschlupf fuer unsere Rebellion, eine Kasematte die Stuetzpunkt ist um unsere Arbeit des alten Maulwurfs (oder besser gesagt: eines Kaefers namens Don Durito de la Lacandona) fortzusetzen der am Zement des Kapitals knappert.
Daher, wir die Rebellen, Nicht-Untergeordneten bekennen hiermit unseren Willen, zusammen mit den Zapatist_innen zu gehen und druecken unseren Wunsch aus, ihre compañer@s zu sein. Wir sagen ihnen, dass wir all unsere Anstrengung dahingehend verwenden werden, und tatsaechlich ist es so, dass in der langen Nacht die das war, was einige als Tag bezeichneten, frueher oder spaeter ‘Nacht der Tag sein wird, der der Tag sein wird‘.
Draussen ist es nicht mehr Mitternacht...und man sieht bereits den Horizont.
Mexiko, Dezember 2013
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Quelle: | |||
http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2013/12/20/carta-a-nuestrs-companers-del-ejercito-zapatista-de-liberacion-nacional/ | |||
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