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WTO in Cancun: Interview mit Rafael Alegría
Poonal vom 10.09.2003 |
Von Andreas Behn, Poonal 590 vom 16.09.2003 |
(Cancun, 10. September 2003, npl).- Der Honduraner Rafael Alegría ist Präsident von Via Campesina. Der internationale Dachverband von Landarbeiterorganisationen richtet das Bauern- und Indígena-Forum während der Protesttage in Cancun aus.
npl: Welches Ziel verfolgen sie auf diesem Protestforum gegen die WTO?
Rafael Alegría: Es geht um mehrere Dinge: Wir wollen die Organisationen aus verschiedenen Ländern der Welt einander näher bringen und eine Zusammenarbeit auch mit den indigenen Organisationen ermöglichen. Gleichzeitig protestieren wir gegen die Ministerkonferenz der WTO und fordern in erster Linie, dass sie sofort jegliche Verhandlungen zum Thema Landwirtschaft beendet und keinerlei Abkommen über Nahrungsmittel abschließt. Lebensmittel sind nicht irgendwelche Waren, die mittels Angebot und Nachfrage auf internationalen Märkten oder den Börsen der großen Länder gehandelt werden sollten.
npl: Sie sind also nicht bereit, einen Dialog mit der WTO zu führen?
Rafael Alegría: Unsere Strategie setzt nicht auf Verhandlungen. Wir glauben, dass es mit der WTO gar nichts zu verhandeln gibt, da sie eine illegitime Organisation ist, ein Instrument der multinationalen Unternehmen. Zudem geht es hier gar nicht um freien Welthandel, sondern um einen Markt, den die Multinationalen kontrollieren, um ihre Waren bei uns zu verkaufen.
npl: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass im Falle eines Scheiterns der WTO-Konferenz noch mehr bilaterale Handelsabkommen geschlossen werden, bei denen die armen Länder eine noch schlechtere Verhandlungsposition haben?
Rafael Alegría: Nein, denn das Problem liegt darin, dass das, was die WTO beschließt, in allen Mitgliedsländern zum Gesetz wird. Da normalerweise zuerst die Verfassung, dann internationale Abkommen und erst danach die Gesetze kommen, müssen die Regierungen die WTO-Richtlinien umsetzen. Natürlich sind wir auch gegen solche bilateralen Abkommen wie beispielsweise die geplante Gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA.
Ich glaube, dass einzelne Länder durchaus in der Lage sind, bilaterale Verträge in ihrem Sinne auszuhandeln, da sie dabei autonomer agieren können. Hinzu kommt, dass bei der WTO die reichen Länder als Block auftreten, und es ist schwer, ihnen die negativen Folgen ihrer Haltung für andere Länder verständlich zu machen.
npl: Gibt es keine alternativen Vorschläge?
Rafael Alegría: Die Alternative sind regionale Abkommen wie der MERCOSUR, der von Brasilien und Venezuela vorangetrieben wird. Gut wäre auch ein gemeinsamer mittelamerikanischer Markt. Was wir brauchen ist zuerst eine regionale Integration und dann eine globale.
Hinzu kommt das Problem, dass die WTO nicht nur über Handel redet. Es geht auch um Investitionen, was unter anderem zur Folge haben kann, dass sich die multinationalen Unternehmen unsere natürlichen Ressourcen aneignen. Eine weitere Lüge ist die Behauptung, dass diese Unternehmen in unseren Ländern investieren. Sie kaufen lediglich das, was schon da ist. Sie kaufen die Staatsbetriebe, kaufen und verkaufen Firmen untereinander, entlassen
Arbeiter, es geht dabei schlicht um Privatisierungen. Und zu guter letzt, wenn es Konflikte gibt, dann macht sich die WTO auch noch zum Richter.
npl: Wen repräsentiert Via Campesina?
Rafael Alegría: Weltweit hat Via Campesina Mitgliedsorganisationen in Afrika, Asien, Europa und Lateinamerika, insgesamt repräsentiert der Dachverband 60 Millionen Bauern, Männer wie Frauen, Indígenas, Landarbeiter und Landlose. In meinem Land Honduras, das derzeit den Sitz von Via Campesina beherbergt, gibt es 10 Mitgliedsorganisationen, in denen 250.000 Menschen eingeschrieben sind.
Quelle: poonal
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