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Chiapas − zapatistische Demonstration mit Schusswaffen angegriffen

Dutzende Verletzte

News vom 10.04.2004

  Am Ostersamstag, den 10. April, wurde im Hochland von Chiapas in der Nähe von San Cristobal de las Casas eine friedliche Demonstration von über 5000 Zapatisten mit Steinen, Schusswaffen und Feuerwerkskörpern angegriffen. Die Bilanz des Hinterhalts waren insgesamt über zwanzig Verletzte, davon etwa ein Dutzend Zapatisten, von denen zwei in Lebensgefahr schweben. Es war der schwerste Angriff auf die Anhänger des zapatistischen Befreiungsheers EZLN seit Jahren.

Die Demonstranten begingen nicht nur den 85. Jahrestag der Ermordung von General Emiliano Zapata im Jahr 1919, sie waren auch gekommen, um eine Gruppe von zapatistischen Sympathisanten zu unterstützen, die aufgrund dieser politischen Haltung seit Monaten von der Trinkwasserversorgung ihrer Gemeinde abgeschnitten ist. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich die DemonstrantInnen bereits auf dem Rückweg in ihre Dörfer. Am Vormittag waren über 5000 Frauen und Männer, mit schwarzen Wollmützen vermummt, in einer Kolonne von ca. 200 Fahrzeugen vor das Rathaus der betreffenden Gemeinde, Zinacantán, gefahren, und hatten dort eine Erklärung verlesen. Darin forderten sie den Bürgermeister von Zinacantán und seine Anhänger auf, den zapatistischen Sympathisanten nicht aus parteipolitischen Gründen den Zugang zu dem lebensnotwendigen Nass zu verwehren.

Interessanterweise regiert in Zinacantán nicht die in Chiapas verhasste, langjährige Staatspartei PRI, sondern die Partei der Demokratischen Revolution, PRD, die allgemein dem linksliberalen Spektrum zugeordnet wird. Die PRD regiert seit 1997 die mexikanische Hauptstadt und ist derzeit in einen landesweiten Korruptionsskandal verwickelt. Die Einwohner von Zinacantán hatten die Machtdemonstration der tausenden Zapatisten, die Sprechchöre riefen, aber ihre Fahrzeuge nicht verliessen, überwiegend mit Sympathie aufgenommen. Anschliessend war die Karawane weitergefahren nach Jechvó, eine der drei vom politischen Wassernotstand betroffenen, weitab gelegenen comunidades (zur Gemeinde gehörende Dörfer). Dort hatten die DemonstrantInnen auf dem Kirchplatz eine Rede gehalten und tausende Liter Wasser, in Plastikflaschen und Containern, an die BewohnerInnen verteilt. Als die Fahrzeugkolonne sich auf den Rückweg machte, wurde ihr plötzlich von einer kleinen Gruppe Männer, offenbar Paramilitärs der PRD, mit einer Barrikade aus Felsbrocken der Weg abgeschnitten. Etwa eine dreiviertel Stunde verharrten die tausenden Zapatisten auf der Stelle und warteten ab, ob die Blockierer, bei denen auch zwei Streifenwagen der örtlichen Gemeindepolizei eingetroffen waren, sich eines Besseren besinnen würden.

Dann rückten sie vor und begannen, den Weg freizuräumen. Die PRD-Blockierer zogen sich zwar vom Weg zurück, begannen jedoch, die friedlich vorrückenden ZapatistInnen mit einem Steinhagel einzudecken. Die örtliche Polizei stellte, anstatt für Ruhe zu sorgen, ihre Fahrzeuge quer über die Strasse und zog sich gemeinsam mit den PRD-Leuten zurück. Die Polizeifahrzeuge wurden daraufhin von den vorrückenden Zapatisten vom Weg geräumt, demoliert und in einen Graben geworfen. Die Zapatistinnen verteidigten sich gegen den Steinhagel, indem sie ebenfalls Steine warfen, oder aber indem sie ausschwärmten und die Angreifer von hinten überraschten. Als etwa zwei Drittel der Kolonne die Konfliktstelle passiert hatten, ertönten die ersten Schüsse.

Zum einen wurden die ZapatistInnen mit den hier typischen Osterböllern beworfen, zum anderen wurde aber auch scharf auf sie geschossen. Während der hintere Teil des Zugs versuchte, angesichts dieser Eskalation mehr schlecht als recht hinter den Fahrzeugen Deckung zu finden, musste die Spitze der Kolonne noch weitere Hindernisse beseitigen, die ihr den Weg versperrten. So waren noch drei dicke Bäume gefällt und quer über die Strasse gelegt worden. Sie wurden von den EZLN-AnhängerInnen mithilfe von Motorsägen weggeräumt. Als die Kolonne schliesslich die Einmündung auf die Panamericana erreichte, d.h. die Fernverkehrsstrasse, die San Cristobal und die chiapanekische Hauptstadt Tuxtla Gutiérrez verbindet, wurde sie dort von mehreren Regierungsvertretern des Bundesstaates erwartet und von der politischen Polizei abgefilmt. Die ZapatistInnen ignorierten auch diese Provokation und kümmerten sich statt dessen um die Schwerverletzten, die vom Ende des Zuges nach vorn gebracht und so schnell wie möglich in diverse Krankenhäuser der Region transportiert wurden. Unterdessen berichten lokale BeobachterInnen, dass die in Jechvó zurückgebliebenen zapatistischen BewohnerInnen einer akuten Bedrohung durch die Paramilitärs der PRD ausgesetzt sind. Sie sollen sich in einem Haus versammelt und verbarrikadiert haben, während die Angreifer das von der Karawane gelieferte Wasser auskippten und mehrere Häuser zerstörten. Die Landesregierung von Chiapas veröffentlichte noch am selben Tag eine Erklärung, in der sie die Gewalt verurteilte und ankündigte, man würde keine weiteren Vorkomnisse dulden. Die Polizei habe Ermittlungen aufgenommen.

Für mehr Fotos und weitere Informationen siehe chiapas.indymedia.org.

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