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Zehn Jahre NAFTA - Ernüchternde Bilanz für Mexiko

Poonal vom 03.02.2004
Von Gerold Schmidt

  (Mexiko-Stadt, 2. Februar 2004, npl).- Wenn vom 3. bis 6. Februar 34 stellvertretende Wirtschafts- bzw. Außenminister der beiden amerikanischen Subkontinente in der mexikanischen Stadt Puebla über die gesamtamerikanische Freihandelszone (ALCA) diskutieren, tun sie das in einem Land mit mehr als einschlägigen Freihandelserfahrungen. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zwischen Kanada, den USA und Mexiko wurde am vergangenen 1. Januar zehn Jahre alt. NAFTA, durchaus mit Patenstatus für ALCA, ist ein Lehrbeispiel für die forcierte Wirtschaftsintegration zwischen ungleichen Ökonomien.

Für das im Vergleich zum Nachbarn USA wirtschaftlich kleine Mexiko ist die Bilanz mehr als ernüchternd. Die schärfsten Kritiker nennen die NAFTA-Auswirkungen für das Land desaströs. Aber selbst diejenigen im In- und Ausland, die noch vor Jahren ein Verhältnis auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Handelspartnern, eine diversifizierte Wirtschaft, höhere Löhne und allgemeinen Wohlstand für Mexiko prophezeiten, sind heute wesentlich vorsichtiger in ihren äußerungen.

Der ehemalige Außenhandelsstaatssekretär Luis Bravo gesteht im Rückblick: "Wir dachten, alles würde von selbst geschehen, allein mit der Tatsache, ein Handelsabkommen zu haben, würde alles übrige gelöst. Es wurde sogar gesagt, die beste Industriepolitik wäre es, keine zu haben. Jetzt sehen wir, dass das nicht stimmte." Und Ángel Villalobos, heute als Staatssekretär für Internationale Handelsverhandlungen des Wirtschaftsministeriums in vergleichbarer Position spricht bezüglich der früheren NAFTA-Glorifizierung von einen möglichen "Diskursexzess".

Der von den NAFTA-Verteidigern häufig benutzte Verweis auf die Verdreifachung des Handelsvolumens mit den USA ist nur auf den ersten Blick blendend. Vor wenigen Wochen erschien unter maßgeblicher Beteiligung des Mexikanischen Netzwerkes gegenüber dem Freihandel (RMALC), einem Zusammenschluss von mehr als hundert Nicht-Regierungsorganisationen, eine länderübergreifende Studie mit dem Titel NAFTA-Lehren: Der hohe Preis des "Frei"handels. Darin werden die wenig berauschenden Ergebnisse des Abkommens für die mexikanische Bevölkerungsmehrheit zusammengefasst.

Demnach kontrollieren nur wenige große Exportunternehmen den mexikanischen Außenhandel und sind vom Rest der einheimischen Ökonomie weitgehend abgekoppelt (kleine und mittlere Unternehmen sind nur mit etwas über fünf Prozent an den mexikanischen Exporten beteiligt). NAFTA hat zudem weitaus weniger Beschäftigungswirkung gehabt als von seinen Promotoren vorausgesagt. In den ersten drei Jahren unter der amtierenden Regierung von Präsident Fox stieg die Arbeitslosigkeit sogar wieder an. In mexikanischen Pesos gemessen sind die Löhne im Land niedriger als vor dem NAFTA-Start. Die Preise der Güter des Grundwarenkorbes stiegen erheblich mehr als die den Landwirten für ihre Produkte gezahlten Preise. Produzenten von Basisprodukten wie Mais, Bohnen, Getreide, Reis und Fleisch litten am meisten unter der Handelsöffnung.

Es ist nicht zu der vorausgesagten Diversifizierung der Wirtschaft gekommen. Immer noch stammen 45 Prozent der Exporterlöse aus der sogenannten Maquila, der Teilfertigungsindustrie. Dort besteht der Anteil von in Mexiko gekauften Inputs für die wieder über die Grenze geschickte Fertigware aus nur drei Prozent. Entsprechend gering ist der Schub für die einheimische Industrie, die in vielen Bereichen am Boden liegt. Die Migration in die USA wurde durch NAFTA in keiner Weise gestoppt. Das durchschnittliche mexikanische Wirtschaftswachstum in der NAFTA-Periode von gerade einmal ein Prozent — andere Berechnungen gehen von maximal zwei Prozent aus — ist deutlich unter dem Wachstum vergleichbarer Zeitabschnitte in der Vergangenheit.

NAFTA hat den Übergang Mexikos zu einer deregulierten Wirtschaft beschleunigt, ohne die notwendigen Bedingungen für eine angemessene Antwort des öffentlichen und privaten mexikanischen Sektors geschaffen zu haben. Bei einem Außenhandel, der zu etwa 90 Prozent mit dem Nachbarn im Norden abgewickelt wird, ist Mexiko zudem extrem abhängig von der US-Ökonomie. Wird auf der anderen Seite der Grenze gehustet, bekommt Mexiko eine Lungenentzündung, heißt es nicht umsonst.

Inzwischen sind es längst nicht mehr nur die engagiertesten Gegner von Freihandelsabkommen im Land, die angesichts NAFTA auf die Schattenseiten der immer stärkeren Verflechtung ungleicher Ökonomien für große Teile der Bevölkerung hinweisen. Originalton Carlos Rojas, Präsident der mexikanischen Außenhandelskammer: "Der Norden ähnelt immer mehr den USA, im Süden wird die Armut größer. Ein Mexiko mit 50 Millionen Armen ist kein zukunftsfähiges Projekt."


Quelle: poonal
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