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WTO in Cancun: Erste Demonstration verursacht Verkehrschaos

Poonal vom 10.09.2003
Von Andreas Behn, Poonal 590 vom 16.09.2003

  (Cancun, 10. September 2003, npl).- "Hauptsache es gibt keinen Krawall. Denn hier leben wir alle vom Tourismus, und wenn alle Welt auf uns schaut, kann der gute Ruf von Cancun schaden nehmen." Besorgt schaut der Taxifahrer auf die behelmten Polizisten, die hektisch über die gegenüberliegende Fahrbahn laufen. "Hab ich’s doch gesagt, diese Wirtschaftskonferenz hat noch nicht einmal begonnen und schon geht’s los."

Einige Hundert Demonstranten, zumeist Studenten und Aktivisten aus Mexiko-Stadt, hatten sich am Dienstag Vormittag zu einer ersten spontanen Demonstration zusammen gefunden, vom Zeltlager der Aktivisten hin zum Eingang der Hotelzone, der No-Go-Area für nichtakkreditierte Gegner der Welthandelsorganisation WTO, die in dem mexikanischen Karibikbad ihre 5. Ministerkonferenz abhält. Doch zu einer Blockade der breiten Zufahrtsstraße kam es nicht, das übernahm schon die Polizei, die in Windeseile den ganzen Bereich für Stunden absperrte. Sofort brach in der 20 Kilometer langen Hotelzone der Verkehr zusammen, und das Gerücht, Cancun werde im Chaos versinken, bekam neue Nahrung.

Dabei sind viele der Organisatoren der Protesttage derzeit eher mit sich selbst beschäftigt, nach wie vor gibt es Streit untereinander. Viele sind über die Gruppen rund um das so genannte Empfangskomitee, die das Sozialforum veranstalten, verärgert. Sie seien von der gemäßigt linken Partei PRD dominiert und würden andere Gruppen in den Hintergrund drängen, so der Vorwurf seitens der internationalen Bauernorganisation Via Campesina, die deswegen ihr Campesino- und Indígena-Forum in Eigenregie organisieren. Auch die zumeist jungen Aktivisten, die eher für direkte Aktionen plädieren, wollen mit parteinahen Gruppen wenig zu tun haben, kritisieren aber ebenso die NGOs, die der Gesprächseinladung der WTO gefolgt sind und darauf setzen, durch ihre Präsenz bei der Konferenz Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen.

Nicht nur die Zwistigkeiten verbreiten schlechte Laune. Zwar kommen weiterhin stündlich mehr Aktivisten in Cancun an, doch wurden inzwischen die Schätzungen der Teilnehmerzahl nach unten korrigiert — statt 20.000 sollen es jetzt "weit über 10.000" werden. Daran sind aber auch die mexikanischen Behörden schuld, die plötzlich von Menschen aus Mittelamerika bis zu 100 US-Dollar Visumsgebühr verlangen — viele mussten daraufhin die Reise abbrechen.

Auf dem Campesino- und Indígena-Forum, das wie das Frauenforum — das mit Unterstützung der Böll-Stiftung in einem Hotel im Zentrum der Stadt Cancun stattfindet — schon seit Montag läuft, ist die Stimmung weiterhin kämpferisch. Der Präsident von Via Campesina, der Honduraner Rafael Alegría, erteilte jeglichen Gesprächen mit der WTO eine Absage. "Über Lebensmittel kann nicht verhandelt werden," so der stämmige Mann, der weltweit Millionen Landarbeiter vertritt. "Das WTO-Agrarabkommen gefährdet die Lebensgrundlage in den armen Ländern. Deswegen werden wir bis zum Sitz der Konferenz demonstrieren, wir lassen uns das Recht auf Meinungsäußerung nicht nehmen" so Alegría.

Bei brütender Hitze finden den ganzen Tag über Workshops statt, zumeist unter großen Zelten, die auf dem weitläufigen Sportplatz-Gelände rund 20 Minuten Fußweg vom Zentrum stehen. Es geht um Anbaumethoden, um Kritik an genverändertem Saatgut oder um die Frage, wie Widerstand länderübergreifend organisiert werden kann. Geduldig werden lange Erfahrungsberichte aus den verschiedenen Regionen angehört — es ist ein schwieriger Prozess, ohne große technische und finanzielle Mittel eine Bewegung aufzubauen. Doch inzwischen ist es den indigenen- und bäuerlichen Aktivisten gelungen, zumindest in Lateinamerika zur stärksten und schlagkräftigsten Bewegung zu werden.

Highlight des Tages war, als am Vormittag Solidaritätsbotschaften von drei Kommandanten des zapatistischen Befreiungsheeres EZLN eintrafen. "Es ist nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass diejenigen, die sich für die Herren des Planeten halten, sich hinter ihren hohen Mauern und Sicherheitskräften verstecken müssen, um ihre Pläne auszuhecken," schrieb Subcomandante Marcos den Aktivisten von Via Campasina und wünschte ihnen viel Erfolg. "Wenn wir Respekt für die Frauen einfordern, erwarten wir dies nicht nur von den Neoliberalen," so die Botschaft der zapatistischen Comandante Esther. "Daran müssen sich auch diejenigen halten, die gegen en Neoliberalismus kämpfen und sagen, sie seien Revolutionäre, sich aber in ihrem Haus verhalten wie Bush."

Wenig Neues zum Thema Agrarstreit gab es am Vorabend der WTO-Konferenz seitens der offiziellen Delegationen. Die gefragtesten Akteure, EU-Handelskommissar Pascal Lamy und sein US-Pendant Robert Zoellick, hielten nacheinander Pressekonferenzen ab. Tenor: Wenn wir uns einigen, gewinnen alle — wir sind für mehr Freihandel, aber nur, wenn auch die anderen Länder Freihandel zulassen. Gemeint sind diejenigen, die immer vehementer fordern, dass die USA und die EU ihre Agrarsubventionen abbauen, durch die sie mit Dumpingexporten in arme Ländern die dortige Produktion gefährden und zuhause ihre Märkte vor Importe schützen.

Doch nicht einmal ein Anruf von US-Präsident Bush bei seinem brasilianischen Kollegen Lula da Silva konnte offenbar den überraschend hartnäckigen Unmut vieler Entwicklungsländer besänftigen. Im Gegenteil: Am Dienstag forderte die G21-Gruppe, der neben Brasilien, Argentinien, Indien, China, Südafrika und anderen agrarexportierenden Staaten seit gestern auch ägypten angehört, dass ihr Vorschlag für ein Agrarabkommen genauso behandelt werden solle wie die Vorlage, die der WTO-Präsident vorgestellt hatte. Darin fordern die 21 Länder, dass die Industriestaaten ihre marktverzerrenden Subventionen vollständig abbauen müssten, um ärmeren Ländern gleiche Handelsbedingungen zu gewähren.

Erwartungsgemäß lehnte Zoellick das Ansinnen auf Nachfrage von Journalisten ab, ebenso wie EU-Agrarkommissar Franz Fischler, der die Erwartungen der Staaten des Südens für gänzlich unrealistisch hält. Die G21 betont hingegen, dass ihre Erklärung dem Geist der vorhergehenden Ministerkonferenz 2001 in Doha entspreche und der offiziellen Vorlage gleichzustellen sei, weil sie 63 Prozent der landwirtschaftlichen Produzenten vertrete.


Quelle: poonal
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