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WTO in Cancun: Zwischenbilanz der Konferenz

Poonal vom 12.09.2003
Von Andreas Behn, Poonal 590 vom 16.09.2003

  (Cancun, 12 September 2003 npl).- Auch am zweiten Tag der WTO-Ministerkonferenz im mexikanischen Cancun sind sich die Ländergruppen in den wichtigen Streitfragen kaum näher gekommen. Nach wie vor steht das Agrarabkommen im Mittelpunkt der Debatten und Statements. Brasiliens Außenminister Celso Amorim erklärte, dass die Entwicklungsländer Zugang zu den Märkten der reicheren Länder bekommen müssten, sonst sei die Glaubwürdigkeit der WTO endgültig verloren. Die Forderungen der ärmeren Länder müssten in Cancun "mehr als eine Fußnote" sein, so Amorim in seiner stark applaudierten Rede.

Wenig Verständnis für diese Haltung zeigte Japans Außenminister Yoriko Kawaguchi: Ein "exzessiver Zugang" zu den japanischen Märken laufe den Interessen seines Landes zuwider. Genauso wie die Vertreter von EU und USA lehnte Kawaguchi die Forderung der neugebildeten G21-Gruppe — zu der vor allem die großen agrarorientierten Schwellenländer zählen — nach einem radikalen Abbau der Subventionen in Industrieländern ab.

Obwohl die G21, die inzwischen weiter gewachsen ist, Gerüchte dementierte, dass seitens der USA und der EU Druck auf ihre Länder ausgeübt werde, mehrten sich Berichte, nach denen einzelnen Staaten — wie schon oft in der Vergangenheit -Angebote gemacht wurden, um den Block der Entwicklungsländer aufzuweichen. Zugleich wurde bekannt, dass sich offenbar beide Seiten darauf einigen könnten, über einzelne Produkte und nicht nur über ganze Pakete zu verhandeln, eine Position, die mehrere Sprecher der Länder des Südens im Vorfeld der Tagung zurückgewiesen hatten.

Dennoch ist in Cancun ein neues Selbstbewusstsein der Länder des Südens zu spüren. Sie pochen auf ihre Positionen und Klagen gegen die Industriestaaten, und es ist ihnen mehrfach gelungen, ihre Themen entgegen den offiziellen Diskussionsvorlagen auf die Tagesordnung zu setzen — unter anderem die Frage der Exportsubventionen beispielsweise in der Baumwollproduktion oder die Kritik an der von Europa geforderten Verhandlung über ein Investitionsabkommen. Dabei wissen die Entwicklungsländer nicht nur viele NGOs und die globalisierungskritische Bewegung hinter sich, auch die Öffentlichkeit zumindest in Asien, Amerika und Europa ist im Vergleich zu den früheren Konferenzen in Doha 2001 und Seattle 1999 besser darüber informiert, worüber die 146 WTO-Delegationen hinter verschlossenen Türen und oft in unverständlichen Formulierungen reden und entscheiden. So wiederholten mehrere Vertreter von Entwicklungsländer am Donnerstag ihre Drohung: Ohne Einigung in Sachen Agrarsubventionen und Exporthilfen werde auch es bei anderen Themen mit ihnen keine Einigung geben.

Allerdings darf diese Konfrontation nicht vorschnell als Konflikt zwischen arm und reich interpretiert werden. So sind in der G21 eher die großen Schwellenländer organisiert, und ihr Vorschlag zum Abbau aller Subventionen ist neoliberales Wunschdenken in Reinform. Nicht nur eine ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft hat darin keinen Platz. Vor allem die kleinen Agrarproduzenten, die Landlosen, also alle, denen keine Produktion im großen Maßstab möglich ist, würden auf der Strecke bleiben. Auch wenn Länder wie Indien oder Brasilien mehr exportieren könnten, so würden davon doch in erster Linie die auch in Schwellenländern übermächtigen Großagrarier profitieren. Die meisten Bauernorganisationen, die auch vor Ort in Cancun die Proteste mittragen, fordern deswegen einen generellen Abbruch der WTO-Agrarverhandlungen, von denen sie sich für ihre Mitglieder nichts versprechen.

Auch wenn die meisten sozialen Bewegungen auf ein Scheitern aller Verhandlungen in Cancun hoffen, setzen die meisten ihrer Vertreter gleichzeitig auf eine Art strategische Allianz mit den Delegationen der Länder des Südens und den großen NGOs, die sich bereit erklärt haben, unter dem Dach der WTO — allerdings mit stark eingeschränkten Zugangsrechten -mitzureden. Eine mühsame Lobbyarbeit, die verhindern soll, dass wie in Doha die Entwicklungsländer am Ende doch dem Druck der Delegationen aus den Ländern des Nordens nachgeben.

Eines der bisher weniger beachteten Themen, bei denen sich Entwicklungsländer auch gegen die Vorstellungen der Industriestaaten stellen, ist der Abbau von Zöllen bei Industriegütern. Der Vorschlag der WTO-Lobby plädiert dafür, dass alle Staaten ihre jeweiligen Zölle um gleiche Prozentpunkte senken sollen. Da jedoch die Zölle auf Industriewaren in Entwicklungsländern zum Schutz ihrer oft weniger effizienten Produktion höher liegen als in Industriestaaten, läuft dieser Vorschlag darauf hinaus, dass erneut die armen Länder in absoluten Zahlen mehr Schutzmechanismen preisgeben müssen als die reichen Länder.


Quelle: poonal
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