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Korruptionsskandal um mexikanischen Grünen-Chef

Poonal vom 02.03.2004
Von Gerold Schmidt

  (Mexiko-Stadt, 15. Februar 2004, npl).- Die Grün-Ökologische Partei Mexikos (PVEM) kommt selten auf die ersten Seiten der Zeitungen und in die wichtigsten Meldungen der elektronischen Medien in ihrem Land. Derzeit schafft die viertstärkste Partei des Landes das spielend, doch ihre Führung ist sichtlich wenig erfreut darüber. "Wieviel fällt für uns ab?", fragte ihr 31-jähriger Vorsitzender Jorge Emilio González im vergangenen Dezember sein Gegenüber. "Zwei Millionen Dollar" antwortete Luis Lara, tatsächlich oder vorgeblich der Repräsentant kanadischer Unternehmer. Für die Dollars sollte Senator González beim grünen Bürgermeister des karibischen Urlaubsparadieses Cancún eine bis dato nicht erteilte Baugenehmigung für einen großen Touristenkomplex erreichen.

Das Geschäft kam aus bisher ungeklärten Gründen nicht zustande, eine Zahlung gab es offenbar nicht. Aber dumm für den Parteivorsitzenden: ein parteiinterner Gegner, der ihm nicht grün war, nahm Treffen und Gespräch auf Video auf. Die wichtigsten Szenen des Videos sind seit Dienstagabend letzter Woche (24. Februar) in allen mexikanischen Fernsehkanälen wiederholt zu sehen — und zu hören. Ob es sich um eine bewusst gestellte Falle oder einen ernst gemeinten Bestechungsversuch handelte, ist für die mexikanische Öffentlichkeit bisher zweitrangig. Viele Mexikaner sind entsetzt über die offensichtliche Korruptionsbereitschaft des wegen seines niedrigen Alters auch spöttisch "niño verde", grünes Kind, genannten PVEM-Vorsitzenden. Seine Opponenten aus der eigenen Partei wollen mit Dokumenten über zwielichtiges Finanzgebaren von González noch nachlegen.

In einer Pressekonferenz stritt der grüne Politiker jegliche Gier nach US-Greenbacks empört ab. Er habe nur ausloten wollen, wie weit Lara habe gehen wollen. González vermutet ein vom mexikanischen Innenministerium gesteuertes Komplott gegen ihn und seine Partei. Den Rücktritt als PVEM-Vorsitzender und Senator lehnt er strikt ab. Doch er kämpft mit einem Glaubwürdigkeitsproblem. Seine Behauptung, er habe Mitglieder der grünen Stadtregierung vor möglichen anzüglichen Offerten Laras und seiner Hintermänner gewarnt, wurde vom Cancúner Bürgermeister bereits dementiert. Und all zu viel moralische Standfestigkeit erwarten die wenigsten von González. Denn das Verhalten der Parteiführung steht seit langem in der Kritik.

Die skrupellose Vermischung von Geschäft und Politik ist eine der häufigsten Anklagen gegen die Parteispitze. Es war der Vater des niño verde, der die Partei über ein Jahrzehnt lang wie ein Familienpatriarch führte und die wichtigsten Posten mit Personen aus dem engen Familien- und Bekanntenpreis besetzte. Als die Kritik an den undemokratischen Strukturen und undurchsichtigem Finanzgebaren der PVEM immer mehr zunahm, übergab er den Vorsitz vor einigen Jahren an seinen Sohn. Gerade erst mussten die Parteistatuten auf Geheiß der obersten Wahlbehörde des Landes vollständig überarbeitet werden.

Statt ökologischer Berufung und Konzepte standen für den Familienclan an der PVEM-Spitze meistens vorteilhafte Allianzen im Vordergrund. Im Präsidentschaftswahljahr 2000 setzte die Partei noch erfolgreich auf ein Bündnis mit der konservativen PAN. Nachdem sich dies dank Besonderheiten des mexikanischen Wahlrechtes zwar in überproportionalen Finanzzuweisungen und Abgeordnetenzahlen, jedoch nicht in Regierungsposten niederschlug, folgte wenig später die radikale Kehrtwende. Im Jahr 2003 wurde das Spiel mit der zuvor heftigst kritisierten PRI wiederholt. Greenpeace Mexiko und die meisten Umweltorganisationen des Landes lehnen eine engere Zusammenarbeit mit dieser grünen Partei strikt ab.

Obwohl die mexikanische Wahlbehörde über mögliche Sanktionen gegen González berät und Stimmen aus anderen Parteien fordern, der PVEM das Wahlregister zu entziehen, gelingt dem Parteivorsitzenden möglicherweise das Aussitzen des Skandals. Die parteiinterne Opposition hat es bisher nicht geschafft, sich als überzeugende Alternative zu präsentieren. Doch der Ruf der Parteispitze dürfte endgültig ruiniert sein.

"Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dürften sich kaum grüne Politiker in Deutschland oder Europa finden, die sich mit dieser Parteiführung solidarisch erklären", meint beispielsweise süffisant Silke Helfrich, die Leiterin des Regionalbüros für Mexiko, Zentralamerika und die Karibik der grünennahen Heinrich Böll Stiftung. Wie viele Mexikaner hält sie einen Erneuerungs- und Demokratisierungsprozess der PVEM mit einer entsprechenden Diskussion über die politische Substanz dieser Partei für "überfällig", bevor an "kreative Zusammenarbeit" zu denken sei. Seine Gegner zitieren Jorge Emilio González allerdings mit folgenden Worten: "Wenn man mir meine Partei wegnimmt, dann soll sie mit mir untergehen."


Quelle: poonal
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