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Mexiko und die Drogenpolitik

Poonal vom 18.04.2016
Gerd Goertz

  Bisher wagt in Mexiko kaum jemand, die generelle Freigabe von Drogen und deren kontrollierten, aber legalen Anbau zu fordern, um die Profite der Kartelle zu schmälern. Nur beim Cannabis schielen inzwischen viele Unternehmer*innen neidisch auf die steigenden legalen Verkäufe in vielen Bundesstaaten der USA. Ex-Präsident Vicente Fox war einer der ersten, der den Finger hob und seine Bereitschaft erklärte, Hanfpflanzen großflächig anzubauen.

(Mexiko-Stadt, 18. März 2016, npl).- Zeitweise sah es so aus, als ob Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto dem am 18. und 19. April stattfindenden UNO-Drogengipfel in New York die kalte Schulter zeigen wolle. Als ob das Thema in Mexiko nicht besonders wichtig wäre. Nach seiner Teilnahmezusage vor wenigen Tagen will er nun für eine »integrale Vision« des Drogenproblems im Abschlussdokument eintreten. Das beinhaltet auch einen Aufruf Mexikos, ein »Gleichgewicht zwischen Kontrollaktionen für Drogenangebot und -nachfrage zu erreichen«.

Gerichtsurteil zu Cannabis befeuert Debatte um Drogenpolitik

Die nicht so ganz konkreten Aussagen und das präsidentielle Schwanken bezüglich einer Teilnahme in New York haben ihre Gründe. Es ist klar, dass der bisher in Mexiko geführte sogenannte Drogenkrieg mit seinen in zehn Jahren fast 200.000 Toten den Drogenhandel in keinster Weise in den Griff bekommen wird. Aber über mögliche Alternativen gibt es keine Einigung, nicht zuletzt wegen zu unterschiedlicher Interessen. Allerdings ist in den vergangenen Monaten durch einen für sich genommen eher unbedeutenden Urteilsspruch eine kaum zu erwartende Dynamik in die Debatte gekommen.

Es handelte sich um keine Grundsatz-, sondern eine Einzelfallentscheidung des mexikanischen Verfassungsgerichtes. Am 4. November 2015 gaben die Richter*innen vier Klägern das Recht, Cannabis für den Eigenverbrauch anzubauen und zu »Genusszwecken« zu konsumieren. Das bestehende Verbot des Handels von Cannabis und anderen Drogen war kein Thema der Klage.

Dennoch war sie eine Art Türöffner für tiefergehende Debatten. Präsident Enrique Peña Nieto zeigte sich damals offen enttäuscht über den Richterspruch. Er lehnt generell eine »offenere« Drogenpolitik ab. Nieto vertritt das abgegriffene Argument, Cannabis sei der Einstieg für härtere Drogen. Aber auch er kam nicht umhin, über seinen Innenminister für Januar bis März 2016 fünf offizielle regionale Diskussionsforen zur Cannabis-Nutzung organisieren zu lassen.

Geschäftsinteressen der Kartelle bleiben unberührt

Neben den Forderungen nach der generellen Freigabe des Cannabis-Konsums und einer Legalisierung des Anbaus nimmt die Hinterfragung der aktuellen Drogenbekämpfung in Mexiko breiten Raum in den Medien und bei verschiedensten Veranstaltungen ein. Juan Ramón de la Fuente, der frühere Rektor der Autonomen Nationaluniversität UNAM brachte die bisherige Politik auf den Punkt: »Zuerst verbiete ich, dann kriminalisiere ich, und danach militarisiere ich.«

Andere Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen weisen darauf hin, dass der sogenannte Drogenkrieg in erster Linie ein Krieg gegen die Menschen ist, aber die Geschäftsinteressen der Kartelle nicht wesentlich beeinträchtigt.

Drei Milliarden US-Dollar Gewinn aus Cannabis-Verkauf in die USA

Die Wochenzeitschrift Proceso zitiert die Interamerikanische Kommission zur Kontrolle des Drogenmissbrauchs. Nach dieser bringt allein die Versorgung des US-Marktes mit Cannabis den mexikanischen Kartellen jährlich etwa 3 Milliarden US-Dollar Gewinn ein. Nach Angaben des Sicherheitsdirektors des Mexikanischen Institutes für Wettbewerbsfähigkeit, Alejandro Hope, erzielen die Kartelle weitere 2,4 Milliarden US-Dollar durch den Kokain-Verkauf in die USA, knapp eine Milliarde US-Dollar durch den Heroin-Export und fast 650 Millionen US-Dollar durch Amphetamine. Der Drogenkrieg hat auf die Gewinnmargen der Kartelle kaum einen Einfluss. Auch medienwirksame Verhaftungen einiger Bosse oder die Beschlagnahme selbst enormer Mengen von Kokain oder Heroin haben auf den »Marktpreis« kaum Einfluss, da sie nur einen Bruchteil der gedealten Menge darstellen.

Mexikanische Unternehmer*innen schielen neidisch in die USA

Bisher wagt aber in Mexiko kaum jemand, die generelle Freigabe von Drogen und deren kontrollierten, aber legalen Anbau zu fordern, um die Profite der Kartelle zu schmälern. Nur beim Cannabis schielen inzwischen viele Unternehmer*innen neidisch auf die steigenden legalen Verkäufe in vielen Bundesstaaten der USA. Ex-Präsident Vicente Fox war einer der ersten, der den Finger hob und seine Bereitschaft erklärte, Hanfpflanzen großflächig anzubauen.

Andererseits haben internationale Expert*innen wie der Argentinier Edgardo Buscaglia gerade im Falle Mexikos auf die vielfältigen Verflechtungen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen hingewiesen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Drogenkartelle neben Aktivitäten beispielsweise im Menschenhandel und illegalen Bergbau ihre Gewinne umfangreich in legale Geschäftszweige investiert haben.

Abkehr vom Drogenkrieg würde Militärausgaben senken

Unter diesen Umständen ist es schwer und wohl zu spät, die Kartelle mit einer umfangreichen Liberalisierung des Drogensektors wirklich hart zu treffen. Trotzdem könne eine Abkehr vom bisherigen Drogenkrieg mit seinen hohen Militärausgaben laut Ramón de la Fuente Geld für den Gesundheitssektor freimachen, die Menschenrechtslage verbessern und dem organisierten Verbrechen zumindest die Regulierungsmacht auf dem Drogenmarkt entziehen. Ob das gewünscht ist, ist eine andere Frage. Die Debatte ist aber kaum mehr umkehrbar.

cc by-sa Mexiko und die Drogenpolitik von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.


Quelle: poonal
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 Quelle:  
  https://www.npla.de/poonal/mexiko-und-die-drogenpolitik/ 
 

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